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und alles, was sich dazu aus Expertensicht sagen lässt. Dabei steckt der Mandant nur an einem ganz bestimmten Punkt des Verfahrens fest und will eine Lösung. Am Ende versteht er nur noch Bahnhof und ruft bei mir an: »Bitte, was heißt das jetzt im Klartext?« Zugegeben: Ich musste mich da auch erst reindenken. Aber ich habe nicht laut nachgedacht, sondern erst angefangen zu reden, als ich die Lösung wusste. Denn das war ja die Frage: nicht, was das Problem ist, sondern, was die Lösung ist.

      Ich würde diese Geschichte nicht erzählen, wenn sie nicht so typisch wäre für das, was ich in Unternehmen ständig mitbekomme. Manche Leute breiten ihr Wissen aus und merken gar nicht, was davon im Moment gefragt ist und was nicht. In Meetings fällt mir das besonders auf. Dort dominieren meistens zwei Typen: Der erste Typ sagt die ganze Zeit über nichts, schiebt den Stuhl auch gern so, dass ihn ein anderer Kollege verdeckt und er so nicht vom Chef gesehen wird, und hofft, dass er nichts gefragt wird. Der zweite Typ redet ununterbrochen und beschreibt die Probleme. Eigentlich ist das Meeting zwar dazu da, eine Lösung zu finden, doch er holt immer wieder weit aus und analysiert die Zusammenhänge, die zum Problem geführt haben.

      Keine Frage: Typ eins ist mir sympathischer. Denn er weiß wenigstens, dass er keine Idee hat, und macht das unter diesen Umständen einzig Richtige, nämlich die Klappe halten. Typ zwei hat zwar auch keine Idee, doch ihm fehlt völlig das Bewusstsein dafür. Er glaubt, dass die Probleme verschwinden, wenn wir möglichst lange darüber reden, wie sie entstanden sind. Dabei merkt er überhaupt nicht, dass er den ganzen Betrieb aufhält und den anderen im Raum die Batterien leersaugt, weil er sie zwingt, ihm stundenlang zuzuhören.

      Was war noch mal die Frage?

      Klartext würde hier in drei einfachen Schritten funktionieren. Erstens: Erkennen, was gerade die Frage ist. Zweitens: Reflektieren, ob man dazu eine eigene Idee hat. Achtung: Eigene Idee heißt nicht, mit anderen Worten zu wiederholen, was der Vorredner gerade gesagt hat. Drittens: Seinen Vorschlag so präzise wie möglich auf den Punkt bringen und dabei weglassen, was alle sowieso schon wissen.

      Manchmal kann ich es kaum fassen, dass man in Unternehmen schon am ersten Schritt scheitert, also daran, zu erkennen, was gerade die Frage ist. Neulich war ich bei einem Unternehmen, das kurz zuvor beschlossen hatte, eine neue Firmenzentrale zu bauen. Das Baugrundstück gab es und die Baugenehmigung auch. Nun war die Frage, welchen Architekten man nehmen sollte. Und was hörte ich da? Die Leute fingen an, über die Farbe des Teppichs zu diskutieren! Die hatten noch nicht mal einen Architekten und redeten sich die Köpfe heiß über die Teppichbodenfarbe. Da willst du doch aufstehen und gehen.

      Der zweite Schritt ist auch nicht ohne: Klartext beinhaltet nach meiner Definition, einen eigenen, reflektierten Standpunkt einzunehmen. Zwar kann man auch nur so tun, als hätte man eine eigene Meinung, etwa, indem man in der Kantine beiläufig das Meinungsbild checkt und sich dann der gefühlten Mehrheitsmeinung anschließt. Oder indem man, wie gesagt, den Standpunkt des Vorredners einfach wiederholt, bloß mit eigenen Worten. Die nötige Bewusstheit für Klartext herrscht erst dort, wo alle einsehen, dass so etwas überhaupt nichts bringt. Keine eigene Meinung haben bedeutet: schweigen, zuhören und weiter nachdenken.

      Nicht aufhalten lassen!

      Wer bei Schritt drei angekommen ist, also einen zielführenden Beitrag anzubieten hat, ist schon sehr weit. Jetzt gilt es, der Versuchung zu widerstehen, die Lösung (oder die Idee oder den Standpunkt) möglichst spannend zu verpacken, das heißt, entweder in Romanform zu erzählen oder noch mal die gesamte Problemhistorie zu rekapitulieren, bevor man endlich zum Punkt kommt.

      An dieser Stelle muss einmal ich eine Lanze für Unternehmer brechen. Für viele Unternehmer im deutschen Mittelstand ist das Thema Klartext noch am ehesten selbstverständlich. Sie reden weder lange um den heißen Brei herum noch halten sie sich ewig mit Problembeschreibungen auf. Sie kennen die Probleme, die sie gerade haben, und wollen Lösungen. Zumindest im kleinen Kreis reden sie Klartext, viele auch im gesamten Unternehmen. Meiner Meinung nach ist Klartext sogar oft ihr Erfolgsrezept.

      Bei einigen Unternehmern und bei einer ganzen Menge Managern und Mitarbeitern stimmt allerdings etwas nicht. Die lassen markige Sprüche ab, und wenn man sie fragt, dann behaupten sie gern von sich, dass sie Klartext-Typen seien. Sind sie aber in Wirklichkeit nicht, und zwar aus zwei möglichen Gründen: entweder weil etwas, das sich wie Klartext anhört, bei ihnen nur Pose ist, reine Selbstinszenierung, oder weil sie sich zwar vielleicht ehrlich um Klartext bemühen, von ihren Mitarbeitern aber keinen Klartext einfordern. Das ist das Phänomen Einbahnstraße.

      Die Poser, die Pseudo-Klartext-Typen – in der Regel mit einem gewaltigen Ego ausgestattet und super eitel – lassen sich noch mal in zwei Kategorien einteilen: Die einen reden gegenüber der Öffentlichkeit Klartext, weil sie merken, dass das gut ankommt. Intern sieht das allerdings ganz anders aus, da wissen die Mitarbeiter nämlich nicht, woran sie sind. Letztlich ist es dabei auch in der Öffentlichkeit kein Klartext, sondern eine Inszenierung. Diese Leute wissen, was sie sagen müssen und wie sie bewusst provozieren, um in den Medien Aufmerksamkeit zu bekommen. Sie wollen in erster Linie gut dastehen – genau wie die Mitarbeiter im Meeting mit ihren geklauten Standpunkten oder ihren unnötigen Problembeschreibungen.

      Tacheles ist nicht Klartext

      Die zweite Kategorie sind diejenigen, die nur austeilen, aber nicht einstecken können. Das ist zum Beispiel die Kategorie Chef, bei dem Sie ständig Vokabeln hören wie »Spinner«, »Idioten« oder »Quatsch«, aber wehe, wehe Sie sagen ihm als Mitarbeiter mal ganz direkt, dass Sie eine seiner Ideen für völligen Quatsch halten. Dann kann Ihre Karriere vorbei sein, und zwar von jetzt auf gleich. Solche Typen reden nicht Klartext, sondern höchstens Tacheles, sprich: starke Worte von oben nach unten. Viele davon sind kleine Diktatoren mit großer Neurose: An die kommen Sie schlecht ran, und die werden sich auch so schnell nicht ändern.

      Schließlich gibt es noch diejenigen, die keine Poser oder Pseudos und auch keine Neurotiker sind, sondern die schlicht etwas übersehen. Ihnen ist nicht bewusst, dass sie als Vorgesetzte nicht nur Klartext reden, sondern von ihren Mitarbeitern auch Klartext einfordern müssen. Bei den meisten Mitarbeitern steckt das heute immer noch so drin, dieses Hierarchische, dieser Mordsrespekt vor dem Chef. Wenn der Chef das ändern will, wenn er Klartext will, und zwar von allen, dann muss er Klartext einfordern. Sonst passiert nichts.

      Reflexion + Offenheit = Produktivität

      Ich glaube an Klartext. Ich glaube, wenn alle in einem Unternehmen dazu bereit sind, zu reflektieren und ohne falsche Scheu ihre Standpunkte auszutauschen, dann ist dieses Unternehmen produktiver, erfolgreicher und verdient letztlich auch mehr Geld. Es ist besser gegen Krisen gewappnet und hat zufriedenere Mitarbeiter. Je größer das Unternehmen, desto wichtiger ist Klartext. Schon allein, weil es umgekehrt immer raffiniertere Wege gibt, Klartext zu vermeiden, je mehr Hierarchieebenen existieren. Doch bereits in kleineren Unternehmen sind Chefs darauf angewiesen, dass Mitarbeiter Klartext reden. Als Unternehmer oder Geschäftsführer können Sie nicht ständig alles auf dem Schirm haben.

      Bedürfnisse mitteilen

      Zum Beispiel arbeiten die Mitarbeiter einer Firma mit einer längst veralteten Software. Der Chef merkt das nicht, weil er sich den ganzen Tag um andere Dinge kümmert und IT ohnehin nicht sein Thema ist. Muss es ja auch nicht sein, denn dafür gibt es Fachleute. Wenn aber keiner der Mitarbeiter sich beschwert, sondern alle abwarten und mit der alten Software weitermachen und sich vielleicht noch darüber ärgern, entsteht schnell eine ganz blöde Situation. Am Ende rutscht jemandem beim Mittagessen noch so etwas raus wie: »Wir müssen ja hier mit diesem alten Zeug arbeiten.« Dann leidet auch noch die Stimmung. Und »müssen« stimmt auch nicht. Denn der Chef kann nicht wissen, dass die Mitarbeiter etwas Neues brauchen. Er ist darauf angewiesen, dass es ihm jemand sagt.

      Im konkreten Fall war es so, dass die Mitarbeiter sich zwar beschwerten, der Chef das Thema aber schieben wollte. Die Mitarbeiter sagten nur: »Wir brauchen eine neue Software.« Aber sie sagten nicht, warum und wozu. Was genau würde damit besser laufen? Genau das muss ich im Unternehmen schon äußern, wenn ich etwas haben will. Nur zu sagen, ich brauche dies oder das, ist ein Schrei in den Wald.

      Warum dauert es oft so lange, bis sich ein Mitarbeiter