Sie zuckte erschrocken zusammen, als es läutete. War das der Briefträger? Brachte er vielleicht eine eingeschriebene Zusage?
Schnell lief sie nach draußen und riß erwartungsvoll die Tür auf. Mitten in der Bewegung erstarrte sie. Es war Klaus Meinradt, der draußen stand, und nicht der Briefträger.
»Sie… Klaus?« stotterte Mandy verlegen. Sie spürte, wie sie errötete.
»Ja, ich. Bin ich willkommen, oder soll ich lieber gleich wieder gehen?« Sein Blick hing voll Zärtlichkeit an Mandys schmalem Gesicht, das in den letzten Wochen noch blasser geworden war. Er sah, daß die Frau gelitten hatte, und jetzt wußte er auch, warum, jetzt, nachdem ihm sein Sohn und Denise von Schoenecker die Augen geöffnet hatten.
»Bitte… kommen Sie herein«, sagte Amanda Veil zögernd und trat zur Seite.
Das ließ sich Klaus nicht zweimal sagen. Insgeheim hatte er befürchtet, hier im Treppenhaus abgefertigt zu werden. Verdient hatte er es ja, nach allem, was passiert war. Er mußte wahrhaftig blind gewesen sein und hatte dafür nur eine Entschuldigung, nämlich den Tod seiner Frau, die er sehr geliebt hatte.
»Ich habe einen Brief für Sie, Mandy.« Er reichte ihr den Zettel, den ihm Denise gebracht hatte.
Die junge Krankenschwester las zuerst halblaut, und dann bewegten sich nur noch ihre Lippen.
Als sie den Brief sinken ließ, liefen Tränen über ihre Wangen. »Der arme Junge«, flüsterte sie und gab dem Mann den Zettel wieder zurück.
»Ja, das war auch mein erster Gedanke«, gab Klaus zu. »Und seitdem überlege ich fieberhaft, wie ich meinem Sohn helfen könnte.« Der Blick des Mannes ruhte forschend auf ihrem Gesicht.
»Und warum sind Sie zu mir gekommen? Ich weiß auch keinen Ausweg.« Mandys Hände zitterten, und Klaus hätte die Frau am liebsten gleich in die Arme genommen und getröstet wie ein kleines gefallenes Kind.
»Können Sie sich nicht denken, warum ich ausgerechnet zu Ihnen gekommen bin, Mandy?«
Die Angesprochene schüttelte den Kopf, obwohl ein unsinniger Gedanke ihr fast den Atem nahm. Sollte er…? Aber nein, das war ja gar nicht möglich. Ursula war da, und diese hatte die älteren Rechte.
»Sämtliche Bedingungen meines Sohnes habe ich erfüllt. Jetzt liegt es nur noch an Ihnen, Ulli wieder glücklich zu machen. Und mich auch«, fügte er noch leise hinzu.
In Amanda stieg Jubel hoch. Also hatte sie sich doch nicht getäuscht. »Und Timo auch«, ergänzte sie und lächelte unsicher.
»Was haben Sie gesagt?« Klaus hatte ihr langes Zögern mißgedeutet und schon geglaubt, sie wirklich verloren zu haben. Und nun das.
»Na, Timo gehört doch auch dazu, wenn Ulli wieder glücklich werden soll. Also, wenn Sie für mich wieder Verwendung haben, dann kann ich sofort bei Ihnen anfangen. Eine neue Arbeitsstelle habe ich ohnehin nicht gefunden.«
»Ich dachte, Sie hätten schon eine gehabt, als Sie uns damals verließen«, sagte Klaus Meinradt überrascht. »Dann war das also gar nicht der wahre Grund?«
»Nein, das war er nicht«, gab Mandy verlegen zu. »Ihre Schwägerin teilte mir damals mit, daß sie Sie heiraten würde. Dabei ließ sie durchblicken, daß dann keine Haushälterin mehr nötig wäre, obwohl sie mir durchaus erlaubte, zu bleiben. Aber ich wäre nur geduldet gewesen.«
»Was?« Klaus war überrascht. »Niemals war die Rede davon, daß ich Ursula heiraten würde. So eine…« Er unterdrückte das Schimpfwort, das ihm auf der Zunge gelegen war. Etwas ganz anderes ging ihm jetzt durch den Kopf.
»Sie haben mich mißverstanden. Ich wollte keine Haushälterin, Mandy, ich wollte wieder eine Ehefrau, die mit mir durch dick und dünn geht, die ich liebe und die mich liebt, und die meinem Sohn eine gute Mutter sein will. Mit einem Satz: Ich liebe dich, Mandy, und ich würde dich gern heiraten, wenn du mich auch ein bißchen magst.«
Amanda schüttelte den Kopf, weil sie es noch nicht glauben konnte. »Heiraten?« echote sie. »Mich heiraten? Oh, Klaus, du machst mich zum glücklichsten Menschen auf der Welt.«
»Heißt das… ja?«
»Ja, tausendmal ja.« Mit einem Jubelschrei fiel ihm Mandy um den Hals. »Gehen wir gleich nach Sophienlust und holen unseren Sohn ab?« flüsterte sie an seinem Ohr.
Klaus preßte die Frau fest an sich. »Ja, das machen wir. Wir holen jetzt sofort unseren Sohn und unseren Hund nach Hause. Endlich haben die beiden wieder ein Heim und ich eine Frau, die ich lieben darf und die mich liebt.«
Als die Türglocke anschlug, fuhren sie erschreckt auseinander.
»Laß es klingeln«, schlug Klaus vor. Aber Mandy hatte sich schon aus seinen Armen befreit.
»Es könnte etwas Wichtiges sein.«
Als sie zurückkam, schwenkte sie einen Brief in der Hand, ein Einschreiben. »Die Klinik im Schwarzwald hat mir nicht abgesagt. Ich könnte in zwei Monaten bei ihnen anfangen.« Die junge Frau lache. »So lange wollte mich keiner haben, und jetzt habe ich auf einen Schlag zwei Angebote.«
»Welches wirst du annehmen?« Der Mann lächelte verschmitzt.
»Deines natürlich.« Er verschloß ihre Lippen mit einem langen Kuß.
*
Ein halbes Jahr später schlossen sie den Bund fürs Leben. Denise und Alexander von Schoenecker waren Trauzeugen, und sie waren es gern.
Als Klaus und Amanda das Standesamt als Mann und Frau verließen, warteten schon Nick und Henrik, denn sie hatten inzwischen auf den Hund Timo aufgepaßt, der nicht mit hinein gedurft hatte.
»Sie sehen jetzt auch nicht anders aus als vorhin, als sie hineingingen«, stellte Henrik lautstark fest.
»Doch«, trumpfte Ulli auf. »Ganz anders sehen sie aus. Mein Vati sieht aus wie ein Vati, und Mandy sieht aus wie eine Mutti. Sie ist jetzt nämlich meine Mutti.«
Die Erwachsenen lachten gerührt über Ullis Worte. Mandy beugte sich zu dem Kleinen hinunter und preßte ihn einen Augenblick an sich.
»Das war das schönste Kompliment, das ich je in meinem Leben erhalten habe, Ulli«, sagte sie mit unsicherer Stimme.
»Aber es stimmt«, beharrte der kleine Junge, »nicht wahr, Timo?«
»Wuff«, machte der Hund zur Bestätigung und wedelte mit dem Schwanz.
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