„Doch“, sagte Bount.
„Na also. Trinken wir. Ich weiß zwar nicht, worauf - es sei denn, auf das baldige Ende meiner Witwenschaft“, spottete sie und hob ihm ihr Glas entgegen.
„Brr“, machte Bount, nachdem er getrunken und das Glas abgesetzt hatte. „Der ist ganz schön stark geraten.“
„Ich mag starke Dinge“, meinte Virginia Leggins und ließ ihre Zungenspitze über die vollen Lippen gleiten. „Vor allem starke Männer.“
Bount verspürte keine Neigung, nach dem Köder zu schnappen. Das Ganze war ihm eher peinlich. Er überspielte es mit einer Frage: „Hatte Charly eine Freundin?“
„Er spielte gern mit kleinen Mädchen, Teenager bevorzugt“, sagte Virginia Leggins. „Es hat mich nicht gestört. Wenn Sie wissen wollen, ob eine feste Freundin darunter war, ein Mädchen, das er regelmäßig besuchte und dem seine besondere Neigung gehörte, muss ich passen. Ich weiß einfach zu wenig über Charly. Er war, wie ich bereits erwähnte, oft tagelang unterwegs, und er sprach nie über die Dinge, die er dabei getrieben oder erlebt hatte. Mag sein, dass es eine Freundin gab, mag auch sein, dass er nur mal hier und da naschte. Es hat mich nicht sonderlich interessiert.“
„Haben Sie einen Freund?“
Virginia lachte spöttisch.
„Mir ist klar, warum Sie das zu erfahren wünschen. Sie fragen sich, ob Charly das Opfer einer Eifersuchtstragödie geworden sein könnte. Das scheidet aus. Ich habe niemand im Wege gestanden. Wenn Charly die Scheidung hätte haben wollen, wäre von mir kein Protest erhoben worden. Genügt das?“
„Ja. Wie steht es mit Charlys Freunden?“
„Er hatte keine.“
„Das ist ungewöhnlich für einen Mann.“
„Nicht, wenn er wie Charly veranlagt ist. Charly traute keinem. Und niemand traute ihm. Diese Konstellation stand einer Freundschaft im Wege. Natürlich gab es Leute, mit denen er gern feierte, aber Freunde waren das nicht - nein.“
„Wer, würden Sie sagen, kannte ihn am besten?“
„Ich.“
„Ich beziehe mich auf die Männer, mit denen er gelegentlich ein Ding drehte oder einen Zug durch die Gemeinde machte“, sagte Bount.
„Lassen Sie mich überlegen! Mir fällt nur Mike ein. Mike Finch. Ein rothaariger Ire. Ein Bulle von Kerl, aber nicht mein Typ“, schloss sie.
„Sie haben was gegen ihn. Warum?“
„Schwer zu sagen. wissen Sie, es gibt sogar unter Gangstern Leute, die man lustig finden kann, sexy oder sonst was! Mike ist in meinen Augen einfach nur ein Fiesling. Er hat mal versucht, sich an mich heranzumachen, aber das ist nicht der Grund für meine Abneigung. Er hat etwas, das mir Angst macht, was mich abstößt. Mit Charlys Tod brauchen Sie ihn freilich nicht in Verbindung zu bringen. Mike hat Charly vergöttert. Was Charly sagte, war für Mike wie ein Evangelium.“
„Wo finde ich Mike?“
„Wenn Sie sich an den wenden, verplempern Sie nur Ihre Zeit“, sagte Virginia Leggins.
„Warum?“
„Wenn er etwas wüsste oder ahnte, würde er es nicht Ihnen sagen, sondern versuchen, daraus Profit zu schlagen.“
„Sie halten ihn für einen Erpresser?“
„Ich traue ihm einfach alles zu, Erpressung inbegriffen“, meinte Virginia Leggins. „Lassen Sie ihn um Himmels willen nicht wissen, dass ich das gesagt habe. Er ist rachsüchtig. Ich habe wahrhaftig keine Lust, mich ein zweites Mal mit ihm anzulegen, das wäre mein sicheres Ende.“ „Ein zweites Mal?“, fragte Bount.
„Hören Sie mir nicht zu? Ich sagte, dass er versucht hat, mich rumzukriegen. Ich habe ihm dafür den Marsch geblasen. Er war ganz schön sauer damals.“
„Haben Sie Charly davon erzählt?“
„Nein. Er war der Ansicht, dass ich mich selbst verteidigen kann, und damit lag er genau richtig.“
„Darf ich mal Ihr Telefon benutzen und ein Taxi bestellen?“, fragte Bount.
„Wollen Sie zurück in die Stadt? Ich kann Sie mitnehmen“, sagte die junge Frau.
„Ich muss zum Flugplatz.“
„Okay, ich setze Sie dort ab. Wollen Sie nicht Ihr Glas leeren?“
„Nichts für ungut, aber der ist mir zu stark.“
„Sie müssen noch viel lernen“, spottete Virginia Leggins und stand auf. Sie strich sich mit beiden Händen das Kleid glatt, stellte die Gläser zurück auf das Tablett und ging damit zur Tür. „Sie können schon rausgehen“, meinte sie. „Ich komme in einer Minute nach.“
Bount befolgte die Aufforderung. Er bewunderte die Blumen auf den gepflegten Beeten und fragte sich, wer von den beiden Leggins die Muße gefunden hatte, sich um den Garten zu kümmern. Virginia Leggins kam durch die Vordertür, mit einer Tasche unter dem rechten Arm.
„Wie ich sehe, bewundern Sie meine Rosen“, sagte sie lächelnd. „Es ist die Virginiarose. Eine eigene Züchtung. Ich habe nichts dagegen, wenn Sie dabei Ähnlichkeiten feststellen.“
Sie schritten gemeinsam auf den Honda zu. Plötzlich blieb die junge Frau stirnrunzelnd stehen. „Zu dumm“, sagte sie. „Jetzt weiß ich nicht, ob ich daran gedacht habe, den Küchenzugang abzuschließen. Würden Sie bitte so freundlich sein und sich davon überzeugen, dass er dicht ist? Ich steige inzwischen in den Wagen und starte die Maschine.“
„Geht in Ordnung“, meinte Bount und machte kehrt.
Noch ehe er um die Ecke des Bungalows zu biegen vermochte, schien ihn eine Riesenfaust zu packen und hochzuheben. Bount stemmte sich gegen die mörderische Attacke, aber er war der Druckwelle der Explosion nicht gewachsen. Er stürzte, schrammte mit der Stirn heiß über einen Stein und hatte Mühe, die Betäubung aus seinen Hörkanälen zu drängen, die die Detonation erzeugt hatte. Neben ihm klatschte etwas in den Rasen und bohrte sich tief in das weiche Erdreich. Bount hörte das Trudeln, Singen und Schwirren von Blech und Metallteilen, die durch die Luft segelten, und musste sich zwingen, den Kopf zu heben und über seine Schulter zu blicken.
Der Honda stand in hellen Flammen. Türen und Fenster waren von der gewaltigen Explosion aus ihren Verankerungen gerissen und zu Geschossen umfunktioniert worden. Virginia Leggins Umrisse waren nur undeutlich hinter der lodernden Flammenwand zu erkennen. Die junge Frau war über dem Lenkrad zusammengebrochen.
Bount sprang auf und stürmte in die Garage, aber der Feuerlöscher, den er dort fand, erwies sich als funktionsuntüchtig. Bount warf das Gerät wütend beiseite. Doch selbst wenn es zu gebrauchen gewesen wäre, hätte es der unglücklichen Virginia Leggins nicht mehr helfen können.
4
Lieutenant Holm bewegte die Kinnladen verdrossen auf einem Chewinggum. Die hellen Augen wirkten naiver und unschuldiger denn je und bildeten einen merkwürdigen Kontrast zu der makabren Szene, die sie betrachteten.
Holm schritt um den ausgebrannten Wagen herum. Die Feuerwehr hatte gerade die letzten Glutnester erstickt. Die Leiche der jungen Frau befand sich noch auf dem Fahrersitz, beziehungsweise auf dem ausgeglühten Metall, das von ihm übrig geblieben war.
„Ein Komplott“, sagte Holm düster. „Das Ende einer Familie. Oder sollte ich sagen das Ende einer Ehe?“
„Sie ist im herkömmlichen Sinn wohl kaum eine gewesen“, bemerkte Bount.
Holm