Nathan der Weise. Gotthold Ephraim Lessing. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Gotthold Ephraim Lessing
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788726540130
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wie eine Stadt zu stürmen und

      Zu schirmen; könne — sagt der Patriarch —

      Die Stärk’ und Schwäche der von Saladin

      Neu aufgeführten, innern, zweiten Mauer

      Am besten schätzen, sie am deutlichsten

      Den Streitern Gottes — sagt der Patriarch —

      Beschreiben.

      Tempelherr. Guter Bruder, wenn ich doch

      Nun auch des Briefchens nähern Inhalt wüßte.

      Klosterbruder. Ja den — den weiß ich nun wohl nicht so recht.

      Das Briefchen aber ist an König Philipp. —

      Der Patriarch . . . Ich hab’ mich oft gewundert,

      Wie doch ein Heiliger, der sonst so ganz

      Im Himmel lebt, zugleich so unterrichtet

      Von Dingen dieser Welt zu sein herab

      Sich lassen kann. Es muß ihm sauer werden.

      Tempelherr. Nun denn? Der Patriarch? —

      Klosterbruder. Weiß ganz genau,

      Ganz zuverlässig, wie und wo, wie stark,

      Von welcher Seite Saladin, im Fall

      Es völlig wieder los geht, seinen Feldzug

      Eröffnen wird.

      Tempelherr. Das weiß er?

      Klosterbruder. Ja, und möchteʼ

      Es gern den König Philipp wissen lassen:

      Damit er ungefähr ermessen könne,

      Ob die Gefahr denn gar so schrecklich, um

      Mit Saladin den Waffenstillstand,

      Den Euer Orden schon so brav gebrochen,

      Es koste, was es wolle, wieder her

      Zu stellen.

      Tempelherr. Welch ein Patriarch! — Ja so!

      Der liebe tapfre Mann will mich zu keinem

      Gemeinen Boten; will mich — zum Spion. —

      Sagt Eurem Patriarchen, guter Bruder,

      So viel Ihr mich ergründen können, wär’

      Das meine Sache nicht. — Ich müsse mich

      Noch als Gefangenen betrachten; und

      Der Tempelherren einziger Beruf

      Sei, mit dem Schwerte dreinzuschlagen, nicht

      Kundschafterei zu treiben.

      Klosterbruder. Dacht’ ich’s doch! —

      Will’s auch dem Herrn nicht eben sehr verübeln.

      Zwar kommt das Beste noch. — Der Patriarch

      Hiernächst hat ausgegattert, wie die Feste

      Sich nennt und wo auf Libanon sie liegt,

      In der die ungeheuren Summen stecken,

      Mit welchen Saladins vorsicht’ger Vater

      Das Heer besoldet, und die Zurüstungen

      Des Kriegs bestreitet. Saladin verfügt

      Von Zeit zu Zeit auf abgelegnen Wegen

      Nach dieser Feste sich, nur kaum begleitet. —

      Ihr merkt doch?

      Tempelherr. Nimmermehr!

      Klosterbruder. Was wäre da

      Wohl leichter, als des Saladins sich zu

      Bemächtigen? Den Garaus ihm zu machen? —

      Ihr schaudert? — O, es haben schon ein paar

      Gott’sfürcht’ge Maroniten sich erboten,

      Wenn nur ein wackrer Mann sie führen wolle,

      Das Stück zu wagen.

      Tempelherr. Und der Patriarch

      Hätt’ auch zu diesem wackern Manne mich

      Ersehn?

      Klosterbruder. Er glaubt, daß König Philipp

      Von Ptolemais aus die Hand hierzu [wohl

      Am besten bieten könne.

      Tempelherr. Mir? Mir, Bruder?

      Mir? Habt Ihr nicht gehört? Nur erst gehört,

      Was für Verbindlichkeit dem Saladin

      Ich habe?

      Klosterbruder. Wohl hab’ ich’s gehört.

      Tempelherr. Und doch?

      Klosterbruder. Ja — meint der Patriarch — das wär’ schon gut:

      Gott aber und der Orden . . .

      Tempelherr. Ändern nichts!

      Gebieten mir kein Bubenstück!

      Klosterbruder. Gewiß nicht!

      Nur — meint der Patriarch — sei Bubenstück

      Vor Menschen nicht auch Bubenstück vor Gott.

      Tempelherr. Ich wär’ dem Saladin mein Leben schuldig:

      Und raubt’ ihm seines?

      Klosterbruder. Pfui! — Doch bliebe — meint

      Der Patriarch — noch immer Saladin

      Ein Feind der Christenheit, der Euer Freund

      Zu sein, kein Recht erwerben könne.

      Tempelherr. Freund?

      An dem ich bloß nicht will zum Schurken werden,

      Zum undankbaren Schurken?

      Klosterbruder. Allerdings! —

      Zwar — meint der Patriarch — des Dankes sei

      Man quitt, vor Gott und Menschen quitt, wenn uns

      Der Dienst um unsertwillen nicht geschehen.

      Und da verlauten wolle — meint der Patriarch —

      Daß Euch nur darum Saladin begnadet,

      Weil ihm in Eurer Mien’, in Eurem Wesen

      So was von seinem Bruder eingeleuchtet . . .

      Tempelherr. Auch dieses weiß der Patriarch; und doch? —

      Ah! Wäre das gewiß! Ah, Saladin! —

      Wie? Die Natur hätt’ auch nur einen Zug

      Von mir in deines Bruders Form gebildet:

      Und dem entspräche nichts in meiner Seele?

      Was dem entspräche, könnt’ ich unterdrücken,

      Um einem Patriarchen zu gefallen? —

      Natur, so lügst du nicht! So widerspricht

      Sich Gott in seinen Werken nicht! — Geht, Bruder!

      Erregt mir meine Galle nicht! — Geht! Geht!

      Klosterbruder. Ich geh’, und geh’ vergnügter, als ich kam.

      Verzeihe mir der Herr. Wir Klosterleute

      Sind schuldig, unsern Obern zu gehorchen.

      SECHSTER AUFTRITT