Sodann lautet Artikel 1 (Freiheit, Gleichheit, Solidarität): »Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind« (kantianisch und allgemein im Lichte der Aufklärungsphilosophie gedacht) »mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geist der Solidarität« (damit im Sinne der Wertekonstellation von 1789 die mehrfach betonte Freiheit und Gleichheit durch die Solidarität ergänzend) »begegnen.«
Artikel 25 betont (erneut die Ebene der Sozialpolitik als Teil der Gesellschaftspolitik betretend) das »Recht auf Wohlfahrt«: »Jeder Mensch hat das Recht auf einen Lebensstandard, der Gesundheit und Wohl für sich selbst und die eigene Familie gewährleistet, einschließlich Nahrung, Kleidung, Wohnung, ärztliche Versorgung und notwendige soziale Leistungen, sowie das Recht auf Sicherheit im Falle von Arbeitslosigkeit, Krankheit, Invalidität oder Verwitwung, im Alter sowie bei anderweitigem Verlust der eigenen Unterhaltsmittel durch unverschuldete Umstände.«
Wichtig ist sodann die Rahmung dieser Rechtsphilosophie in einem personalistischen Sinne, da es nicht um eine Welt des Individualismus geht. Artikel 29 betont die »Grundpflichten« aller Menschen: »1) Jeder Mensch hat Pflichten gegenüber der Gemeinschaft, in der allein« (quasi in einem transzendentalen Sinne) »die freie und volle Entfaltung der eigenen Persönlichkeit möglich ist.« Und »2) Jeder Mensch ist bei der Ausübung der eigenen Rechte und Freiheiten nur den Beschränkungen unterworfen, die das Gesetz ausschließlich zu dem Zweck vorsieht, die Anerkennung und Achtung der Rechte und Freiheiten anderer« (hier analog zum Art. 2 GG) »zu sichern und den gerechten Anforderungen der Moral« (wohl das Sittengesetz von Kant meinend, da die Grenze der Freiheit von Ego in dem gleichen Grundrecht von Alter Ego fundiert ist, Freiheit auf Kosten dritter im Sinne negativer Externalitäten also zu unterbinden sind) »der öffentlichen Ordnung und des allgemeinen Wohles in einer demokratischen Gesellschaft zu genügen.« Das Sittengesetz fordert: Tue nichts, von dem Du willst, dass man es Dir antut: Eine uralte Vorläufer-Figur des Sittengesetzes von Kant. Im Alltag: Versetze Dich doch mal in meine Lage, um zu verstehen, was Du mir antust! Sieh’ es doch mal mit meinen Augen! Du bist ein Narzisst, ein sozialer Autist! Selbstverliebt, unsensibel! Die Fähigkeit zum Perspektivenwechsel ist gefragt. Dann wird Selbstveränderung (Selbsttranszendenz) möglich. Das Sittengesetz in der Tradition von Immanuel Kant (1724–1804) ist psychologisch und soziologisch im Lichte empathiefundierter sozialer Interaktion reformulierbar: Handle so, dass Du in die Maxime deines Handelns auch dann noch einwilligen kannst, wenn Du dich in die Rolle derer versetzt, die von deinem Handeln betroffen sind (Pareto-Rawls-Lösungen). Als »goldene Regel« ist dieses Sittengesetz als normative Grammatik sozialen Miteinanders und der dialogischen Begegnung im zwischenmenschlichen Bereich in einer archaischen Frühform seit der »Achsenzeit« der hochkulturellen Weltreligionen bekannt. Hintergrund des Sittengesetzes ist der kategorische Imperativ bei Kant: Der Mensch sei immer nur Selbstzweck, nie Mittel zum Zweck im Sinne einer Instrumentalisierung für Dritte.
Dies Alles wird im vorliegenden Essay radikale Folgen zeitigen für die Auslegung der kommunalen Daseinsvorsorge des Art. 28 GG (mitunter gerade auch in Bezug auf die dramatischen Verwerfungen in ländlichen Räumen angesichts der Norm der »Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse im Raum« in Art. 72 GG), auch hier in einem europarechtlichen Rechtshorizont gestärkt durch das Grundrecht auf freien Zugang zu sozialen Dienstleistungen im Art. 36 der Grundrechtscharta, primärrechtlich verankert im EUV sowie in den AEUV. Diese Sakralität der personalen Würde ist besonders der Sprachatmosphäre192 und der Argumentationsarchitektur der für uns verbindlichen Grundrechtskonventionen der UN anzumerken.
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