Nein, ist’s möglich, Schagerström war auf Freiersfüßen gegangen?
Ja, es war wahrhaftig wahr, Schagerström hat um ein Mädchen geworben.
Aber wie in aller Welt ist das denn gekommen, daß Schagerström einem Mädchen einen Antrag gemacht hat?
Nun, die Sache ist die: In der Propstei von Korskyrka war ein junges Mädchen namens Charlotte Löwensköld. Sie war etwas verwandt mit dem Propst und diente der Frau Propst als Gesellschafterin, und außerdem war sie mit dem Hilfsgeistlichen in der Propstei verlobt.
Aber was hat sie denn mit Schagerström zu tun?
Nun, Charlotte Löwensköld war ein frisches, frohes, offenherziges junges Mädchen, und in dem Augenblick, wo sie ihren Fuß auf die Schwelle der Propstei setzte, ging es wie ein frischer Hauch durchs ganze Haus. Der Propst und seine Frau waren alt und gleichsam zu ihren eigenen Schatten geworden; aber Charlotte flößte ihnen neues Leben ein. Der Vikar aber war dünn wie ein Zwirnsfaden und so fromm, daß er fast nicht zu essen und zu trinken wagte. Den Tag über versah er seinen Dienst und beweinte seine Sünden. Er zählte sich schon zu den Verlorenen; aber Charlotte Löwensköld hinderte ihn daran, sich vollends ganz aufzureiben.
Aber was hat dieses alles mit – –?
Man muß wissen, daß der Vikar, als er zum ersten Male in die Propstei von Korskyrka kam, ganz frisch ordiniert und mit allem, was zu seinem Dienst gehörte, noch ganz unbekannt war. Da half ihm Charlotte Löwensköld, sich zurechtzufinden. Sie hatte ihr Lebtag in einem Pfarrhause gewohnt und war mit allem in Betracht Kommenden auf dem laufenden; nun lehrte sie den Vikar sowohl Kinder taufen als auch im Kirchengemeinderat das Wort führen. Und dabei verliebten sie sich ineinander und waren nun schon fünf Jahre verlobt.
Aber auf diese Weise kommen wir ja ganz von Schagerström ab ...
Eine ganz hervorragende Eigenschaft von Charlotte Löwensköld war, daß sie für andere alles so gut einzurichten und anzuordnen verstand. Kaum war sie also mit dem Vikar verlobt, als sie auch schon heraushatte, daß seine Eltern mit der Wahl dieses Berufes gar nicht einverstanden waren. Sie hätten es viel lieber gesehen, wenn ihr Sohn sich den Magistertitel erworben hätte, um dann auf den Lizentiaten und Doktor der Philosophie zu studieren. Er war auch wirklich fünf Jahre in Uppsala gewesen, hatte dann das Kandidatenexamen dort gemacht, und im siebenten Jahr wäre er Magister geworden – aber gerade da hatte er umgesattelt und das theologische Examen gemacht. Seine Eltern waren wohlhabend und ein wenig ehrgeizig. Es war ihnen nicht lieb, ihren Sohn eine so anspruchslose Laufbahn einschlagen zu sehen. Seit er Geistlicher geworden war, hatten sie ihn beständig mit Bitten bestürmt, doch noch weiter in Uppsala zu studieren; aber dazu war er nicht zu bewegen gewesen. Charlotte Löwensköld sah wohl ein, daß er mit einem höheren Examen weit bessere Aussichten auf Beförderung haben würde, und so schickte sie ihn nach Uppsala zurück. Und da er der ärgste Büffler war, den man sich vorstellen kann, so war er in vier Jahren fertig gewesen. In dieser Zeit hatte er nicht nur das Lizentiatenexamen gemacht, sondern auch seinen philosophischen Doktor.
Aber was in aller Welt hat Schagerström damit ...
Charlotte hatte sich die Sache so ausgerechnet: Wenn ihr Verlobter nur erst promoviert hätte, dann würde er sich um eine Stelle als Lektor an einem Gymnasium bewerben, mit der ein ansehnliches Gehalt verbunden wäre, auf das sie hätten heiraten können. Und sollte er unbedingt Pfarrer werden wollen, so konnte er nach einigen Jahren, wie es der Brauch war, auf ein großes Pastorat befördert werden. Dies war die Laufbahn des Propstes von Korskyrka und noch vieler anderer gewesen. In diesem Falle ging es jedoch nicht so, wie Charlotte sich’s gedacht hatte, denn ihr Verlobter wollte sofort Geistlicher werden und die gewöhnliche Pfarrerlaufbahn einschlagen. Deshalb kehrte er noch einmal als Vikar nach Korskyrka zurück. Und obwohl er Doktor der Philosophie war, verdiente er noch nicht einmal soviel wie ein Stallknecht.
Ja, aber Schagerström ...
Es ist ja begreiflich, daß Charlotte Löwensköld, die nun schon fünf Jahre auf ihren Verlobten gewartet hatte, damit nicht zufrieden war. Doch freute sie sich, als er nach Korskyrka zurückgeschickt wurde. Er wohnte in der Propstei, so sah sie ihn täglich, auch war sie der Ansicht, sie werde ihn schon noch dazu bringen können, Lektor zu werden, wie sie ihn auch dazu gebracht hatte, seinen Doktor zu machen.
Aber bei dem allen hören wir ja gar nichts von Schagerström!
Nun ja, weder Charlotte Löwensköld noch ihr Bräutigam hatten das allermindeste mit Schagerström zu tun. Er gehörte einer ganz andern Art von Menschen an. Sein Vater war ein hoher Beamter in Stockholm, er selbst war reich und hatte dazu noch die Tochter eines värmländischen Hüttenbesitzers geheiratet, die Erbin von so viel Bergwerken und Grubenfeldern, daß ihre Mitgift auf mehrere Millionen geschätzt werden konnte. Zuerst hatte Schagerström in Stockholm gewohnt und nur in den Sommermonaten die Bergwerke im Värmland besucht; aber nachdem seine Frau in den ersten Jahren im Wochenbett gestorben war, hatte er sich ganz nach Groß-Sjötorp bei Korskyrka zurückgezogen. Er betrauerte seine Frau aufs tiefste und vermißte sie überall und konnte es nicht ertragen, irgendwo zu wohnen, wo er mit ihr zusammen gelebt hatte. Er zeigte sich auch kaum je bei einer Gesellschaft, aber, um die Zeit doch herumzubringen, übernahm er die Verwaltung der vielen Gruben; das Herrenhaus auf Groß-Sjötorp baute er um und verschönte es, so daß es der prächtigste Sitz im ganzen Kirchspiel wurde. Ganz einsam war er aber nicht; er hielt sich eine große Dienerschaft und lebte wie ein Grandseigneur; Charlotte Löwensköld wußte wohl, daß sie ebenso leicht das Siebengestirn vom Himmel herabholen und in ihren Brautkranz flechten könnte, als Schagerströms Frau werden.
Nun gehörte Charlotte Löwensköld zu den Menschen, die immer gleich sagen, was ihnen durch den Kopf geht. Und eines Tages bei einer Gesellschaft in der Propstei, wozu viele Gäste gebeten waren, wollte es der Zufall, daß Schagerström mit seinem prächtigen schwarzen Viererzug und dem betreßten Lakai auf dem Bock neben dem Kutscher am Hause vorüberfuhr. Natürlich sprang alles an die Fenster, um Schagerström nachzusehen, solange noch ein Schimmer von ihm zu erhaschen war. Als er ganz verschwunden war, wandte sich Charlotte Löwensköld an ihren Verlobten, der weiter zurück im Zimmer stand, und rief so laut, daß alle Anwesenden es hören konnten: »Das sag’ ich dir, Karl Artur, so lieb’ ich dich auch habe – wenn Schagerström um mich anhält, nehm’ ich ihn!«
Jedermann wußte recht gut, daß Charlotte niemals Schagerström bekommen konnte, und so lachten alle herzlich. Und der Bräutigam lachte mit, denn das wußte er, Charlotte hatte diesen Ausspruch nur getan, um die Gäste zu belustigen. Sie selber sah aus, als ob sie über das, was ihr so herausgefahren war, bestürzt wäre; aber es war doch nicht ganz sicher, ob sie nicht einen kleinen Hintergedanken dabei gehabt hatte. Sie wollte vielleicht den guten Karl Artur ein wenig aufrütteln und ihm den Gedanken an das Lektorat nahelegen.
Schagerström war noch tief in seine Trauer versenkt und dachte an keine zweite Ehe. Aber durch seine Arbeit, die ihn mit vielen Menschen in Verbindung brachte, bekam er bald allerlei Bekannte und Freunde, die ihm zuredeten, sich wieder zu verheiraten. Er lehnte es ab, da er viel zu unliebenswürdig und langweilig sei, als daß ihn irgendein Mädchen haben wollte, und legte den Versicherungen des Gegenteils auch keinen Wert bei. Eines Tages kam indes die Rede doch wieder auf diese Sache, und zwar bei einem großen geschäftlichen Mittagessen, woran Schagerström gezwungenermaßen teilnahm, und als er in gewohnter Weise abwehrte, erzählte einer seiner Nachbarn aus Korskyrka von dem jungen Mädchen, die ihrem Verlobten den Laufpaß geben wolle, wenn Schagerström um sie werben würde. Es war eine sehr muntere Mittagsgesellschaft, man lachte herzlich über die Geschichte und behandelte sie als einen lustigen Scherz, genau wie in der Propstei.
Um die Wahrheit zu sagen, so hatte Schagerström schon oft die Schwierigkeiten, ohne Hausfrau auszukommen, empfunden; aber er liebte die Verstorbene noch immer, und schon der Gedanke, ihren Platz von einer anderen ausgefüllt zu sehen, flößte ihm Widerwillen ein.
Bisher hatte er sich immer eine Ehe nur mit einer Frau denken können, die genauso wäre wie seine Verstorbene. Aber nachdem er die Geschichte von Charlotte Löwensköld erfahren hatte, schlugen