»Sein Schicksal ist mit dem unseren verknüpft. Es wird sich zu seiner Zeit erfüllen … Noch ist die Stunde nicht gekommen. Sein Geschick ereilt ihn, wenn der Augenblick kommt … Er ist ein Werkzeug des Schicksals wie wir. Das Ziel wird erreicht werden … von uns … durch ihn … Wenn der Tag kommt, wird sich sein Schicksal vollenden …«
Atma sank in stilles Sinnen zurück. Erik Truwor nahm seinen Platz am Tisch ein und betrachtete den Apparat. Seine Erregung ließ nach.
»Was kannst du mit dem Strahler hier machen?«
Silvester Bursfeld ging wieder in seinem Problem auf. Nur als Physiker und Ingenieur sprach er weiter:
»Mit dieser kleinen Apparatur kann ich die telenergetische Konzentration von zehntausend Kilowatt bewirken. Für größere Energiemengen muß der Apparat größer werden.«
Erik Truwor ergriff ein Glas und beobachtete den Bergkamm auf der anderen Seite des Elf.
»Siehst du die einzelne Tanne über dem Trollstein?«
Silvester nahm das Glas. »Sie ist unverkennbar.«
»Kannst du sie verbrennen?«
Ein Lächeln ging über die Züge Silvesters.
»Wenn die Tanne in Kanada stünde, wäre es noch möglich. So ist es …« Er hatte während der Worte das Kästchen gerückt und ein paar Knöpfe gedreht.
Erik Truwor sah durch das Glas über den Fluß, sah, wie blauer Rauch aus der Tannenkrone aufstieg und helle Flammen aus dem Stamme aufloderten. Nach zwanzig Sekunden brannte der Baum lichterloh. Nach einer Minute war er verschwunden, in ein winziges unsichtbares Aschenhäufchen verwandelt. Aber das Feuer hatte weiter gegriffen. Auch die Kronen der benachbarten Bäume brannten. Im trockenen Juni konnte sich dort ein großer Waldbrand entwickeln. Erik Truwor sah die Gefahr.
»Der Wald brennt, Silvester. Kannst du des Feuers Herr werden?«
Silvester war in seinem Element.
»Eine gute Gelegenheit, um die Wirkung des Apparates auf den Luftdruck zu beobachten. Ich werde in einer senkrechten Linie über der brennenden Föhre Hitze konzentrieren. Die warme Luft muß mit Gewalt nach oben dringen. Kalte Luft muß von allen Seiten herbeiströmen. Der Sturm muß das Feuer löschen.«
Während er die Erklärung gab, drehte er an einem Schräubchen seines Apparates. Man konnte auch mit unbewaffnetem Auge bemerken, wie die Bäume auf dem Gebirgskamm von einem plötzlichen Sturm gepeitscht wurden. Wild bogen sich die Stämme. Hier und dort wurde eine Krone geknickt. Aber der Wirbelsturm blies den Brand glatt aus. Ein mäßiger Wind hätte das Feuer genährt. Dieser Zyklon pfiff so scharf durch das brennende Geäst, daß er die Flammen im Moment auslöschte, das rotglühende Holz abkühlte.
Eine Drehung am Schalter des Kästchens, und Ruhe herrschte wieder in der Natur. Nur der große, schwarze Brandfleck da weit drüben über dem Elf verriet, daß etwas Außergewöhnliches passiert war.
Erik Truwor hatte die theoretischen Auseinandersetzungen seines Freundes erfaßt. Er hatte nach dessen Aufzeichnungen den Apparat selbst bedient, um die Maschine von Sing-Sing zu sprengen. Und doch versetzte ihn die Wirkung wieder in tiefstes Staunen. Seine Gedanken gingen viel weiter als die des Erfinders. Silvester Bursfeld war Ingenieur und nur Ingenieur. Den reizte das physikalische Problem und seine Durchbildung. Erik Truwor umfaßte mit einem Blick die praktischen Möglichkeiten, die die Erfindung in sich barg.
Doch auch Erik Truwor war Techniker und rechnete. Zehntausend Kilowatt waren vernichtend für den einzelnen, den sie trafen. Aber sie bedeuteten nichts für hundert Millionen Menschen. Viel größere Apparate mußten zur Verfügung stehen. Viele Millionen von Kilowatt mußten auf seinen Wink an jedem Punkt der Erde wirksam werden. Nur dann würde er die Macht haben, von der die alte Weissagung des Tsongkapa sprach. Die Macht, alles Menschenleben auf Erden nach seinem Willen zu lenken.
Die Unterhaltung der nächsten Stunde wurde rein technisch geführt. Über die Abmessungen größerer Strahler. Über die Mittel zu ihrer Anfertigung. Über die Zeit, die ihre Herstellung gebrauchen würde.
Das alte Truworhaus war der geeignete Ort dafür. Sechs Jahrhunderte waren über sein Dach hingegangen. Zwei Stockwerke tief waren die geräumigen Keller in den Granit des Berges gesprengt. Meterstark die Umfassungsmauern der unteren Stockwerke aus den bei der Kellerhöhlung gewonnenen Granitbrocken gemauert. Die elektrische Leitung vom Kraftwerk des Elf brachte Licht, Wärme und Energie in jeder gewünschten Menge. Das Haus in seiner Abgelegenheit sollte die Werkstatt abgeben, in der Silvester seine Erfindung in großem Maßstabe ausführte. Nach dem unverrückbaren Willen Erik Truwors ausführen mußte.
Silvester Bursfeld hatte die Erfindung mit dem Eifer des Wissenschaftlers gemacht. Wie vielleicht auch ein Physiker eine Kanone erfinden kann, ohne an Schußwirkungen zu denken. Er hatte alle Erscheinungen der Konzentration ergründet, aber auf das genaue Zielen, das sichere Treffen vorläufig wenig Wert gelegt. Die energetische Seite des Problems interessierte seine Gelehrtennatur viel mehr als die praktische Anwendung.
Erik Truwor empfand diese Schwäche sofort. Empfand sie und zwang Silvester durch seine Forderungen und Fragen, nach einer Lösung zu suchen und sie zu finden. Wenigstens die Theorie auch eines genauen Zielens sofort zu entwickeln. Nur wenn man das entfernte Ziel sichtbar machen, die Wirkungen der Energie mit dem Auge verfolgen konnte, war die Macht der Waffe voll zur Wirksamkeit zu bringen.
Der Tatmensch zwang den Forscher zu harter, rastloser Arbeit, um die große Entdeckung noch größer zu gestalten, aus ihr das Machtmittel für seine weitreichenden Pläne zu formen. Und Silvester ließ sich zwingen. Für Stunden und Tage nahmen ihn die neuen Probleme und Lösungen so vollkommen gefangen, daß er alles andere darüber vergaß. Bis dann die Lösung gelungen war, bis sich die Nervenspannung löste und die unausbleibliche Reaktion eintrat.
Maitland Castle, der alte Stammsitz der Maitlands, beherbergte um die Zeit der Sommersonnenwende zahlreiche Gäste. Der alten englischen Sitte entsprechend, herrschte nur der Zwang der gemeinschaftlichen Hauptmahlzeit. Die übrige Zeit des Tages konnten die Gäste nach ihrem Belieben verwenden, und die Gastgeber nahmen die gleiche Freiheit für sich in Anspruch, die sie den Gästen gewährten. Sie tauchten einmal bei dieser oder jener Gruppe auf und zogen sich in ihre Privaträume zurück, sobald es ihnen gefiel.
Den dunklen Buchenweg, der schnurgerade von der Höhe des Schloßberges bis zum Gittertor am Ende des Parkes führte, kam Lady Diana Maitland entlang. Die Sonne war schon hinter den hohen Wipfeln der Bäume verschwunden. Es begann kühl zu werden.
Fröstelnd zog Lady Diana den leichten Seidenschal enger um die Schultern zusammen. Sie bog in einen Seitenweg ab, der durch ein Rosenrondell führte.
Von der anderen Seite kam ihr eine Gestalt entgegen, in der sie den Doktor Glossin zu erkennen glaubte. Unwillkürlich hemmte sie den Schritt. Ihr Gefühl riet ihr, einer Begegnung auszuweichen. Schon wollte sie stehenbleiben und sich zu der Allee zurückwenden. Doch der Gedanke, daß Dr. Glossin sie auch erkannt habe, gebot ihr, den Weg weiterzugehen, dessen Rand mit einer Einfassung der herrlichsten Rosenstöcke besetzt war.
Nun stand Dr. Glossin dicht bei ihr.
»Ich muß gestehen, Lady Diana, daß ich selten so schöne Rosen sah wie diese hier. Sie lieben Rosen?«
»Sehr, Herr Doktor. Doch ihr Anblick ist mir lieber als ihr Geruch. Im Zimmer stört mich der berauschende Duft.«
»Oh, wie schade um die unzähligen Rosenspenden, die Ihnen allabendlich zu Füßen flogen, als Sie in der Metropolitan-Opera die Zuhörer entzückten.«
Lady Diana brach eine Rose und steckte sie in ihren Gürtel, ohne die Frage zu beantworten. Sie sprach wohl selbst gelegentlich von ihrem früheren Bühnenleben, aber sie liebte es nicht, von anderen daran erinnert zu werden.
Dr. Glossin schien den Wink nicht zu verstehen.
»Die Stunden, in denen ich Ihrer unvergleichlichen Stimme lauschen durfte, gehören zu den schönsten meines Lebens. In besonderer Erinnerung