»Dharys?« Das war EVOLO. Er sprach gedanklich.
»Ja?«
»Du bist ein Daila?«
»Ja! Der beste Daila aller Zeiten!«
»Ich bin klein und schwach, nur ein evolo.«
»Du wirst unter mir große Taten vollbringen, EVOLO!«
Ich bekam keine Antwort, denn Vergatsynn war nah. Dort musste der Erleuchtete warten. Ich spürte ihn auch ohne die Kräfte, die er mir verliehen hatte.
Ich sah ein winziges Objekt, kleiner als ein Molekül aus zwei Atomen, das die Hülle der LJAKJAR mühelos durchdrang. Bevor das Objekt in meiner Nähe war, hatte ich den Wunsch, es in mich aufzunehmen. Es kam und setzte sich in mich hinein. Es war herrlich und befreiend. Es brachte mir Erkenntnisse, die mich den Erleuchteten und Chipol vergessen ließen. Es zeigte mir die Wahrheit. Die Wahrheit meines Geistes und meines Körpers. Die Wahrheit meiner Ziele.
»Danke, EVOLO!«, schrie ich. »Dank dir, EVOLO!«
Das Einsehen meiner Irrtümer fiel mir in Anbetracht dieser neuen Seele sehr leicht.
Ich war seit langem nicht mehr der Daila Dharys.
Ich war ein Vasall des Erleuchteten, der mich benutzt hatte. Auch jetzt, um ihm EVOLO zu bringen. Zurück! Hah! Wir kamen zusammen, mein Herr und Aufklärer und ich.
Mein Aufklärer EVOLO!
Ich spielte dagegen keine Rolle, denn er war alles. Und das war auch richtig so.
Mein EVOLO!
Mein Herr!
Befreie mich vom Irrglauben!
Bitte!
Er tat es nicht direkt. Aber er kam zu mir. Und ich durfte ein Teil von ihm werden. Ein sprechender und denkender Teil. Er hatte mich aufgeklärt. Über alles. Mit einem einzigen Impuls seiner herrlichen Wesenheit.
»Wir stehen vor dem Erzeuger«, ließ er mich wissen. »Wir werden handeln.«
Ein Rest in mir schrie »Atlan! Chipol! Hilfe!«, aber der Schrei kam nie über meine Lippen. Er erstickte im Wohlgefühl der neuen Erkenntnis.
*
Er kam in mich hinein. Ich wurde ein Teil von ihm. Er besaß keinen Körper, aber ich konnte ihm meinen leihen. Für immer.
Ganz wurde ich nicht er. Aber das, was ich bekam, reichte aus, um die Irrtümer einzusehen, die ich begangen hatte.
Ich war einmal ein Daila gewesen. Jetzt war ich es nicht mehr.
Ich hatte geglaubt, tausend Arme, Beine und Geister (er nannte das Lichter) zu besitzen, aber in Wirklichkeit gehörte ich nur ihm!
Mein Kopf war kein Daila-Kopf. Mein Kopf war nur noch der Kopf EVOLOS.
Und Vergatsynn war nah!
Ich erkannte, dass ich mich frei gefühlt hatte und doch nie frei gewesen war. Der Erleuchtete hatte mich geformt und geknechtet. Er hatte mich laufen lassen und doch gehalten. Er hatte mir Träume vorgegaukelt, die ich für die Wirklichkeit gehalten hatte. Und er hatte mir keine Gefühle gegeben.
EVOLO gab mir Gefühle. Und die Freiheit, die ich wollte. Ich verlor meine Rachsucht, meinen Drang nach Macht, die Fähigkeit, auf Chipol einzuwirken, den ganzen unseligen Drang. EVOLO war richtig.
Mir wurde klar, wie sehr ich vom Erleuchteten abhängig gewesen war. Die Befreiung davon verdankte ich EVOLO!
Seine Gefühle irritierten mich im ersten Moment. Sie machten mir aber auch klar, wie sehr mich EVOLO brauchte. Ich würde nicht nur sein körperlicher Sprecher sein. Ich war auch in der Lage, seine Instinkte und Sehnsüchte, seinen Spieltrieb und sein Heimweh bei logischen Überlegungen auszuschalten. Ich war sehr wertvoll für ihn, und das machte mich stolz.
Es war erstaunlich, was ein winziges und mit normalen Sinnen gar nicht wahrnehmbares Objektfragment EVOLOS bewirken konnte. Innerhalb von Sekunden hatte es aus mir einen anderen gemacht. Und mir war gezeigt worden, wie mächtig EVOLO war. Es war eine Gnade, für ihn wirken zu dürfen.
»Was ist mit dir los, Dharys?«, quälte mich eine Stimme.
Ich empfand es als eine beispiellose Frechheit, einen Diener EVOLOS mit derart profanen Fragen zu behelligen.
»Melde dich, Dharys! Ist dir etwas zugestoßen? Warum reagierst du nicht mehr?«
Es war dieser Hellenker, der Hypton-Hörige. Ein lächerlicher Wicht.
Ich drückte den Sprechsensor der Funkanlage.
»Halt den Mund, Hellenker!«, bellte ich laut.
»Du bist von Sinnen, Dharys.« Der Ligride war sehr aufgeregt. »Meine Positronik meint, dass EVOLO die Erscheinung war, die wir über Verga-Pre gesehen haben. Sie meint auch, dass EVOLO von dir Besitz ergriffen hat.«
»Und wenn es so wäre, Hellenker?« Ich lachte.
»Beweise das Gegenteil! Oder unsere Wege trennen sich.«
Ich spürte die Angst und die seiner Begleiter. Der Hauch EVOLOS hatte sie berührt. Jetzt gerieten sie in Panik.
»Ich bin euch keinen Beweis schuldig«, entgegnete ich hart. »Wenn du mir nicht folgen willst, werde ich dich dazu zwingen.«
Ich sah, wie die GLIMMERTON abdrehte und beschleunigte. Mein Verstand funktionierte scharf und klar. Es durfte nie und nimmer geschehen, dass die Völker des Neuen Konzils etwas von dieser Entwicklung erfuhren. Ich musste das verhindern und notfalls Hellenker und seine Crew vernichten. Aber auch das würde mich verdächtig machen. Die GLIMMERTON verfügte außerdem über ganz ausgezeichnete Defensivschirme, die auch für meine LJAKJAR ein Problem darstellten.
Es gab eine andere Lösung. EVOLO!
Ich spürte, dass er in meiner Nähe war, denn er war mir seit dem Verlassen Verga-Pres stetig gefolgt. Ich konzentrierte mich.
EVOLO! Dein Diener Dharys ruft dich. Ich weiß, dass du mich hören kannst. Und du weißt, dass ich es weiß. Du musst eingreifen!
Er antwortete nicht. Ich sammelte meine ganze psionische Kraft und schrie damit nach ihm. In wenigen Sekunden würde Hellenker in die Labilzone gehen. Ob EVOLO ihn dann noch erreichen können würde, wusste ich nicht. Ich bezweifelte es aber.
EVOLO! Melde dich! Hellenker flieht mit seiner GLIMMERTON. Er wird die Kunde von deiner Anwesenheit in ganz Manam-Turu verbreiten. Es gibt dort Machtfaktoren, von denen du noch nichts weißt. Ich spreche von den Hyptons und den Ligriden. Du fügst dir Schaden zu, wenn du nicht handelst. Vergiss dein Heimweh für einen Moment. Du wirst den Erleuchteten früh genug erleben. Halte Hellenker auf!
Wieder kam keine Antwort.
Ich wollte die LJAKJAR drehen und auf die Feuerknöpfe drücken, aber meine Arme versagten. Staunend betrachtete ich sie. Waren es zwei Arme? Oder vier? Wo war mein Kopf?
Der Orter wies aus, dass die GLIMMERTON in den Linearraum wechselte. Das Echo verschwand von den Anzeigen. Ich war sehr enttäuscht, denn ich hatte mir die Zusammenarbeit mit meinem neuen Herren anders vorgestellt.
»Gut, nicht wahr?«, fragte mich EVOLO plötzlich. Er war irgendwo mit einem Teil seines Ichs in mir.
»Nicht gut.« Ich schüttelte mich. »Hellenker ist weg.«
»Du solltest etwas mehr Vertrauen in mich haben, Dharys!« EVOLOS Lachen klang wie das eines verspielten Kindes, das eine verlorene Murmel gefunden hatte.
»Du hast mich enttäuscht!«, stieß ich heftig hervor.
»Merke dir eins, Dharys!« Seine Stimme klang auch jetzt weich und sehr freundlich. »EVOLO kann und wird dich nie enttäuschen.«
»Ich verstehe dich nicht.«
»Deine Gedanken sind bei mir, bevor du