Zum Glück hat der Vorstandschef das eingesehen. Da alle nur auf ihn fixiert waren, konnte die Initiative zur Veränderung nur von ihm ausgehen. Er war weitsichtig genug, um zu verstehen, dass zwar im Moment alles glattlief, es bei der kleinsten Krise aber an der nötigen Kreativität, Flexibilität und Kommunikationsfähigkeit mangeln würde, um auf Kurs zu bleiben. Er holte deshalb einen neuen Mann in den Vorstand, der ganz anders war als die bisherigen Kollegen. Der Neue war kreativ, begeisternd sowie sehr offen und kommunikativ. Der Chef blieb weiter unter Strom und musste immer noch mit dem Kopf durch jede Wand. Aber er lernte mehr und mehr, andere Charaktere in der Firma zu fördern und ihren Beitrag zu schätzen. So entstand nach etwa einem Jahr ein Unternehmensorchester, das gemeinsam musiziert. Und so überstand die Firma schließlich auch die großen Konzentrationswellen im Handel und ist bis heute eigenständig erfolgreich.
Nur wer den anderen zuhört, kann Musik machen
Drei Prinzipien für Musiker – und Teams
Es gibt drei Prinzipien, nach denen sich alle Musiker richten müssen. Sie müssen erstens einander zuhören. Nur wer weiß, wie die Instrumente der anderen klingen, kann mit ihnen gemeinsam musizieren. Zweitens müssen sich Musiker miteinander abstimmen. Auch im Jazz, wo Stücke improvisiert werden, sprechen sich die Musiker vorher ab. Sonst funktioniert es nicht. Drittens müssen bei der Aufführung alle im Takt bleiben und zusammenspielen. Diese Prinzipien sind auch eine schöne Metapher für das, worauf es in jedem Team ankommt. Ich habe dieses Buch deshalb in drei Teile unterteilt, die erst »Zuhören«, dann »Sich-Abstimmen« und schließlich »Zusammen-Spielen« in den Blick nehmen. Wer diese drei Prinzipien beachtet, für den haben Teamkonflikte ein Ende. Die Musik, die das Unternehmensorchester für die Kunden spielt, geht leicht von der Hand.
Einander zuhören ist der Anfang jeder Verbesserung.
Alles beginnt damit, einander zuzuhören. Und damit fangen in den meisten Firmen auch schon die Probleme an. Als ich die Vorstandsmitglieder bei »Men at Work« fragte, ob sie einander gut kennen, sagten alle: »Ja, na klar.« Doch als ich sie dann bat, einmal die besonderen Stärken jedes einzelnen Kollegen aufzuschreiben, fiel ihnen gar nichts ein. Sie hatten komplett keine Ahnung. Es war unglaublich! Wahrscheinlich hatten sie nie richtig zugehört. Wer ein besseres Team werden möchte, sollte deshalb im ersten Schritt die Stärken der anderen besser kennenlernen. Das geht nur, wenn alle lernen, einander zuzuhören.
Wenn Führungskräfte die Stärken ihrer einzelnen Mitarbeiter erkannt haben, dann können sie diese auch gezielt fördern. Ich lege allen Führungskräften nahe, die Stärken ihrer Mitarbeiter zu entwickeln und sie genau dort einzusetzen, wo sie am besten passen. Nicht nur von der funktionalen Rolle her, sondern vor allem im Hinblick auf die charakterliche Teamrolle. Es ist immens wichtig, dass jeder am für ihn richtigen Platz agiert. Nur so kommen Begeisterung und Leidenschaft bei der Arbeit auf. Eine Gitarre kann nun einmal keine Hornklänge produzieren. Und von einem kreativen Genie im Unternehmen darf kein Chef erwarten, dass es alle Details im Kopf hat und jeden Termin einhält. Da können aber andere Teammitglieder einspringen, denen das mehr liegt.
SO SIND SIE IM TAKT
Fragen Sie sich einmal: Was sind meine eigenen Stärken und welche Stärken haben die anderen im Team? Welche Stärken möchte ich selbst entwickeln und welche sollten die anderen im Team entwickeln? Die Antworten werden Sie finden, wenn Sie sich selbst genau wahrnehmen und den anderen gut zuhören.
In seinen Studien fand Belbin heraus, dass Managementteams üblicherweise nach bestimmten funktionalen Anforderungen gebildet werden. Die Firma sucht zum Beispiel den besten Fachmann für Finanzen und macht ihn zum Finanzvorstand. Die Zusammenstellung des Führungsteams folgt keinem übergeordneten Gedanken. Dabei ist die Kompatibilität einzelner Mitglieder eines Managementteams der alles entscheidende Faktor für die Qualität der Resultate. Belbin konnte das in seinen jahrelangen Planspielen mit Topmanagern am Henley Management College nachweisen. Seine Erkenntnisse gelten nicht nur für Managementteams, sondern für jedes Team. Probleme in Managementteams wirken sich aber auf die gesamte Firma aus und sind deshalb besonders heikel.
»He say I know you, you know me,
One thing I can tell you
Is you got to be free«
The Beatles »Come Together«
Lernen Sie Ihre Teammitglieder besser kennen!
Der erste Schritt für ein effektives Teambuilding besteht immer darin, mehr Informationen über die Menschen zu bekommen. Führungskräfte müssen herausfinden, welche orchestralen Eigenschaften ihre Teammitglieder haben und welche Instrumente insgesamt zur Verfügung stehen. Dann müssen sie analysieren, wie dieses Team aufgrund der vorhandenen Talente zusammenspielen kann und was oder wer zur vollen Leistungsstärke eventuell noch fehlt. Dabei sind die Ziele zu berücksichtigen, die in der nächsten Zeit erreicht werden sollen. Wo Stellen neu besetzt oder Projektteams neu gebildet werden, ist das relativ leicht. Beim Recruiting können Führungskräfte entsprechend »filtern«. Die meisten Unternehmen wollen jedoch mit ihren bestehenden Teams bessere Resultate erzielen.
Ein einziges neues Teammitglied – schon kann vieles anders sein.
Die gute Nachricht: Das klappt einfacher, als Sie jetzt vielleicht denken! Sobald Sie die Charaktereigenschaften Ihrer Teammitglieder besser kennengelernt haben, können Sie schon durch kleine Umgruppierungen oder eine einzige Neubesetzung alles ändern. Nachdem der Vorstand von »Men at Work« nur ein neues Mitglied aufgenommen hatte, dessen Stärken Kommunikation, Kreativität und Begeisterungsfähigkeit waren, veränderte sich das komplette Betriebsklima. Ein prominentes Beispiel für einen ähnlich klugen Schachzug ist Eric Schmidt bei Google. Als der Suchmaschinenbetreiber immer größer wurde, machten die Gründer Sergey Brin und Larry Page einen Mann zum CEO, der sich schon äußerlich von den beiden kreativen Jungs stark unterschied: Mit korrektem Scheitel und stets im Anzug mit Krawatte schien der Ex-Industriemanager Schmidt auf den ersten Blick so gar nicht in das von Lässigkeit geprägte Silicon Valley zu passen. Doch er machte aus Google einen professionellen Konzern mit klaren Verantwortlichkeiten. Genau das war nötig, um den Erfolg zu sichern.
Erst als die Innovationskraft nachließ und Google als zunehmend schwerfällig kritisiert wurde, räumte Eric Schmidt den Chefsessel und machte wieder Platz für einen der kreativen Gründer. Auch diese Entscheidung war genau richtig, denn jetzt fehlten nicht die Strukturen, sondern die neuen Ideen. Es gibt nie den besten Chef schlechthin. Sondern es kommt immer auf die Umstände an und darauf, welche Ziele gerade im Vordergrund stehen. Versuchen Sie also nicht, am Reißbrett das »ideale Team« zu schaffen, sondern schauen Sie sich die Umstände und die aktuellen Herausforderungen an. Je besser Sie Ihre Mitarbeiter kennen, desto besser können Sie auch auf veränderte Bedingungen reagieren. Ihr Orchester spielt dann ein neues Stück, die Musiker haben andere Einsätze, es gibt andere Solisten – aber die Stärken jedes Einzelnen bleiben bestehen.
Früher lief das Geschäft ganz einfach. Die Zeitarbeitsfirma hatte in fast jeder Stadt Filialen. Unternehmen riefen dort an und sagten, welche Leute sie kurzfristig brauchten. Dann hängten die Mitarbeiter Aushänge in die Schaufenster. Arbeitssuchende meldeten sich und wurden an die Unternehmen vermittelt. Doch plötzlich werden kaum noch Zeitarbeiter gebraucht. Fachkräftemangel. Die Zeitarbeitsfirma könnte jetzt aufgeben. Aber die Mitarbeiter bilden ein super Team. Sie wollen weitermachen. Sie erfinden das Geschäft neu. Werden zum umfassenden Dienstleister für die Personalabteilungen. Holen Fachkräfte aus dem Ausland und vermitteln sie auf feste Stellen. Heute läuft das Geschäft wieder ganz einfach.
Nur starke Teams bewältigen die heutigen Herausforderungen.
Ohne Druck von außen würden viele Führungskräfte gar nicht so sehr darüber nachdenken, wie sie ihre Teams besser machen können. Es ist kein Zufall, dass Belbin seine ersten Erkenntnisse über das, was Teams erfolgreich macht, schon vor 30 Jahren hatte, aber die meisten Unternehmen erst heute wirklich daran interessiert sind. Vor 30 Jahren brummte die Wirtschaft auch so. Alles schien berechenbar. Effektivere Teams wären zwar möglich gewesen, aber die Ergebnisse mittelmäßiger Teams waren immer noch zufriedenstellend.