Der erste dieser Träume war eine revolutionäre Bewegung, die ein freies und einiges Indien schaffen würde. Indien ist heute frei, aber es hat nicht seine Einheit erreicht. Zeitweilig erschien es fast, als ob es im Akt der Befreiung in das Chaos separater Staaten wie vor der britischen Herrschaft zurückfallen würde. Aber glücklicherweise erscheint es jetzt wahrscheinlich, dass diese Gefahr abgewendet und eine große und mächtige, obgleich noch nicht vollständige Einheit begründet wird. Auch hat die zu Recht durchgreifende Politik der Verfassunggebenden Versammlung es wahrscheinlich gemacht, dass das Problem der unterdrückten Klassen ohne Schisma oder Spaltung gelöst wird. Aber die alte Unterteilung der Religionsgemeinschaften in Hindus und Moslems scheint sich jetzt zu einer permanenten politischen Teilung des Landes verhärtet zu haben. Es bleibt zu hoffen, dass diese Tatsache nicht als für immer geschaffen akzeptiert wird, ist sie doch nicht mehr als ein Notbehelf. Denn wenn sie fortdauert, kann Indien ernsthaft geschwächt, ja, verkrüppelt werden: Bürgerkrieg bliebe stets möglich, möglich wäre sogar eine neue Invasion und Fremdherrschaft. Indiens innere Entwicklung und sein Wohlstand könnten behindert, seine Stellung unter den Nationen geschwächt, seine Bestimmung beeinträchtigt oder sogar vereitelt werden. Dies darf nicht geschehen; die Teilung muss verschwinden. Wir wollen hoffen, dass dies auf natürliche Weise geschieht, durch wachsende Anerkennung der Notwendigkeit nicht nur von Frieden und Einheit, sondern auch von gemeinsamem Handeln, durch die Praxis des gemeinsamen Handelns und die Schaffung der Mittel zu diesem Zweck. Auf diese Weise kann die Einheit schließlich, in welcher Form auch immer, zustande kommen – die konkrete Form mag pragmatische, nicht aber fundamentale Bedeutung haben. Doch die Teilung muss verschwinden, mit welchen Mitteln, in welcher Weise auch immer. Die Einheit muss und wird vollbracht werden, denn sie ist notwendig für die Größe von Indiens Zukunft.
Ein anderer Traum betraf die Wiedererweckung und Befreiung der Völker Asiens und dessen Rückkehr zu seiner großen Rolle im Fortschritt menschlicher Zivilisation. Asien hat sich erhoben; weite Teile sind jetzt ganz frei oder werden in diesem Augenblick befreit. Seine übrigen, noch unterworfenen oder teilweise unterworfenen Teile bewegen sich, durch was für Kämpfe auch immer, auf Freiheit hin. Nur wenig ist zu tun, und das wird heute oder morgen getan werden. Dabei hat Indien seine Rolle zu übernehmen und begonnen, sie mit Energie und Können zu spielen, was bereits das Maß seiner Möglichkeiten und den Platz anzeigt, den es im Rat der Nationen einnehmen kann.
Der dritte Traum war eine Welt-Union, die die äußere Grundlage für ein gerechteres, besseres und edleres Leben der ganzen Menschheit bildet. Diese Vereinigung aller Menschen ist im Werden; ein unvollkommener Anfang ist gemacht, man kämpft jedoch gegen enorme Schwierigkeiten an. Aber der Impuls ist da und muss zwangsläufig wachsen und siegreich sein. Auch hier hat Indien begonnen, eine herausragende Rolle zu spielen, und wenn es jene größere Staatskunst entwickeln kann, die nicht durch die gegenwärtigen Fakten und unmittelbaren Möglichkeiten begrenzt wird, sondern in die Zukunft blickt und sie näher bringt, kann seine Gegenwart den ganzen Unterschied ausmachen zwischen einer langsamen, zögerlichen und einer mutigen, schnellen Entwicklung. Zwar kann eine Katastrophe eintreten und unterbrechen oder zerstören, was gerade geleistet wird, aber selbst dann ist das letztliche Ergebnis sicher. Denn Vereinigung ist eine Notwendigkeit der Natur, eine zwangsläufige Bewegung. Ihre Notwendigkeit für die Nationen ist ersichtlich, ohne sie kann die Freiheit der kleinen Nationen jeden Augenblick in Gefahr geraten und das Leben selbst der großen und mächtigen Nationen unsicher werden. Die Vereinigung liegt daher im Interesse aller, nur menschliche Dummheit und törichte Selbstsucht kann sie verhindern; aber diese können nicht auf Dauer gegen die Notwendigkeit der Natur und den Göttlichen Willen bestehen. Eine äußere Basis genügt freilich nicht; ein internationaler Geist und eine internationale Perspektive müssen entwickelt werden, internationale Formen und Institutionen, Maßnahmen wie doppelte oder mehrfache Staatsbürgerschaft, bewusster Austausch und freiwillige Verschmelzung von Kulturen. Der Nationalismus wird sich vollendet, seine Militanz verloren haben und diese Dinge nicht mehr mit Selbsterhaltung und ganzheitlicher Anschauung unvereinbar finden. Ein neuer Geist der Einheit wird die Menschheit ergreifen.
Ein anderer Traum, die spirituelle Gabe Indiens an die Welt, findet bereits seine Erfüllung. Indiens Spiritualität hält in ständig zunehmendem Umfang in Europa und Amerika Einzug. Diese Bewegung wird weiter wachsen. Inmitten der Desaster der Zeit blicken immer mehr Augen hoffnungsvoll auf Indien, und man sucht zunehmend sein Heil nicht nur in dessen Lehren, sondern auch in seiner seelischen und spirituellen Praxis.
Der letzte Traum war ein Schritt in der Evolution, der die Menschen in ein höheres und weiteres Bewusstsein erhebt und sie mit der Lösung der Schwierigkeiten beginnen lässt, die ihn geplagt haben, seit er erstmals von individueller Vollkommenheit und einer vollkommenen Gesellschaft zu träumen begann. Dies ist noch eine persönliche Hoffnung und Vorstellung, ein Ideal, das längst in Indien und im Westen Menschen, die in die Zukunft blicken, in seinen Bann zieht. Die Schwierigkeiten auf dem Weg sind gewaltiger als in jedem anderen Bereich menschlicher Anstrengung, aber Schwierigkeiten sind dazu da, um überwunden zu werden, und wenn der Höchste Wille vorhanden ist, werden sie überwunden. Wenn diese Evolution stattfinden soll, kann auch hier die Initiative von Indien ausgehen, da sie mit dem Wachstum des Geistes und des inneren Bewusstseins erfolgen muss, und die zentrale Bewegung mag, obwohl ihr Bereich allumfassend sein muss, diejenige Indiens sein.
Solcherart ist der Inhalt, den ich in dieses Datum von Indiens Befreiung lege. Ob und wie weit diese Hoffnung gerechtfertigt sein wird, hängt vom neuen und freien Indien ab.
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