Die Elixiere des Teufels. Nachgelassene Papiere des Bruders Medardus eines Kapuziners. E. T. A. Hoffmann. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: E. T. A. Hoffmann
Издательство: Bookwire
Серия: Reclams Universal-Bibliothek
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783159618555
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nimmermehr«, schrie ich heftig, »ich kenne den entsetzlichen Abgrund, ich kenne den Sitz des Teufels, nimmermehr! Fort mit dir und dem Frevel, den du mir zumutest!« Da sprang Euphemie auf, wilde Glut entflammte ihren Blick, ihr Gesicht war verzerrt von der wütenden Leidenschaft, die in ihr tobte. »Elender Schwächling«, rief sie, »du wagst es in dumpfer Feigheit, dem zu widerstreben, was ich beschloss? Du willst dich [105]lieber dem schmachvollen Joche schmiegen, als mit mir herrschen? Aber du bist in meiner Hand, vergebens entwindest du dich der Macht, die dich gefesselt hält zu meinen Füßen! – Du vollziehst meinen Auftrag, morgen darf der, dessen Anblick mich peinigt, nicht mehr leben!«

      Indem Euphemie die Worte sprach, durchdrang mich die tiefste Verachtung ihrer armseligen Prahlerei, und im bittern Hohn lachte ich ihr gellend entgegen, dass sie erbebte und die Totenblässe der Angst und des tiefen Grauens ihr Gesicht überflog. – »Wahnsinnige«, rief ich, »die du glaubst über das Leben zu herrschen, die du glaubst, mit seinen Erscheinungen zu spielen, habe acht, dass dies Spielzeug nicht in deiner Hand zur schneidenden Waffe wird, die dich tötet! Wisse, Elende, dass ich, den du in deinem ohnmächtigen Wahn zu beherrschen glaubst, dich wie das Verhängnis selbst in meiner Macht festgekettet halte, dein frevelhaftes Spiel ist nur das krampfhafte Winden des gefesselten Raubtiers im Käfig! – Wisse, Elende, dass dein Buhle zerschmettert in jenem Abgrunde liegt und dass du statt seiner den Geist der Rache selbst umarmtest! – Geh und verzweifle!«

      Euphemie wankte; im konvulsivischen Erbeben war sie im Begriff, zu Boden zu sinken, ich fasste sie und drückte sie durch die Tapetentüre den Gang hinab. – Der Gedanke stieg in mir auf, sie zu töten, ich unterließ es, ohne mich dessen bewusst zu sein, denn im ersten Augenblick, als ich die Tapetentüre schloss, glaubte ich die Tat vollbracht zu haben! – Ich hörte einen durchdringenden Schrei und Türen zuschlagen.

      Jetzt hatte ich mich selbst auf einen Standpunkt gestellt, der mich dem gewöhnlichen menschlichen Tun ganz [106]entrückte; jetzt musste Schlag auf Schlag folgen, und, mich selbst als den bösen Geist der Rache verkündend, musste ich das Ungeheuere vollbringen. – Euphemiens Untergang war beschlossen, und der glühendste Hass sollte, mit der höchsten Inbrunst der Liebe sich vermählend, mir den Genuss gewähren, der nun noch dem übermenschlichen mir inwohnenden Geiste würdig. – In dem Augenblick, dass Euphemie untergegangen, sollte Aurelie mein werden.

      Ich erstaunte über Euphemiens innere Kraft, die es ihr möglich machte, den andern Tag unbefangen und heiter zu scheinen. Sie sprach selbst darüber, dass sie vorige Nacht in eine Art Somnambulismus geraten und dann heftig an Krämpfen gelitten, der Baron schien sehr teilnehmend, Reinholds Blicke waren zweifelhaft und misstrauisch. Aurelie blieb auf ihrem Zimmer, und je weniger es mir gelang, sie zu sehen, desto rasender tobte die Wut in meinem Innern. Euphemie lud mich ein, auf bekanntem Wege in ihr Zimmer zu schleichen, wenn alles im Schlosse ruhig geworden. – Mit Entzücken vernahm ich das, denn der Augenblick der Erfüllung ihres bösen Verhängnisses war gekommen. – Ein kleines, spitzes Messer, das ich schon von Jugend auf bei mir trug und mit dem ich geschickt in Holz zu schneiden wusste, verbarg ich in meiner Kutte, und so, zum Morde entschlossen, ging ich zu ihr. »Ich glaube«, fing sie an, »wir haben beide gestern schwere ängstliche Träume gehabt, es kam viel von Abgründen darin vor, doch das ist nun vorbei!« – Sie gab sich darauf wie gewöhnlich meinen frevelnden Liebkosungen hin, ich war erfüllt von entsetzlichem, teuflischen Hohn, indem ich nur die Lust empfand, die mir der Missbrauch ihrer eignen Schändlichkeit erregte. Als sie in meinen Armen lag, entfiel mir das Messer, sie [107]schauerte zusammen, wie von Todesangst ergriffen, ich hob das Messer rasch auf, den Mord noch verschiebend, der mir selbst andere Waffen in die Hände gab. – Euphemie hatte italienischen Wein und eingemachte Früchte auf den Tisch stellen lassen. – »Wie so ganz plump und verbraucht«, dachte ich, verwechselte geschickt die Gläser und genoss nur scheinbar die mir dargebotenen Früchte, die ich in meinen weiten Ärmel fallen ließ. Ich hatte zwei, drei Gläser von dem Wein, aber aus dem Glase, das Euphemie für sich hingestellt, getrunken, als sie vorgab, Geräusch im Schlosse zu hören, und mich bat, sie schnell zu verlassen. – Nach ihrer Absicht sollte ich auf meinem Zimmer enden! Ich schlich durch die langen, schwach erhellten Korridore, ich kam bei Aureliens Zimmer vorüber, wie festgebannt blieb ich stehen. – Ich sah sie, es war, als schwebe sie daher, mich voll Liebe anblickend wie in jener Vision, und mir winkend, dass ich ihr folgen sollte. – Die Türe wich durch den Druck meiner Hand, ich stand im Zimmer, nur angelehnt war die Türe des Kabinetts, eine schwüle Luft wallte mir entgegen, meine Liebesglut stärker entzündend, mich betäubend; kaum konnte ich atmen. – Aus dem Kabinett quollen die tiefen angstvollen Seufzer der vielleicht von Verrat und Mord Träumenden, ich hörte sie im Schlafe beten! – »Zur Tat, zur Tat, was zauderst du, der Augenblick entflieht«, so trieb mich die unbekannte Macht in meinem Innern. – Schon hatte ich einen Schritt ins Kabinett getan, da schrie es hinter mir: »Verruchter, Mordbruder! nun gehörst du mein!« und ich fühlte mich mit Riesenkraft von hinten festgepackt. – Es war Hermogen, ich wand mich, alle meine Stärke aufbietend, endlich von ihm los und wollte mich fortdrängen, aber von neuem packte er mich [108]hinterwärts und zerfleischte meinen Nacken mit wütenden Bissen! – Vergebens rang ich, unsinnig vor Schmerz und Wut, lange mit ihm, endlich zwang ihn ein kräftiger Stoß, von mir abzulassen, und als er von neuem über mich herfiel, da zog ich mein Messer; zwei Stiche, und er sank röchelnd zu Boden, dass es dumpf im Korridor widerhallte. – Bis heraus aus dem Zimmer hatten wir uns gedrängt im Kampfe der Verzweiflung.

      Sowie Hermogen gefallen, rannte ich in wilder Wut die Treppe herab, da riefen gellende Stimmen durch das ganze Schloss: »Mord! Mord!« – Lichter schweiften hin und her, und die Tritte der Herbeieilenden schallten durch die langen Gänge, die Angst verwirrte mich, ich war auf entlegene Seitentreppen geraten. – Immer lauter, immer heller wurde es im Schlosse, immer näher und näher erscholl es grässlich: »Mord, Mord!« Ich unterschied die Stimme des Barons und Reinholds, welche heftig mit den Bedienten sprachen. – Wohin fliehen, wohin mich verbergen? – Noch vor wenig Augenblicken, als ich Euphemien mit demselben Messer ermorden wollte, mit dem ich den wahnsinnigen Hermogen tötete, war es mir, als könne ich, mit dem blutigen Mordinstrument in der Hand, vertrauend auf meine Macht, keck hinaustreten, da keiner, von scheuer Furcht ergriffen, es wagen würde, mich aufzuhalten; jetzt war ich selbst von tödlicher Angst befangen. Endlich, endlich war ich auf der Haupttreppe, der Tumult hatte sich nach den Zimmern der Baronesse gezogen, es wurde ruhiger, in drei gewaltigen Sprüngen war ich hinab, nur noch wenige Schritte vom Portal entfernt. Da gellte ein durchdringender Schrei durch die Gänge, dem ähnlich, den ich in voriger Nacht gehört. – »Sie ist tot, gemordet durch das Gift, das sie [109]mir bereitet«, sprach ich dumpf in mich hinein. Aber nun strömte es wieder hell aus Euphemiens Zimmern. Aurelie schrie angstvoll um Hilfe. Aufs Neue erscholl es grässlich: »Mord, Mord!« – Sie brachten Hermogens Leichnam! – »Eilt nach dem Mörder«, hört’ ich Reinhold rufen. Da lachte ich grimmig auf, dass es durch den Saal, durch die Gänge dröhnte, und rief mit schrecklicher Stimme: »Wahnwitzige, wollt ihr das Verhängnis fahen, das die frevelnden Sünder gerichtet?« – Sie horchten auf, der Zug blieb wie festgebannt auf der Treppe stehen. – Nicht fliehen wollt’ ich mehr – ja ihnen entgegenschreiten, die Rache Gottes an den Frevlern in donnernden Worten verkündend. Aber – des grässlichen Anblicks! – vor mir! – vor mir stand Viktorins blutige Gestalt, nicht ich, er hatte die Worte gesprochen. – Das Entsetzen sträubte mein Haar, ich stürzte in wahnsinniger Angst heraus, durch den Park! – Bald war ich im Freien, da hörte ich Pferdegetrappel hinter mir, und indem ich meine letzte Kraft zusammennahm, um der Verfolgung zu entgehen, fiel ich, über eine Baumwurzel strauchelnd, zu Boden. Bald standen die Pferde bei mir. Es war Viktorins Jäger. »Um Jesus willen, gnädiger Herr«, fing er an, »was ist im Schlosse vorgefallen, man schreit Mord! Schon ist das Dorf im Aufruhr. – Nun, was es auch sein mag, ein guter Geist hat es mir eingegeben, aufzupacken und aus dem Städtchen hieherzureiten; es ist alles im Felleisen auf Ihrem Pferde, gnädiger Herr, denn wir werden uns doch wohl trennen müssen vorderhand, es ist gewiss recht was Gefährliches geschehen, nicht wahr?« – Ich raffte mich auf, und mich aufs Pferd schwingend, bedeutete ich den Jäger, in das Städtchen zurückzureiten und dort meine Befehle zu erwarten. Sobald er sich in der Finsternis [110]entfernt hatte, stieg ich wieder vom Pferde und leitete es behutsam in den dicken Tannenwald hinein, der sich vor mir ausbreitete.

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