Feriendorf, Rundreise oder Rucksackurlaub – wer eine Reise mit Kindern plant, sollte vor allem eins: ehrlich zu sich selbst sein.
Zwei Erwachsene, zwei Fahrräder, vier Kinder: Eine Heidelberger Familie unternahm mit ihren Kindern im Alter von null bis fünf Jahren während ihrer Elternzeit eine vierzehn Monate dauernde Weltreise. Konkret hieß das: Mama und Papa strampelten auf dem Rad, die Kinder saßen in zwei Anhängern. Oman, Mongolei, Australien. Der Vater hatte bereits Monate vorher eine Excel-Tabelle mit dem Gewicht jedes einzelnen Gepäckstücks angelegt. Die Eltern verkauften das Auto und kündigten die Wohnung, um die Reise zu finanzieren. Wer ist da nicht beeindruckt? Aber: Beeindruckt sein genügt nicht. Genauso wie manch einer es spannend findet, einen verschwitzten Leistungssportler nach zweiundvierzig Kilometern glücklich die Ziellinie überqueren zu sehen, liest er gern über extreme Reiseerfahrungen anderer Familien. Das heißt aber noch lange nicht, dass diese Reiseform zu ihm passt.
Die ersten Fragen bei der Planung eines Urlaubs mit Kind sind daher dieselben wie bei einem Urlaub ohne Nachwuchs: Was für ein Urlaubstyp bin ich? Mag ich Erholung oder bevorzuge ich Abenteuer? Möchte ich Sehenswürdigkeiten genießen, mich an der frischen Luft bewegen – oder am liebsten von allem ein wenig? Wie wichtig ist mir Kinderbetreuung vor Ort?
Für den späteren Urlaubsgenuss mit Kind hilft es sehr, wenn man sich nichts vormacht: Denn gerade bei individuellen Reisen ist der logistische Aufwand erheblich. Eine gewisse physische Kondition und nicht zuletzt Stressresistenz sind Voraussetzung.
Auch wenn es sich bei anderen schön liest oder toll anhört – welche Familie gibt im Nachhinein schon gern zu, dass sie ihre aufwendige Reise mit Kind zu anstrengend fand. Wer bereits kinderlos Rucksackurlaube mit täglichem Bettenwechsel doof fand oder sich nie fürs Wandern motivieren konnte, der wird sich für diese Reiseformen auch nicht mit Kindern begeistern. Ebenso ehrlich sollte man bei der Reiseplanung seine aktuelle Lebenssituation beziehungsweise die des Partners und der Kinder einschätzen: Wer gerade sein Haus renoviert hat oder demnächst einen neuen herausfordernden Job antritt, dem steht der Sinn vielleicht nicht unbedingt nach einer vierwöchigen Radtour mit Kind im Anhänger durch das gebirgige Südfrankreich, sondern bevorzugt eher zwei Wochen Ferien in einem gut ausgestatteten Ferienhaus mit Pool. Das gilt natürlich auch für Kinder, die gerade Stress in der Schule haben oder sich in der schwierigen Entwicklungsphase namens Pubertät befinden. Ebenfalls bedenkenswert: Gerade Einzelkinder finden nur bei längeren Aufenthalten gut Anschluss zu gleichaltrigen Kameraden.
Um es positiv zu formulieren: Fragen Sie sich, welche Urlaubsform Sie favorisiert haben, bevor Ihre Kinder kamen, und knüpfen Sie daran an. Wer Urlaub mit Kinderprogramm und Kinderbetreuung will, ist in den einschlägigen Clubanlagen gut aufgehoben. Preisgünstige Familienferien mit Programm bietet das Deutsche Jugendherbergswerk (DJH): Von Indianerferien im Schwarzwald über Fossilienklopfen in der Schwäbischen Alb bis hin zum Segelurlaub am Bodensee sind die Angebote vielseitig, sie starten für Kinder ab drei Jahren, kleinere Geschwisterkinder sind aber willkommen.
Der Klassiker bei Familien ist nach wie vor das Anmieten einer Ferienwohnung in einer landschaftlich reizvollen Gegend. Wer seine Bleibe im Vorfeld sorgfältig auswählt, erlebt bei dieser Reiseform wenig unliebsame Überraschungen, außer vielleicht beim Wetter. Für Experimentierfreudige empfiehlt sich die preisgünstige Urlaubsform „Haus-“ bzw. „Wohnungstausch“: Leider haben wir dies bislang nur einmal praktiziert, unser Wohnungstausch fand mit Freunden aus Hamburg statt. Wir haben Kinder im selben Alter – damals zwei und zweieinhalb Jahre – und tauschten über Ostern unsere Wohnung in Riehen bei Basel gegen die Hamburger Wohnung. Vorteil: Beide Wohnungen verfügten über eine kleinkindgerechte Infrastruktur, die vom Autokindersitz (wir tauschten auch die Autos) bis zum Wickeltisch reichte. Das Gepäck blieb klein, kostentechnisch fielen nur die eigene Anfahrt, Lebensmittel und das Essengehen vor Ort an. Das große Plus: Wir entdeckten und erlebten Hamburg aus der Perspektive einer dort lebenden Familie, kauften normal ein, besuchten das Stammrestaurant unserer Freunde und gingen auf deren Spielplatz um die Ecke. Das Eintauchen in die Alltagswelt einer anderen Familie in einer fremden Stadt hat etwas Exotisches. Dieser Wohnungstausch ist für mich bisher die spannendste und authentischste Reiseerfahrung mit Kind gewesen.
Fragen, die sich Eltern vor der Reise mit Kind stellen sollten
Bin ich Ruhe suchend oder rastlos?
Welcher Urlaubstyp bin ich, welchem entspricht mein Partner? Wie lassen sich Kompromisse erzielen? Beispielsweise eine Woche Rundreise, eine Woche Aufenthalt an einem Ort. Man erspart sich Stress, wenn man zumindest in der Hauptsaison die Unterkünfte vorab bucht.
Ehrliche Bestandsaufnahme:
Wie ist die derzeitige Lebenssituation: eher von Stress geprägt oder von Routine? Wie erholungsbedürftig ist die Familie?
Tipps von Freunden:
Hören Sie genau hin, wenn Ihnen befreundete Familien von ihren vergangenen Urlaubserfahrungen berichten, und haken Sie nach. Ordnen Sie aber die Informationen auch entsprechend ein – sollte es sich bei Ihren Freunden um eine sehr penible Familie handeln, nehmen Sie vielleicht Kritik an der „ungepflegten Gartenanlage im Hotel“ nicht ganz so ernst.
Allein reisen oder mit anderen?
Wer mit einer befreundeten Familie samt Kindern in Urlaub fährt oder die Großeltern mitnimmt, kann sich unter Umständen die Kinderbetreuung sparen, muss je nach Wohnsituation aber auch Kompromisse in Kauf nehmen. Es empfiehlt sich mindestens ein Bad je Familie, um unliebsame Diskussionen zu vermeiden.
Budget:
Über welchen Betrag verfügt die Reisekasse? Je weiter weg ich mit meiner Familie reise, desto teurer wird die Anreise, und somit bleiben weniger Geld und Spielraum für Unterkunft und Ausgaben vor Ort. Mitunter sind aber drei Wochen Thailand aufgrund der dort niedrigen Lebenshaltungskosten trotz Flüge günstiger als drei Wochen Ferien in Deutschland.
Zeit:
Wie lange und wann? Ob Haupt- oder Nebensaison, die Wahl der Reisezeit nimmt einen entscheidenden Einfluss auf die Reisekasse. Wer keine schulpflichtigen Kinder hat und nicht auf Schließzeiten von Kindergarten oder Kinderkrippe angewiesen ist, zahlt in der Nebensaison oftmals weniger als den halben Preis der Hauptsaison.
Maschinengewehr mit Mayonnaise:
Kultur- und Fressurlaub in Südbelgien
von Françoise Hauser
Urlaubsform: Städte-Urlaub – oder vielleicht doch eher eine Schlemmerreise?
Beteiligte: Françoise (47) und Elias (11)
Dauer: 5 Tage inklusive Anreise
Reisedistanz: rund 1.000 Kilometer
Reiseverkehrsmittel: eigener Pkw
Kostenfaktor: etwa 500 Euro inklusive Unterkunft, Essen, Benzin und Eintritte für beide Vorbereitungszeit: kurz. Lediglich die Unterkünfte sollte man im Voraus buchen. Je mehr Besuche von Fabriken und Ateliers anstehen, desto eher heißt es Kontakt aufnehmen und per E-Mail anfragen. Die meisten belgischen Handwerksbetriebe und Chocolatiers sind erstaunlich offen, wenn es darum geht, einen Blick hinter die Kulissen zu werfen.
„Halt! Auf keinen Fall abbeißen!“ In letzter Sekunde schnappt sich Madame Bertholet, Inhaberin der Patisserie Jacobs von Dinant, Elias’ Lebkuchen-Kachel, bricht mit einem kräftigen Griff eine Ecke des betonharten Couque-Lebkuchens ab und demonstriert den richtigen Umgang mit der wahrscheinlich härtesten Backware der Welt. Ab damit in die Wange. Und dann heißt es speicheln, lutschen, langsam zergehen lassen. Eine gefühlte Ewigkeit lang, denn die Couques bestehen ausschließlich aus Mehl und Honig. Wer diese Mahnungen ignoriert, riskiert bleibende Schäden am Kauwerk.
„Muff ich daff allef effen?“, nuschelt mir Elias auf Deutsch zu.
„Lass drin, bis wir draußen sind“, raune ich zurück. Zugegeben, geschmacklich sind die Couques kein Feuerwerk, aber herrlich skurril. Und das ist es, was zählt, denn auf dieser Reise haben wir eine Mission: