Zum Teil gelang es ihm sogar, doch hätte er sich nicht instinktiv zur Seite gewälzt, wäre er noch unter dem Menschenfresser begraben worden und hätte damit kein anderes Schicksal gefunden als der Tote.
„Wir haben ihn!“ jubelte Prabhakar. Er drosch mit seiner Klinge wie von Sinnen auf das Tier ein, das sich mühsam wieder aufzurichten versuchte.
Khande Rao war zu schwach, dagegen zu protestieren. Ihm hätte das gestreifte Fell gehört, doch indem Prabhakar seiner Wut und dem Haß ungezügelten Lauf ließ, zerstörte er es. Wer hatte schon Verwendung für ein zerschnittenes Tigerfell, selbst wenn es das eines Menschenfressers war?
Endlich, nur noch ein leichtes Zucken durchlief den geschundenen Leib der Bestie, sah der Brahmane das Überflüssige seines Tuns ein und ließ die Waffe sinken. Verächtlich spuckte er aus.
„Ich habe den Tiger getötet!“ sagte er. „Du verdankst mir dein Leben. Kümmere dich um Tulsi, er ist schwer verwundet, aber nicht so, daß er sterben wird.“
Erst als Khande erkannte, daß Tulsi Gnanam zwar bewußtlos war, jedoch regelmäßig atmete, wandte er sich an den Brahmanen.
„Mein Schwert steckt im Leib der Bestie“, sagte er. „Die Schwere dieser Wunde war sicherlich entscheidend.“
„Ich habe ihn erlegt“, erwiderte Prabhakar ärgerlich. „Du hattest lediglich das Glück, daß du ihn vorher schwächen konntest.“
Mit jedem weiteren Wort hätte er sich nur Ärger eingehandelt. Khande schluckte den heftigen Widerspruch herunter, der ihm auf der Zunge lag, und wandte sich um. Der Tod seiner Eltern war gerächt, für ihn gab es nichts mehr, was ihn noch in dem Dorf hielt.
Der Tiger lag in einer größer werdenden Blutlache. Khande hatte Mühe, den leblosen Körper so weit herumzudrehen, daß er sein Schwert wieder an sich nehmen konnte. Ausgiebig säuberte er die Klinge erst im Erdreich und danach im regennassen Gras. Mittlerweile hatten sich Wolken zusammengezogen.
Daß Prabhakar ihn zornig anfuhr, beachtete er nicht. Sollte sich doch der Brahmane Tulsis annehmen. Außerdem waren mittlerweile alle Dorfbewohner auf den Beinen, weil sie den toten Tiger sehen wollten. Sie konnten dem Verletzten weitaus besser helfen.
Einer plötzlichen Eingebung folgend, hob Khande sein Schwert und schlug dem Tiger die Schwanzspitze ab. Sie sollte ihm Glück bringen.
Die Erleichterung der Männer, Frauen und Kinder äußerte sich in ausgelassenem Jubel und Festtagsstimmung. Keinem fiel auf, daß sich Khande zum Rand der Terrasse zurückzog und schließlich die zum Fluß führenden Stufen hinunterstieg. Prabhakar ließ sich indessen als Held feiern.
Khande Rao wollte mit alldem nichts mehr zu tun haben. Er dachte an Raghubir und verglich den greisen Alten, wie er ihn in Erinnerung hatte, unwillkürlich mit Prabhakar. Beider Verlogenheit stieß ihn ab.
Vielleicht hatte die Abgeschiedenheit des Dorfes sie geprägt. Khande wußte es nicht, ihm war nur klar, daß er nicht so werden wollte. Deshalb ging er fort. Seine Bestimmung lag nicht darin, jahrein, jahraus Felder zu bestellen und fruchtbaren Boden daran zu hindern, vom Monsun weggeschwemmt zu werden – das Schwert in seiner Hand war wie eine Verlockung.
Fest umklammerte er das Heft und klemmte die Schwanzspitze des Tigers unter seinen Hosenbund. Jetzt, nachdem er erstmals gespürt hatte, was es hieß, anderen überlegen zu sein, würde er die Waffe nicht mehr hergeben.
Sein Entschluß stand fest: Er wollte sich als Leibwächter eines Maharadschas verdingen oder ins Heer eines Sultans eintreten. Das Zeug dazu hatte er, davon war er überzeugt.
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