Am Tage nach diesen Pressenotizen mußte an allen Börsen eine Deroute in Kanalaktien ausbrechen. Dann würden seine Börsenvertreter in der ganzen Welt unter der Hand riesenhafte Rückkäufe machen.
Schon am Abend dieser Rückkäufe, die weit über sein Barvermögen hinausgehen sollten, würden neue Pressenotizen, gestützt auf wissenschaftliche Gutachten, die Veränderung der Kanalsohle unbedenklich, als letzten Beruhigungsvorgang des gequälten Erdbodens hinstellen. Der Kurs würde sich wieder heben, zumal er, der Präsident der Gesellschaft selbst, dann offen, wenn auch nur mit bescheidenen Summen, als Käufer auf den Markt treten würde. Durch weitere Pressemeldungen und Gutachten würde dafür gesorgt werden, daß der Aktienkurs sich wieder vollständig erholte.
Das Steigen der Kanalsohle – im ersten Augenblick hatte die Nachricht wie ein Donnerschlag auf ihn gewirkt. Unablässig hatte er über den rätselhaften Vorgang nachgedacht, nach einer Erklärung gesucht. Hatte dem Agenten Order zugehen lassen, durch fortgesetzte Lotungen die Bewegungen des Kanalbettes zu verfolgen. Die letzte Nachricht des Agenten, vor einer Stunde war sie eingegangen: kein weiteres Steigen.
Ausgleichserscheinungen mußten es gewesen sein, die jetzt zum Stillstand gekommen waren. Gut für seine Pläne. Das Ende der Riesentransaktion … wie schon so oft würde es einen Riesengewinn für ihn bedeuten.
Die Sterne am Himmel verblaßten. Ein leichter Schimmer im Osten kündete den neuen Tag. Der einsame Mann in Saltadera ließ sich am Arbeitstisch nieder. Das energetische Bild des Kanals erschien am Schirm.
Die in der Sialscholle eingesprengten Magmamassen … größere, kleinere. Ihre glutflüssigen Massen mit Wasser in Berührung!
Eruptionen, große, kleine … Tod, Vernichtung bringend! Wie es vermeiden?
Tage und Nächte hatte er gesonnen. Es war nicht möglich Menschenleben vernichten bei seinem Werk, konnte das Schicksal das auch wollen?
Seine Finger bewegten einen kleinen silbernen Tokschor. Die Blätter der Trommel glitten langsam an seinem Auge vorbei. Er schüttelte den Kopf.
Nichts! Nichts! Das Schicksal geht seinen Weg unbeirrt, rücksichtslos.
Menschenleben auf seinem Weg … das Rad geht darüber hinweg. Ihr Schicksal!
Er prüfte die große Apparatur im Hintergrund des Raumes.
Prüfte Teil für Teil ihres komplizierten Baues. Es war alles in Ordnung.
Der kleine Apparat … klein im Verhältnis zu den Riesenenergien, die er lösen und steuern konnte. Er war sein Meister, der ihn gebaut hatte nach dem Geheimnis des Tokschors, der ihm von der Mutter übergeben war. Schicksalswendung! Er, der Erbe des Geheimnisses, das einmal das Schicksal drei Männern anvertraute, als es galt, Millionen Menschen vor Not und Tod zu bewahren. Drei Männer … drei Ringe. Jeder trug einen von gleicher Arbeit. Zwei davon zusammen gefügt an seiner Hand. Sein Auge ging zum Finger der Rechten. Wie die Windungen einer Schlange ein doppelter Ring goldener Spiralen. Zu schwer für den schmalen, bleichen Finger. Die Hand, wie wenn sie das Gewicht des Ringes nach unten zog, war vom Tisch gesunken. Zu schwer die Last, die das Schicksal, einst auf drei verteilt, auf meine Schultern legte … der dritte Ring?
Sein Leben, was war es von den Tagen an, bis zu denen die Erinnerung zurückging? Die Mutterarme … die einzige glückliche Erinnerung … kurz, zu kurz! Auch sie war von ihm gegangen.
An dem Tage, an dem sie starb, war ein Fremder gekommen, ein alter, greiser Mann, hatte ihn mitgenommen, weit fort von der Heimat.
Dorthin, wo die ewige Wiege der Menschheit stand. Und dort, kaum noch, daß er denken konnte, hatte sein Schicksal begonnen, die Schule des Schicksals, hart, unerbittlich hart.
Nichts von den Freuden der Jugend, des Lebens. Die Jahre waren verstrichen, bis der Tag kam, an dem der Alte die Bürde auf seine Schultern legte, die Schultern so schwach, so gebrechlich. Er hatte sich gesträubt, sich gewehrt. Der Alte hatte seine Hand ergriffen, zwei Ringe über den Finger gestülpt. Zu groß, viel zu groß. Der Greis hatte leise darüber gestrichen, und dann saßen sie fest an seinem Finger, als wären sie angeschmiedet. Fest geschmiedet wie die Ringe an den Füßen der Galeerensträflinge.
Wie hatte er geseufzt und gestöhnt unter ihrem Druck. Das Blut der Jugend bäumte sich auf. Da, als er, verzweifelnd an sich, an seiner Kraft, das Leben von sich werfen wollte, hatte der alte Lehrer ihm erzählt von jenen dreien. Erzählt von dem einen, der sein Vater war, erzählt von dem anderen, der, der Stärkste unter ihnen, doch zu schwach gewesen, die Last zu tragen, dessen Geist der Versuchung erlag, der starb im Kampf … im Kampf mit dem Schicksal selbst, ein Abtrünniger, Verlorener.
Der Alte hatte ihn eines Tages von sich geschickt, zurück nach den Stätten der Geburt, der Heimat. Er war in das fremde Leben getreten, war darin gewandelt, ein Fremder unter Fremden. Einer! Das Schicksal ging seine Wege, unbegreiflich für Menschenherzen. Einer hatte ihn, den Träger, den Boten des Schicksals, vom Tode gerettet. Dieser war sein Freund geworden, war es geblieben. Würde es bleiben bis zur letzten Stunde.
Freundschaftsdienst war es, den er jenem erwies, als er die Schicksalsmacht benutzte, um ihm zu helfen, als der die Frau suchte, nach der sein Herz schrie. Er hob das Atoll. Ein kleines Spiel war das für ihn. Aber hatte er die Macht nicht mißbraucht?
Sein Auge ging zu dem leuchtenden Bild an der Wand. Das verschwand. Die Fläche des Kanals erschien, wie sie das optische Bild gab. Da fuhr er, der Freund! Mit der Geretteten. Ein glücklicher Mensch, glückselig im Besitz dessen, was sein Herz wünschte. Würde er seiner jetzt noch so gedenken wie früher? Würde er nun ganz allein stehen auf der Erde? Ohne Liebe, ohne Freundschaft? Das Schicksal, wollte es auch das?
Das U-Boot hatte den Kanal hinter sich. Ans Werk! Eine Stimme im Innern rief es ihm zu.
»Mein Werk!« Er deckte beide Augen mit den Händen, saß, sammelte sich zur Tat. Er trat zum Tisch. Vor ihm gleißte der silberne Glanz des Tokschors. Er ergriff ihn, drückte ihn an seine Brust. Dann berührten seine Finger den Apparat. Die Augen glitten von ihm zu dem Bild an der Wand und wieder zurück. Die Tiefen der Erde taten sich vor ihm auf.
Ein letzter Hebelgriff am Apparat. Dessen Kräfte, frei werdend, begannen zu spielen. Hunderte Kilometer tief unter der Sohle des Kanals arbeiteten sie. Die trägen Simamassen gerieten in Bewegung. Sie pflanzten sich fort nach allen Seiten. Die Massen dehnten sich aus, wurden leichter in der Ausdehnung, strebten, Ausweg suchend, nach oben, hoben die Decke, sprengten sie. Sie barst. Die Sialmassen zerrissen, wichen dem Druck. Die Erdrinde kochte. Die eingesprengten Magmamassen, dem Druck folgend, öffneten ihre Arme dem einströmenden Wasser. Wasser und Feuer, sich verbindend zu unheilschwangerer Ehe. Hoch auf flog der dampfende Gischt. Die Erschütterungen der Explosion, kreisend, zitternd nach allen Seiten, stürzend das, was noch von früher her stand auf den Zungen des Isthmus.
Der Isthmus, mitgetroffen, mitgerissen von den unterirdischen Kräften, strebte zitternd, bebend zur Höhe. Berge taumelten, in sich zusammenstürzend. Das Bild des Isthmus, schon einmal durch die Eruption bei der Kanalsprengung verändert, zerstört, zeigte jetzt erneut ein Chaos.
Menschenleben – das Rad des Schicksals rollte darüber hinweg.
Menschenleben. Der, dessen Hand den Strahler lenkte, sah sie untergehen. Sah es, und die schmale Gestalt sank zusammen unter der Last des Unheils, des Schicksals. Die Hände ließen ab. Er sank auf einen Stuhl, barg sein Gesicht in den Händen. In seiner Seele schrie es:
»Zuviel! Du Schicksal!«
Und dann war es ihm, als stünde er neben ihm, der Alte. Er legte die Hände über seine Stirn, strich darüber. Dessen Mund flüsterte Worte in sein Ohr. Die Worte von einst, tausendmal hatte er sie gehört dort drüben. Er richtete sich auf und starrte um sich. Der Tokschor! Er war in seiner Hand, seine Finger hatten ihn umklammert.
Schicksal! Die Hände glitten wieder zum Strahler, bewegten seine Kräfte.
Der Kanal! Der Isthmus! Hoch … höher als je! Die Sohle des Kanals wasserlos! Ein steiniger Pfad von Norden nach Süden.
Er schreckte