Als die Nacht hereingebrochen war, hatte Clayton die Leiter fertig, und als er einen großen Behälter mit Wasser aus dem nahen Fluss gefüllt hatte, stiegen die beiden in ihr verhältnismäßig sicheres, luftiges Gemach.
Da es warm war, hatte Clayton die Seitenvorhänge über das Dach zurückgeschlagen. Als sie nun sich wie Türken über ihre Bettdecken kauerten, schrie Lady Alice, die angestrengt in die dunkeln Schatten des Waldes hinaussah, plötzlich auf, indem sie Claytons Arm erfasste.
John! flüsterte sie. Sieh doch! Was ist das? Ein Mann! Als Clayton zur angegebenen Richtung schaute, sah er die Schattenrisse einer großen, aufrechtstehenden Gestalt. Einen Augenblick stand sie horchend still, drehte sich langsam um und verschwand im Schatten des Dickichts.
Was ist das, John?
Ich weiß es nicht, Alice, antwortete er ernst, es ist zu dunkel, um so weit zu sehen, und es war vielleicht nur ein Schatten, den der ausgehende Mond geworfen hat.
Nein, John, es war kein Mann, es war eine riesige, groteske Karikatur eines Menschen. O, wie ich mich fürchte!
Er schloss sie in seine Arme, ihr liebe und ermutigende Worte ins Ohr flüsternd, denn für ihn gab es nichts Schmerzlicheres, als die Angst seines jungen Weibes. Er verstand diese Angst sehr wohl, obschon er selbst tapfer und furchtlos war, — eine seltene Gabe, wenn auch nur eine der vielen Eigenschaften, die ihn bei allen, die ihn kannten, beliebt gemacht hatte. Bald darauf ließ er die Vorhänge herunter, befestigte sie an den Bäumen und ließ nur eine kleine Öffnung zum Ufer hin frei.
Als es nun in ihrem luftigen, kleinen Raume stockdunkel war, legten sie sich auf die Decken und versuchten im Schlaf ihre traurige Lage zu vergessen.
Clayton legte Büchse und Revolver neben sich und sah immer zur Öffnung hin.
Kaum hatten sie die Augen geschlossen, als der schreckenerregende Schrei eines Panthers hinter ihnen aus dem Dschungel erscholl. Es kam näher und naher, bis sie das große Tier unmittelbar unter sich hörten.
Über eine Stunde lang hörten sie es schnuppernd und an den Bäumen unter ihnen kratzend, bis es sich schließlich zum Strand verzog, wo Clayton es deutlich im hellen Mondschein erkannte — ein großes, schönes Tier, das größte, das er je gesehen.
In den langen Nachtstunden fanden sie wenig Schlaf, denn die Nachtgeräusche des von Myriaden von Tieren wimmelnden Dschungels hielten ihre überreizten Nerven wach, sodass sie hundertmal durch die durchdringenden Schreie oder die heimlichen Bewegungen von Körpern unter ihnen aufgeschreckt wurden.
Leben und Tod
Der Morgen fand die beiden nur wenig erfrischt, obwohl sie dem Tagesgrauen mit einem Gefühl der Erleichterung entgegensahen.
Sobald sie ihr Frühstück, bestehend aus gesalzenem Schweinefleisch, Kaffee und Schiffszwieback, eingenommen hatten, begann Clayton mit dem Bau des Hauses, denn er sah ein, dass sie auf keine Sicherheit und keine Ruhe in der Nacht rechnen konnten, solange nicht vier starke Wände das Leben des Dschungels von ihnen abschloss.
Die Aufgabe war schwierig und erforderte den größten Teil eines Monats, obschon es sich nur um einen kleinen Raum handelte. Clayton baute die Hütte aus schmalen Baumstämmen von etwa sechs Zoll im Durchmesser. Die Ritzen verschmierte er mit Lehm, den er einige Fuß tief in der Erde fand.
An einem Ende legte er eine Feuerstelle aus kleinen Steinen vom Strande an. Diese wurden ebenfalls mit Lehm verschmiert. Als das Haus fertig war, bewarf er die ganze Außenseite mit einer vier Zoll dicken Lehmschicht.
In die Fensteröffnung brachte er waagerechte und senkrechte Äste von etwa einem Zoll im Durchmesser an, die so verflochten waren, dass sie ein festes Gitter bildeten, das auch einem kräftigen Tier widerstehen konnte.
So erhielten sie die nötige Luft, ohne befürchten zu müssen, die Sicherheit ihrer Hütte zu vermindern.
Das nach zwei Seiten steil abfallende Dach war aus schmalen, dicht aneinandergefügten Ästen gebildet, die mit langem Dschungelgras und Palmwedeln bedeckt waren, über die noch eine Lehmschicht kam.
Die Tür fertigte er aus Brettern der Kisten an; er nagelte ein Brett auf das andere und dann andere quer darüber, bis er eine so solide Tür zusammengenagelt hatte, dass sie beide darüber vergnügt waren, als sie das fertige Werk begutachteten.
Jetzt stand Clayton aber vor der größten Schwierigkeit, denn er hatte nichts, um die massive Tür einzuhängen. Nach zweitägiger Arbeit gelang es ihm aber, zwei Scharniere aus Hartholz anzufertigen, und mit diesen hängte er die Tür ein, sodass sie sich leicht öffnen und schließen ließ.
Das Verputzen und die übrigen letzten Arbeiten nahm er erst vor, als sie schon eingezogen waren. Sobald nämlich das Dach angebracht war, hatten sie schon ihr Heim bezogen. Solange die Tür sich nicht verschließen ließ, stellten sie ihre Koffer dagegen, und so hatten sie eine verhältnismäßig sichere und gemütliche Wohnung.
Die Herstellung des Bettes, der Stühle, eines Tisches und der Regale war verhältnismäßig leicht, sodass sie am Ende des zweiten Monats gut eingerichtet und, abgesehen von der steten Angst vor den wilden Tieren und der immer fühlbarer werdenden Einsamkeit, nicht gerade unglücklich waren. Nachts knurrten und brüllten große Tiere um ihre Hütte herum, aber man gewöhnt sich allmählich an immer wiederkehrende Geräusche, und so beachteten sie sie nur noch wenig und schliefen fast die ganze Nacht hindurch.
Dreimal hatten sie flüchtig eine mannsgroße Gestalt erblickt, aber sie hatten nie unterscheiden können, ob es sich um die eines Menschen oder eines wilden Tieres handelte.
Die prächtigen Vögel und die kleinen Affen hatten sich bald an ihre neuen Bekannten gewöhnt, und da sie offenbar niemals menschliche Wesen gesehen hatten, kamen sie, sobald sie die erste Furcht abgelegt hatten, immer näher, angetrieben durch die eigenartige Neugier, die die wilden Geschöpfe des Waldes und des Dschungels beherrscht. Innerhalb eines Monats hatten mehrere Vögel ihre Scheu soweit abgelegt, dass sie Futterbissen aus den freundlichen Händen der Claytons entgegennahmen.
Eines Nachmittags, als Clayton an seiner Hütte arbeitete, denn er hatte die Absicht, mehrere