NECROSTEAM. Группа авторов. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

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Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783957658715
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die Augen auf. Zu gut kannte der den Jähzorn und die Arroganz seines Vorgesetzten, sah die Katastrophe am Horizont dämmern, wollte reagieren.

      Zu spät.

      Der graue Schnurrbart zitterte empört im stets etwas aufgedunsen wirkenden, von jahrelangem Ginkonsum gezeichneten Gesicht des Commanders. Man musste keine Hexe aus Siebenbürgen oder ein gesegneter Eremit sein, um seine Gedanken zu lesen. Er, der dritte Sohn des vierten Earls von Irgendwo, der einzige Adelige auf der Brücke, war in seiner Ehre gekränkt. Eine Frau, und noch dazu eine halbe Wilde, ein primitiver Mischlingsbastard, hatte es gewagt, ihm ins Wort zu fallen. Er spie seine nächsten Worte förmlich in den Raum.

      »Schweig, Mätze! Das Toleranzpatent Ihrer Majestät gibt dir das Recht auf einen Platz in der Handelsflotte, aber nicht darauf, einen Vertreter der Krone zu unterbrechen. Wer glaubst du eigentlich zu sein …? «

      »First Lieutenant Shiara Kirwashi, meine Erste Offizierin und wahrscheinlich der beste Kanonier, der gerade über dem Subkontinent zur Luft fährt. Hat in der zweiten Luftschlacht um London einen preußischen Kreuzer vom Himmel geholt. Als achtzehnjährige Freiwillige, als letzte Überlebende auf einem brennenden Aufklärungszepp, nur mit einem alten Siebenpfünder bewaffnet. Während Sie sicher in Birmingham in der Schreibstube saßen, Commander. Ich weiß alles über Sie, ich habe mein Briefing ernst genommen.«

      Shiara blickte zur Seite, auf ihren Captain, der sich zu seiner vollen, imposanten Höhe von mehr als sechs Fuß erhoben hatte. Sie konnte und wollte sich selbst verteidigen, kam aber trotzdem nicht umhin, eine tiefe Dankbarkeit für den alten Luftbären zu empfinden. Ebenso wie für Juri, seinen Heizer und Maschinisten, der sich gerade subtil hinter seinem Captain positionierte. Und den zwei Schritt langen, mehr als zwanzig Pfund schweren Schraubenschlüssel betont entspannt auf die Schulter legte.

      Captain Fowlers letzte Anmerkung versetzte dem Offizier Ihrer Majestät eine unsichtbare Ohrfeige. Überraschung und noch mehr Empörung darüber, wie frech und vorlaut diese Zivilisten mit ihm umgingen. Sicher, alle an Bord waren Veteranen des Vierfach-Krieges, aber er war noch in Dienst, Sold und Rang! Niemand konnte ihm …

      »Und wenn Sie Ihr Briefing gelesen hätten, Commander, wüssten Sie, dass First Lieutenant Kirwashi die Tochter von Lord Lockerby ist.«

      Ein kurzer Anflug von Panik schlich sich in die Augen des Flottenoffiziers, ein Moment des Zögerns, noch mehr Unsicherheit. Fast schien es, als ob er bereit war, sich geschlagen zu geben, es unter in den Bart gemurmelten Verwünschungen gut sein zu lassen.

      Der Eindruck täuschte. Zu groß war die Wut, zu unkontrolliert sein Zorn, zu schwach seine Selbstbeherrschung. Höhnisch spuckte er aus. Nicht direkt vor die Füße des Captains oder seiner Ersten Offizierin, aber die Geste ließ keine Zweifel an ihrer Intention. Ebenso wenig wie sein abschätziger Tonfall.

      »Eine uneheliche, nicht legitimierte Tochter. Was kümmert es mich, wie viele Mischlingsbastarde der alte Hurenbock irgendwo gezeugt …«

      Er kam nicht weiter. Shiara verwandelte sich in einen Schemen, in eine exotisch tänzelnde Furie, deren Bewegungen so schnell waren, dass ihnen kein menschliches Auge folgen konnte. Der erste Schlag einer dunkelbraunen, nur auf den ersten Blick zierlich wirkenden Handkante traf seine rechte Niere, der zweite die linke. Grausame Schmerzen, dem Bürooffizier und Berufssohn ebenso fremd wie ehrliche Arbeit, schossen durch seinen Körper. Er wollte aufschreien, als der nächste Schlag, diesmal mit einem Handballen geführt, sein Brustbein traf.

      Paralysiert.

      Gelähmt.

      Unfähig zu atmen, unfähig, sich zu bewegen, unfähig zu schreien.

      Und vor allem nicht in der Lage, den letzten Schlag abzuwehren. Dieser erfolgte langsam, direkt von vorne – und mit einer ganz anderen Intention. Ein sattes Klatschen hallte in der Kabine wider, als die flache Hand Shiaras das rotgeäderte Gesicht, die feiste Wange des Commanders traf.

      Eine Ohrfeige, vor aller Augen. Jeder im Raum hielt den Atem an – der Getroffene immer noch unfreiwillig. Erst nach einigen Augenblicken schaffte er es, japsend nach Luft zu ringen. Gekrümmt und keuchend trat er einen schwankenden Schritt weg von der Frau, die ihn derart gedemütigt hatte. Gerne hätte er sich wimmernd den Schmerzen hingegeben, doch seine unbändige Wut ließ ihn schwerfällig zur Waffe greifen.

      Nein, er wollte nach seiner Waffe greifen. Diesmal war sein Adjutant auf der Lauer gewesen, hatte all seinen Mut zusammengenommen und verhinderte, was er kommen sah. Beschwörend hielt Cusack den Arm seines Vorgesetzten fest, schüttelte heftig den Kopf.

      »Sir, die Mission. Die Mission hat immer Vorrang!«

      Commander Pence atmete schwer durch, nickte widerwillig – war aber weit davon entfernt, so zu tun, als ob nichts geschehen wäre.

      »Captain, ich verlange, dass Sie einen Eintrag ins Logbuch machen! Diese Wilde hier muss bestraft werden!«

      Mit zitterndem Zeigefinger deutete er auf Shiara, die sich wieder in eine entspannte Position zurückgezogen hatte.

      Fowler lächelte amüsiert.

      »Gerne. Ich werde ins Logbuch eintragen, dass sich der Offizier der Royal Air Navy, der auf mein privates Schiff als Beobachter entsandt war, gegen jeden Anstand und jedes Standesverhalten benahm. Die Mission meines vom Gouverneur um Hilfe gebetenen Zepps dadurch gefährdete, dass er Commodore Lord Lockerby als Hurenbock bezeichnete. Jenen von der Majestät posthum als Commander in den Royal Order berufenen Kriegshelden, der bei der Ersten Luftschlacht um London als Oberbefehlshaber an der Spitze seiner Flotte sein Leben ließ.«

      Pence erbleichte.

      »So war das nicht gemeint! Natürlich hatte ich nie die Absicht …«

      Captain Fowler ließ ihn nicht ausreden. Sein Lächeln war verschwunden, einem harten, gnadenlosen Gesichtsausdruck gewichen.

      »Und natürlich, dass meine Erste Offizierin aus Loyalität und Pflichtgefühl gegenüber der Krone und Ihrer Majestät gemäß unseren Gesetzen und Traditionen die entsprechende Genugtuung einforderte. Denn eines sollten Sie wissen: Der Gouverneur der indischen Kronkolonie selbst hat First Lieutenant Kirwashi die Satisfaktionsfähigkeit zertifiziert.«

      Die Augen von Pence weiteten sich in blankem Entsetzen, warfen einen raschen Blick auf Shiara. Mit einem kalten Lächeln schob sie ihre Jacke eine Handbreit hoch, zeigte ihre Waffen. Zwei Ordonnanzrevolver, für Flaggenoffiziere hergestellte Sonderanfertigungen. Mächtige Trommeln für das Halbzollkaliber, lange, mehrfach gehärtete Läufe, die Griffe aus aufwendig mit Messing und Gold beschlagenem Elfenbein. Kein Zweifel, sie trug die Waffen ihres Vaters.

      Blicke wurden ausgetauscht, Erkenntnisse setzten ein. Commander Mike Pence war vielleicht ein Säufer, ein militärischer Drückeberger, einer jener so verhassten Briten, die ihre Untertanen in fernen Ländern als primitive Halbtiere betrachteten – aber er war kein Idiot. Und vor allem hing er an seinem Leben, genug, um sich zähneknirschend zu verbeugen.

      »Das wird nicht nötig sein. Mylady, ich nehme hiermit meine Aussagen zurück und bitte formell um Vergebung.«

      Shiara warf dem Captain einen kurzen Blick zu, sah sein Nicken und stimmte ihm im Geiste zu. Natürlich war die Beleidigung nicht einfach so zu tilgen, und ihr wäre ein First Lieutenant lieber als Mylady gewesen, aber in dieser Situation.

      »Die Entschuldigung ist angenommen, der Ehre wurde Genüge getan.«

      Captain Fowler klatschte in die Hände, sichtlich zufrieden und erleichtert, dass Shiara den Commander nicht hatte erschießen müssen.

      »Gut, dann können wir unsere nächsten Schritte planen. Wir müssen die Admiral Nelson untersuchen, keine Frage. Commander, nur so aus Neugierde – warum wurde eine archäologische Expedition von einem Kriegsluftschiff durchgeführt?«

      Pence zuckte mit der Schulter.

      »Das habe ich das Luftflottenkommando auch gefragt. Streng geheim. Weit über meiner Soldstufe, befürchte ich. Wahrscheinlich waren sie auf der Suche nach antiken Wunderwaffen wie die Atlantis-Expeditionen,