Dem Vater stand es zu, Söhne und Töchter ins Kloster zu schicken oder zu verheiraten; aus vielen Beispielen geht hervor, dass er dabei in der Regel die Wünsche der Mutter berücksichtigte. In vielen adligen Familien war es Sitte, nur je eines der Kinder zu verheiraten, die übrigen geistlich werden zu lassen. Bei der Heirat wurde hauptsächlich der Vorteil in Betracht gezogen; aber es wird liebevolle Eltern gegeben haben, die bestimmte Neigung oder Abneigung der Kinder nicht unbeachtet ließen. Von der eigenwilligen Judith erzählte man, sie habe, weil sie keine Lust hatte, den ihr bestimmten griechischen Prinzen zu heiraten, dem griechischen Maler gegenüber, der sie porträtieren sollte, ihr schönes Gesicht zur Grimasse verzogen, um den Freier abzuschrecken, was ihr auch gelungen sei. Den Aufenthalt im Kloster zogen gewiss viele Mädchen der Ehe vor; sie genossen dort Bequemlichkeit, Sicherheit und Ehre, und auch eine weitgehende Freiheit nahmen die adligen Frauen als selbstverständlich für sich in Anspruch. Fanden die Frauen kein Glück in der Ehe, so wussten sie sich zu entschädigen, wenigstens möchte man das aus den häufigen Verdächtigungen hochgestellter Frauen schließen, wenn sie auch nicht immer begründet waren. Ottos des Großen Tochter Liutgard wurde des Ehebruches beschuldigt, die später heiliggesprochene Kunigunde, die Frau Heinrichs II., soll sich durch das Gottesgericht von der Anklage gereinigt haben, indem sie mit bloßen Füßen über ein glühendes Eisen schritt. Man dachte im Allgemeinen nicht streng über leidenschaftliche Beziehungen zwischen Mann und Frau. Bischof Salomon von Konstanz hatte ein Liebesverhältnis mit der Äbtissin des Klosters Fraumünster von Zürich; in die schöne Tochter, die der Verbindung entsprang, verliebte sich der Kaiser Arnulf. Es ist nicht zu verwundern, wenn Frauen oft beschuldigt wurden, mit Geistlichen zärtliche Verbindungen zu unterhalten, wenn sie gern mit Geistlichen verkehrten. Das Interesse für die gleichen Gegenstände, für Armen- und Krankenpflege, für Poesie und Kunst führte sie zusammen, Frauen und Geistliche waren gebildeter als die weltlichen Männer, sie betrachteten die Dinge in einem Lichte, das sie interessanter, bedeutender, vielgestaltiger erscheinen ließ. Begreiflich ist es auch, dass die Mütter wenigstens einige ihrer Söhne der Kirche zu übergeben liebten, wo sie einigermaßen vor dem Tod im Kriege gesichert waren, wo ihre Begabung gepflegt wurde und sich entfalten konnte. So dachte zum Beispiel die Gräfin von Goseck, eine geborene Gräfin von Weimar, von deren Söhnen einer, Adalbert, der berühmte Erzbischof von Bremen wurde. Die ritterliche Erziehung der Knaben war so hart, sie verlief zwischen Pferden und Waffen, im Stalle, im Sattel, unter Knüffen und Püffen, dass es dem Herzen mancher Mutter wehtun mochte, besonders wenn das Kind zart war und darunter litt.
Das Christentum hat mit seiner Anpreisung der Demut wohl nicht nur im guten, sondern auch im üblen Sinne zähmend gewirkt, indem es mit der Wildheit der heidnischen Frau ihre frische Kraft dämpfte; aber es setzte ihre weibliche Würde nicht herab, verklärte sie vielmehr in ihren wesentlichen Eigenschaften. Das überirdische Geheimnis der Empfängnis und Mutterschaft hatte sein Symbol in der jungfräulichen Mutter des Herrn, in der das Wort Gottes Fleisch wurde. In den kleinen dunklen Kirchen der ottonischen Zeit sah man sie unnahbar groß, den wunderbaren Sohn auf dem Arme, eine Göttin mit unergründlichem Leidensblick, man sah sie unschuldig ernst, halb abgewendet der Botschaft des Engels lauschen, der die Fülle himmlischer Herrlichkeit vor sie hinstürzt, man sah sie, das Herz von Schwertern durchbohrt, sah die Überwinderin aufwärts schweben, das verjüngte Haupt mit der Krone des Lebens gekrönt. Sie, die Gottesgebärerin, die Himmelskönigin, war in allen irdischen Leiden geprüft. Und erlebte nicht jede Frau das Wunder, dass ihrem Schoße ein Kind entsprang, dem Gott die Seele einhauchte? Das unlösbare Geheimnis der Geburt band die Frau an den Gott, dessen Atem dem Geschöpf die letzte Vollendung zur Menschenwürde gibt; ihm brachte man es dar nicht erst bei der Taufe; schon vorher, als es noch ungestaltet in ihrem Schoße lag, musste es durch sie von seinem Wort beseelt werden. Im Märchen wird die Frau, die beschuldigt wurde, anstatt eines menschlichen Kindes einen Hund oder einen Wolf zur Welt gebracht zu haben, zum Feuertode verurteilt; wie eine Ketzerin oder Zauberin, eine Gottlose, erscheint die, deren Kind kein Menschenantlitz trägt, also kein Gotteskind ist.
Neben der Maria stehen viele große Heilige: Margarete, die Drachentöterin, Agnes, die im Hause der Unzucht ihre Reinheit bewahrt, Katharina, Dorothea und viele andere, die von dem todüberwindenden Heldenmut der Frau und ihrer Überzeugungstreue zeugen. In der Hochschätzung der Jungfräulichkeit traf die christliche Auffassung mit der germanischen zusammen. Die Walküren verloren ihre Kraft mit der Jungfräulichkeit, das Blut oder der Kuss einer reinen Jungfrau hat im Märchen erlösende Kraft. Darin wird nicht nur die Tatsache gewürdigt, dass die Frau durch die sinnliche Liebe oft bis zur Betäubung des Gewissens und zum Verlust der eigenen Persönlichkeit vom Manne abhängig wird, sondern wohl auch die andere, dass die zurückgedrängte Kraft geschlechtlicher Liebe sich in schöpferische Geisteskraft umsetzen kann. Die Heilige trat für den Germanen an die Stelle der wegen ihres prophetischen Geistes oder wegen ihrer Zauberkunst verehrten Frauen. Sieht man, mit was für geduldiger Aufmerksamkeit ein so imperatorischer König wie Friedrich I. Barbarossa die Strafpredigten der Hildegard von Bingen aufnahm, kommt es einem vor, als habe die Ehrfurcht in ihm nachgewirkt, die seinen heidnischen Vorfahren die Seherin als die von den Göttern Erwählte einflößte.
Dass die Frau die frohe Botschaft verständnisvoll aufnahm, hat die rasche