Die Kunst der Bestimmung. Christine Wunnicke. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Christine Wunnicke
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783863003111
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       Über das Buch

       Übef die Autorin

       Prolog

       Kapitel I

       Kapitel II

       Kapitel III

       Kapitel IV

       Kapitel V

       Kapitel VI

       Kapitel VII

       Kapitel VIII

       Kapitel IX

       Kapitel X

       Kapitel XI

       Kapitel XII

       Kapitel XIII

       Kapitel XIV

       Kapitel XV

       Epilog

      I

      «MIT DEM MORGENURIN», sagte Mr. Hooke bei der Sitzung der Royal Society am 15. Juli 1678, «habe ich heute einen Stein ausgeschieden, welcher jenem, den uns Sir William Throgmorton gütigst für das Kabinett überlassen hat, vielleicht in Größe und Gewicht ein wenig nachsteht, nicht aber in allgemeiner Merkwürdigkeit.»

      Josiah Blane, der Stenograph, nahm dies zu Protokoll. Er schrieb es in die Experimentalkladde und nicht in die Vermischten Bemerkungen, obschon Mr. Hooke den Stein nicht herzeigte. Er würde noch nach ihm schicken, dessen war sich Josiah gewiss, und dann wäre der Stein ein Ding und kein Wort mehr und gehörte somit in die empirischen Vermerke.

      «Ich wüsste gerne», sagte Dr. Croune versonnen, «woher der Schleim der Aale kommt.»

      «In Kensington», sagte Mr. Aubrey, «wo einer im Pranger stand, leckten Hunde von seinem putriden Eiter und starben, und einem Mann, der die Schuhe eines Toten auftrug, faulten die Füße ab. Quid mirum, nicht wahr, und zum Wohl!»

      Mr. Aubrey hob sein Glas. Er trank Wein, als Einziger, und er trug Rot, Feuerrot, wie ein junger Stutzer. Voriges Jahr hatte er Josiahs Horoskop gestellt und gesagt, er habe Geistesgaben. Dann hatte er ihm gezeigt, wie man mit der rechten Hand schreibt und mit der linken zeichnet. Einer mit Geistesgaben müsse vieles auf einmal tun. Mr. Aubrey konnte sogar reiten und zeichnen zugleich, und dabei noch denken und sprechen und trinken. Josiah schrieb die Sache mit dem Eiter nieder und zeichnete dabei, mit der Linken, Mr. Hooke. Er zeichnete ihn in ein Koordinatensystem, damit sein schiefer Wuchs besser zur Geltung kam. Seit er sich mit Mr. Newton über die Lichtbrechung gestritten hatte, wurde Mr. Hooke immer schiefer. Er trug schon keine Perücke mehr, weil sie rutschte. Er trug sein eigenes Haar, braun, lang und fettig. Sein Kopf war zu groß, sein Mund zu klein, seine Knochen drückten von innen gegen die Haut wie bei den morschen indianischen Affen, die im Kabinett ihrer Beschriftung harrten.

      Mr. Hooke wusste alles. Mr. Hooke war die Royal Society. Die Royal Society war Mr. Hooke. Bisweilen träumte Josiah, Mr. Hooke verdopple und potenziere sich, bis lauter Hookes das Sitzungszimmer füllten, Allwissen und Affenknochen unendlich gespiegelt, als blicke Josiah durch das Prismenauge der Gemeinen Stubenfliege, wie es dargestellt war auf Mr. Hookes mikroskopischen Tafeln.

      «Die Aufklärung der Herkunft des Schleimes an Aalen», bemerkte Dr. Croune, «läge mir durchaus am Herzen.»

      Josiah Blane setzte den Schleim der Aale auf die Liste der Disputanda und zeichnete gleichzeitig ein wenig schmeichelhaftes Membrum zwischen die Beine des Mr. Hooke. Josiah bewohnte eine Kammer, die Wand an Wand mit Mr. Hookes Schlafzimmer lag, oben im Ostflügel des Gresham College. Dort wurde er stets Zeuge von Mr. Hookes Erfreuungen. Bis zu drei Erfreuungen pro Nacht gelangen Mr. Hooke, mit Doll, seiner Magd, oder Grace, seiner Nichte. Letzte Woche hatte sich Mr. Hooke eine Totgeburt aus Blackfriars kommen lassen, wegen Gaumenspalte und doppelten Rückgrats. Die lag nun im Kabinett und stank. Josiah hätte sie gerne präpariert. Vielleicht wäre es ihm gelungen. Vielleicht zufriedenstellend. Vielleicht gut. Vielleicht hätte Mr. Hooke genickt. Vielleicht hätte er «brav» gesagt. Josiah Blane traute sich nicht zu fragen, ob er die Totgeburt aus Blackfriars präparieren dürfe.

      «Der Trigonalaspekt zwischen Mars und Saturn begünstigt die Fäulnis», sagte Mr. Aubrey, «und ihre Konjunktion den trockenen Zerfall.»

      «Mein Stein ist pfriemenförmig, fast lanzettlich», berichtete Mr. Hooke, «eine gute halbe Drachme schwer, von hellgrüner Färbung, die Oberfläche warzig und kristallin. Ich trank Meerrettich-Bier, die Entleerung war schmerzlos. Der Stein ist überaus beachtenswert.»

      Josiah stenographierte, mit der Linken näherte er das Radiermesser Mr. Hookes abgebildeter Männlichkeit. Er saß allein an seinem Schreibpult. Die Herren sahen nicht, was er tat, sie prüften nur später die Reinschrift. Josiah Blane war einmal in Cambridge gewesen. Josiah Blane hatte Arzt werden wollen. Geld und Gaben reichten nicht hin. Als Protokollant der Royal Society hatte er mit jährlich zwanzig Pfund sein Auskommen, dazu Kost und Logis. Er teilte die Kammer mit den zwei Dienern, Harry und Tom. Manchmal kaufte er einen Traktat über Anatomie. Manchmal schaute er Grace Hooke hinterher. Oft zeichnete er die Konterfeis der Gentlemen am Sitzungstisch. Josiah Blane war fünfundzwanzig und sein Leben war eigentlich vorbei.

      «Ich vermute», sagte Dr. Grew, «der Schleim auf Aalen wird durch ähnliche Glandulae hervorgerufen wie der Schleim in unserem Hals.»

      Mr. Hooke schickte Harry hinauf zu Grace, um seinen Stein zu holen.

      «Der Schleim in unserem Hals dringt nicht nach außen», stellte Mr. Colwall fest.

      «Bisweilen schon», entgegnete Mr. Aubrey.

      «Nicht durch die Haut, Sir», meinte Mr. Colwall.

      «Der Schleim auf Aalen», erklärte Mr. Hooke, «ist eine Transpiration, welche, sobald sie sich mit Wasser oder Luft vermischt, schleimige Eigenschaften annimmt.»

      «Die Haut des Aals hat in der Tat erkennbare Poren», setzte Dr. Grew hinzu.

      «Nein, Sir», sagte Mr. Colwall.

      «Ich sehe die Poren unter dem Mikroskop, sie sind dreieckig, ich sehe, wie sie transpirieren!»

      Josiah Blane zeichnete Affenohren zwischen die perückenlosen Haare des Mr. Hooke.

      «Die Haut des Aals hat keine Poren», sagte Mr. Colwall.

      «Die Haut des Aals», fuhr Mr. Hooke fort, «besteht aus zwei Stoffen, von denen einer fest ist, der andere flüssig. Der feste Stoff ist gewebt aus einzelnen Fäden, locker, wie grobes Linnen. Der flüssige Stoff gewährleistet die Elastizität, ein Teil