Zu der damaligen Zeit wuchs mit jeder Stunde der moralische Einfluß, den Ludwig XIV. beinahe auf ganz Europa, und besonders auf Holland, nach dem glücklichen Erfolge des merkwürdigen Feldzuges am Rhein ausübte; eines Feldzuges, der in dem kurzen Zeitraume von drei Monaten, die Macht der vereinigten Provinzen zertrümmerte, und durch den von Boileau besungenen, wohl bekannten Romanhelden, Graf von Guiche, eine so große Berühmtheit erlangte.
Ludwig XIV. von den Holländern, durch französische Flüchtlinge, die sich daselbst aufhielten, unaufhörlich beleidigt und lächerlich gemacht, war ihr erbittertster Feind geworden. Der Nationalstolz machte ihn zum Mithridates der Republik. Aus diesen vorangegangenen Ursachen, zudem von einem mächtigen Feinde besiegt, und kleinmüthig gemacht, läßt sich die, gegen die Brüder Witt herrschende Aufregung, um so eher erklären, da das, durch die erhaltenen Wunden vollständig ermattete Volk, in der Beibehaltung jener, durch die beiden Männer mit aller Kraft vertheidigten Verfassung, seinen sichern Untergang voraussah, und nur von einem andern Oberhaupte die vollständige Rettung, aus dem nahenden Verderben erwartete.
Und jenes fragliche Oberhaupt, der junge Prinz Wilhelm von Oranien, Sohn Wilhelm II., und —durch Henriette Stuart, ein Enkel Carl I., dieses schweigsame Kind, dessen Schatten wir bereits ein Mal hinter der Statthalterschaft auftauchen sahen, war wirklich in jedem Augenblicke bereit, hervorzutreten, und sich mit Ludwig XIV., und dessen bisher so ungeheuerm Glücke zu messen.
Der Prinz war zu jener Zeit zwei und zwanzig Jahre alt. Johann von Witt hatte bisher seine Erziehung geleitet. Die Absicht dieses edlen Mannes ging einzig und allein nur dahin, aus dem altadeligen Prinzen, einen thätigen Bürger, einen guten Sohn seines Vaterlandes zu bilden. Aus Liebe zu dem Letzteren, aus mehr als väterlicher Neigung für seinen Zögling, beseitigte er jede nur keimende Herrscheridee, und führte den Knaben, durch Hinweisung auf das durch ihn selbst erlassene Edict, langsam zu der Ueberzeugung, daß er auch in der Zukunft jede Hoffnung zur Statthalterschaft, als eine Unmöglichkeit aufgeben müsse. Aber die Vorsehung schien diesen so wohlbegründeten Plan eines schwachen Sterblichen, nur mitleidig zu belächeln, denn gerade durch den so unerwarteten Eigensinn der Holländer, durch den Schrecken, den Ludwig XIV. einflößte, geschah es, daß die Politik des Großpensionär’s gänzlich vernichtet, das Edict abgeschafft, und die Statthalterschaft mit Wilhelm von Oranien an der Spitze, wieder eingeführt wurde. Und was wollte eben diese unerforschliche Vorsehung, durch die so plötzliche Umwandlung der bestandenen Ordnung bezwecken, welche unergründbaren, durch eine düstere Zukunft verschleierten Pläne, hatte sie mit dem Prinzen vor.
Der Großpensionär beugte sich unmittelbar den Forderungen und dem Willen seiner Mitbürger, während der kühne Cornelius gänzlich widerstand, und selbst dann, als die Orangisten sein Haus umlagernd, ihm mit dem Tode drohten, die Urkunde, welche die Statthalterschaft wieder einführen sollte, nicht unterschrieb.
Aber auch dieser kühne, männliche Charakter erlag einer mächtigen, höhern Stimme, der Stimme des Herzens. Als nämlich seine Gattin in Thränen zerfließend, auf ihren Knieen bat, sein Leben, und durch dies, das ihre zu erhalten, da gab er nach. Er unterschrieb mit bebender Hand, und vor seine Unterschrift setzte er die beiden Buchstaben, V. C, vi coactus, d. h. durch Gewalt gefertigt.
Ein außerordentliches Wunder schien ihn schon an diesem Tage der Nachstellungen seiner Feinde zu entziehen.
Johann von Witt hatte sich zwar durch seine leichtere und schnellere Fügsamkeit in den Willen des Volkes, die Sympathie eines großen Theiles gesichert, aber trotzdem würde er bald das Opfer eines meuchelmörderischen Angriffes gefallen sein, wenn nicht seine eigene Kühnheit ihn mit Ausnahme einiger wenig bedeutenden Wunden und Dolchstiche gerettet hätte.
Aber damit waren die Orangisten noch immer nicht zufrieden. Das Leben dieses Mannes, war ein ihren Plänen noch immer mächtig entgegenstehendes Hinderniß, das sie nunmehr, da die Gewalt kein günstiges Resultat hervorgebracht hatte, auf dem Wege der Verläumdung zu vernichten suchten. Und so durch die Abänderung ihrer Tactik, in jedem Augenblicke bereit, eine mißlungene Schändlichkeit durch eine neue besser berechnete zu krönen, warteten sie mit gespannter Ruhe den sich darbietenden günstigen Zeitpunkt ab.
Beobachten wir die Erscheinungen im menschlichen Leben etwas genauer, so werden wir mit Gewißheit den Grundsatz aufstellen können, daß zur Ausführung irgend einer großen, für die Gegenwart und Zukunft wohlthätigen Handlung, nicht sogleich das rechte Wesen auftrete, daß es beinahe im unerklärbaren Rathschlusse einer mächtigen Vorsehung verborgen liegt, es nicht erscheinen zu lassen; während dem zur Vernichtung der Existenz eines Einzelnen, oder auch eines großen Theiles der Gesellschaft, sich hunderte von Armen zur thätigen Beihilfe erheben, und eben so viele Elende, mit dem Mordwerkzeuge in der Faust nur eines Winkes harren, den niederträchtigen Zweck zu erfüllen. Ruhig, unbeachtet, verschwindet diese große Menge, einzeln einstrahlender Stern steht der Auserwählte im Buche der Geschichte da, der durch das Fatum erwählt, einen hohen edlen Plan glänzend durchführte.
Auch hier fand sich bald, was man suchte. Ein Chirurg von Profession, Namens Tyckelaer, schien als ein Agent des bösen Geistes, von diesen mit allen hier nöthigen Gaben ausgerüstet, ganz für die Umstände und den vorhabenden Zweck zu passen.
Von den Orangisten gewonnen, erklärte dieser Elende offen, Cornelius von Witt, habe in der Verzweiflung über die Abschaffung des Edictes, (ein Satz, der in den hinterlassenen Papieren auch wirklich vorkam, ) und aus Haß gegen Wilhelm von Oranien, einen Mörder gedungen. Dieser Mörder sei er selbst, aber von Gewissensbissen gepeinigt, vor der Schändlichkeit dieses Vorhabens zurückbebend, habe er sich bewogen gefunden, dasselbe mit allen Einzelheiten zu enthüllen, und vor Gericht mit Beweisen darzuthun, wie Cornelius von Witt durch die Ausführung dieser Absicht die Statthalterschaft stürzen, und an ihrer Stelle, die Republik wieder einführen wollte. Der Ausbruch des Zornes und der Wuth, den die Orangisten nach Kundmachung dieses Complottes sehr geschickt fingirten, läßt sich nicht schildern. Am 16. August 1672, wurde Cornelius von Witt, durch den Fiscal Prokuratur, in seiner Wohnung verhaftet, und sodann in das bereits genannte Gefängniß den Buytenhoff abgeführt. Dort, wie der elendeste, gemeinste Verbrecher, in eine dumpfe Kammer gesperrt, trieben die Untersuchungsrichter es so weit, ihn, den Ruart von Pulten, den Bruder des edlen Johanns von Witt, gleich den verworfensten Bösewichtern, zur Erpressung des für ihre Absichten so wichtigen Geständnisses, der Vorbereitungstortour zu unterziehen.
Aber Cornelius war nicht nur ein großer Geist, er verband zugleich mit seinen erhabenen Eigenschaften jene Seelenstärke, die allen physischen Einflüssen kühn die Stirne bietend, nur ein Attribut der höchsten Vollkommenheit bleibt. Fest an seinem politischen Glauben hängend, kann man ihn mit Recht unter die Familie jener Märtyrer rechnen, die kein haarbreit von ihrem vorgezeichneten Wege abweicht, und ihre Ideen mit dem ganzen Aufwande körperlicher und geistiger Kraft, wie einst unsere Vorfahren ihren religiösen Glauben, vertheidigen. Er lächelte zu allen Schmerzen, während der Folter recitirte er mit fester Stimme, die im Metrum geschriebenen Horazischen Verse, Jusium et lenacem ; er gestand nichts, und ermüdete dadurch nicht nur die Ausdauer, sondern auch den Fanatismus seiner Henker. Aber trotz dem Allen, hoben die Richter die von Tyckelaer gemachte Anschuldigung nicht auf, ihr Grimm schien durch den Muth des Unglücklichen nur noch mehr gesteigert zu werden, so daß sie ihm durch einen kurzen Urtheilsspruch seiner Würden und Aemter beraubten, ihm die Bezahlung der Gerichtskosten aufbürdeten, und zugleich auf ewige Zeiten aus Holland verbannten.
Schon dieser Schritt trug sehr viel zur Beruhigung des aufgeregten Volkes bei, eines Volkes, dem das unschuldige der der Politik sein ganzes thatenreiches Leben ausschließlich gewidmet, dessen Wohlstand es begründet hatte. Und doch war auch dieses, wie die Folge lehren wird, nicht genug.
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