»Des haben wir gleich! Ein schönes Umschlagtuch um die Schultern, dann fühlst dich gleich wohler, Claudia«, sagte Veronika, die einfach zum Du übergegangen war.
Sie brachte Claudia ein Dreieckstuch und steckte ihr es vorn mit einer schönen Spange zusammen.
»Sieht schon besser aus«, sagte Veronika. »So, jetzt geht es weiter.«
Unter den strengen Blicken von Pfarrer Zandler ließ Claudia Veronika machen. Sie probierte an und wenn Pfarrer Zandler nickte, landeten die Kleidungsstücke an der Kasse. Der Stapel wurde größer und größer. Es kamen Schuhe dazu, eine Wanderausrüstung und vieles mehr.
»So, jetzt reicht es!«, protestierte Claudia irgendwann völlig erschöpft.
Pfarrer Zandler sah sehr zufrieden aus. Er redete mit Veronika. Diese versprach, die Kleidung von Franz auf die Enzian Alm bringen zu lassen.
»Kann ich jetzt bitte mein schwarzes Kleid haben?«, fragte Claudia.
Pfarrer Zandler stemmte die Hände in die Seiten.
»Claudia, noch ein Wort und ich kann mich nimmer zurückhalten und stoße einen Fluch aus, dass es nimmer feierlich ist! Soll ich mich wegen dir versündigen? Des willst doch bestimmt net. Also gibst du jetzt Ruhe! Veronika, das schwarze Kleid, des tust einpacken.«
Claudia fügte sich. Sie verließ den Laden in dem blauen Dirndl. Die kleine Monika hatte auch ein neues Dirndl, ein Geschenk von Veronika Boller, sozusagen als Mengenrabatt.
Draußen sah Claudia Pfarrer Zandler an.
»Sie haben mich einer richtigen Gewaltkur unterzogen. Dürfen Sie so etwas?«
Pfarrer Zandler schmunzelte.
»Wenn es einem guten Zweck dient, darf ich noch viel mehr. Willst du des wissen?«
»Nein, bitte nicht! Ich bin völlig durcheinander!«
»Dann geh in die Kirche und sammle dich! Pfüat di, Claudia! Pfüat di, Monika! Wir sehen uns die Tage. Ich besuche euch auf der Enzian Alm. Moni, achte darauf, dass deine Mama die schönen Sachen auch anzieht!«
Die kleine Monika nickte eifrig. Sehr zufrieden ging Pfarrer Zandler zurück zum Pfarrhaus. Ich habe mir jetzt einen schönen Obstler verdient, dachte er. Das war vielleicht ein Stück Arbeit! Die Claudia ist so ein liebes und gutes Madl. Es wäre doch schön, wenn sie wieder die Sonne in ihrem Leben zulassen würde. Pfarrer Zandler hoffte, dass er ein wenig nachgeholfen hatte.
*
Toni stoppte seinen Geländewagen neben der Enzian Alm Hütte. Er stieg aus. Die Tür stand offen.
»Ist da wer?«, schallte es heraus.
Toni klopfte gegen den Türrahmen und trat ein.
»Oh, du bist es, Toni. Das ist eine Überraschung. Komm rein und setze dich. Einen Augenblick, bitte. Ich muss mir nur die Hände waschen.«
Toni sah, dass Claudia Teig geknetet hatte.
»Was backst du?«, fragte er.
»Monika hat sich einen großen Kuchen gewünscht, den sie in die Spielgruppe mitnehmen will. Sie geht jetzt jeden Nachmittag in die Spielgruppe.«
»Das ist schön, dann ist sie unter Kindern.«
Claudia wusch sich die Hände und lud Toni zu einem Tee ein. Kurze Zeit später saßen sie am Tisch.
»Claudia, ich bin nicht zufällig hergekommen.«
Sie lachte.
»Die Enzian Alm liegt auch zu abseits für einen zufälligen Besuch.«
Toni entnahm seinem Rucksack ein viereckiges flaches Päckchen. Es war in buntes Geschenkpapier eingepackt und mit einer grünen Schleife geschmückt, grün wie die Farbe der Hoffnung. Darunter steckte ein Briefumschlag. Toni schob es über den Tisch.
»Das soll ich dir und Monika geben – von Mark.«
»Danke! Ist er schon wieder abgereist?«
Toni schüttelte den Kopf und trank einen Schluck Kaffee. Er schmunzelte.
»Nein, er ist noch auf der Berghütte. Aber es ist etwas schwierig mit ihm. Ich will ganz ehrlich sein, Claudia. Mark sitzt den ganzen Tag auf der Terrasse und stiert vor sich hin. Was ich ihm auch sage und wie ich ihn auch ermuntere, es ist, als rede ich gegen eine Wand.«
Claudia schaute Toni überrascht an. »Was ist mit ihm? Er kam mir sehr locker vor, als wir uns auf der Berghütte begegnet sind.«
»Das ist etwas kompliziert. Es hat mit dir und Monika zu tun. Ich sage immer wieder zu ihm, er soll einfach mit dir reden. Aber er traut sich nicht.«
»Oh, habe ich ihn so erschreckt?«
»›Erschreckt‹ ist net richtig ausgedrückt, aber du hast bei ihm schon etwas in Gang gebracht, das ihn sehr beschäftigt. Also habe ihm geraten, dir einen Brief zu schreiben. In dem Packerl ist ein kleines Fotoalbum mit vielen Fotos, die Mark auf seiner Gipfeltour gemacht hat. Er hat dir einen Brief beigelegt. Ich weiß nicht, was er dir geschrieben hat, Claudia, mir ist nur bekannt, dass er dir einen Brief geschrieben hat. Ich bitte dich, ihn in aller Ruhe zu lesen und ihm zu antworten. Denke in Ruhe darüber nach. Dann rede mit ihm und wenn du das nicht möchtest, dann schreibe ihm. Mark ist ein lieber Bursche, eine ganz ehrliche Haut, wie man sagt. Er ist kein Hallodri, der Spielchen treibt, ganz im Gegenteil.«
»Er hat mir etwas angedeutet, dass eine junge Frau ihm übel mitgespielt hat, ohne dass er mir Näheres gesagt hat. Es scheint ihn sehr getroffen zu haben.«
»Was hat er dir erzählt?«
»Sie habe ihn betrogen, wobei das ein weiter Begriff ist. Das Wort ›betrogen‹ kann vieles bedeuten. Es muss ihn sehr geschmerzt haben«, sagte Claudia leise.
»Das hat es. Deshalb will er nach Wien übersiedeln.«
»Wien ist eine wunderbare Stadt. Ich war mit Rudi einmal einige Zeit dort. Er wird sich sicher bald heimisch fühlen.«
Toni sah eine Chance.
»Claudia, vielleicht könntest du ihm schreiben oder mit ihm reden, wie schön Wien ist. Mark sind nämlich inzwischen Zweifel gekommen. Er ist so unsicher.«
»Das kann ich gerne machen.«
Claudia stand auf und griff nach dem schönen Rucksack, der an der Wand hing.
»Monika hat ihm einen neuen Rucksack ausgesucht, weil er seinen doch aufgeschnitten hatte, als er Monika zur Berghütte trug. Kannst du den Rucksack mitnehmen und ihm geben, mit vielen lieben Grüßen von Monika und von mir?«
Toni schüttelte den Kopf. Er rieb sich das Kinn.
»Das halte ich nicht für eine so gute Idee, Claudia. Monika sollte ihm den Rucksack selbst geben.«
Claudia errötete.
»Ja, ich weiß. Wir haben ihn schon vor einigen Tagen gekauft. Ich weiß, dass wir ihn Mark persönlich geben sollten, bei allem was er für Monika getan hat.«
»Warum drückst du dich?«, fragte Toni direkt.
Claudia errötete. Sie stützte die Ellenbogen auf den Tisch und verbarg ihr Gesicht für einen Augenblick in den Händen.
»Gut, dann will ich mal ehrlich sein, Toni. Mark macht mich nervös.«
»Aha! Nervös im positiven oder negativen Sinn?«
Claudia seufzte.
»Wenn ich das nur wüsste! Es ist etwas sehr kompliziert.«
»Magst drüber reden? Es bleibt unter uns. Ich kann auch raten. Weißt, ich habe Augen im Kopf und Anna hat es auch gesehen.«
Toni schmunzelte. Sie sahen sich an.
»War es so offensichtlich?«