Gesammelte Werke. Ernst Wichert. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ernst Wichert
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027237517
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brachte er ein Brot und eine Kanne Met herauf. Stärkt Euch, sagte er, es reicht für uns beide. An bescheidene Kost werdet Ihr Euch wohl in der Marienburg gewöhnt haben, denk ich.

      Hans griff zu. Noch eine Frage aber. Wißt Ihr nichts von meiner Stiefmutter und Schwester?

      Nicht das mindeste, Junker. Sie haben sich um Buchwalde gar nicht mehr gekümmert. Was hätt's auch geholfen?

      Ob ein Bote nach Sczanowo durchkäme?

      Wo denkt Ihr hin? Die Grenze ist dicht besetzt mit polnischem Volk, und alles, was von Preußen kommt, wird angehalten und aufgeknüpft.

      So müssen wir den Friedensschluß abwarten. Er stand auf und reichte dem Alten die Hand hin. Lebt wohl! Ich reite nach der Engelsburg zurück.

      Und wann gedenkt Ihr mich abzulösen? fragte Gundrat, ohne einzuschlagen.

      Hans sah ihn verwundert an. Abzulösen? Seid Ihr Eures Verwalteramtes so müde?

      Gründlich, Junker. Ich sehne mich wieder in meinen Wald zurück und habe noch die Hütte zum Winter auszubessern.

      Ah, ich lasse Euch nicht mehr vom Gutshofe fort! Ihr habt nun gezeigt, daß Ihr zu etwas Besserem taugt als zum Eremiten.

      Gundrat schüttelte den Kopf. Das versteht Ihr nicht, übrigens meine ich, habt Ihr den Kreuzherren schon mehr gedient, als Eure Pflicht und Schuldigkeit war. Der Hochmeister kann Euch nicht halten.

      Aber ich trenne mich ungern von ihm, Gundrat. Er kann jetzt jeden Arm brauchen, der ein Schwert zu schwingen vermag – und Ihr wißt nicht, was mich sonst noch …

      Ihr errötet wie des Pfarrers jüngstes Beichtkind. Nur heraus mit der Sprache! Was sonst noch?

      Ihr erinnert Euch des Junkers von Waldstein, Gundrat?

      Ei wohl!

      Er hat eine Schwester – und sie ist die Verwandte des Hochmeisters.

      Und Ihr, Junker –?

      Ich sage nichts weiter. Aber es wäre mir lieb, wenn der Hochmeister auch ferner ein Auge auf mich hätte.

      Der Alte stützte den Kopf in die Hand. Es wird sich dazu wohl noch Gelegenheit ergeben, äußerte er nach einer Weile, wenn der Krieg wieder losbricht. Jetzt seid Ihr nötiger hier auf Eurem Hofe als unter des Hochmeisters Dienerschaft. Ihr müßt Haus und Stall wieder aufrichten, Eure Äcker bestellen und für Eure Bauern und Knechte sorgen. Überall fehlt der Herr. Und wenn Ihr an eine Hausfrau denkt –

      Das steht in weitem Felde –

      Mag sein. Aber Haus und Hof muß doch erst in Ordnung. Überlegt's also, Junker. Kommt Ihr aber in acht Tagen nicht selbst, so schickt einen andern, dem ich Euer Hab und Gut übergebe. Auf mich rechnet nicht weiter.

      Zu einer gefälligeren Antwort ließ er sich nicht bewegen, und so ritt Hans von der Buche denn fort, über sich selbst ärgerlich, daß er seinen Besuch nicht aufgeschoben hatte.

      Unterwegs aber ging ihm doch durch den Kopf, was der Alte wohlmeinend gesprochen hatte. Er konnte jetzt dem Hochmeister wenig nützen, war nur in seinem Hofhalt ein Kostgänger mehr. Zu Hause aber gab's viel zu tun, den Kriegsschaden auszugleichen, und was in den nächsten Wochen versäumt wurde, war für das ganze Jahr versäumt.

      Es mußten auch die Mittel zur Kriegsrüstung im folgenden Frühjahre beschafft werden, und er durfte nicht hinter den Nachbarn zurückbleiben, die wahrscheinlich gleich nach Abzug des Feindes mit dem Wiederaufbau ihrer Höfe begonnen hatten. Als er gegen Abend in die Engelsburg einritt, war er schon entschlossen, beim Hochmeister einen längeren Urlaub nachzusuchen.

      Zu diesem Zwecke meldete er sich am nächsten Morgen beim Hauskomtur und wurde ohne Schwierigkeit zu Plauen eingelassen. Der Hochmeister saß in dem hochgelegenen Gemach, das für das Oberhaupt der Brüderschaft eingerichtet war, in der tiefen Fensternische an einem Tische, auf dem viel Briefschaften lagen. Er beschäftigte sich aber nicht mit denselben, sondern hatte den Stuhl dicht an das Fenster gerückt, einen Flügel geöffnet und auf die weite Landschaft hinabgeschaut.

      In kurzer Entfernung lag das Dorf Okonin, jetzt vom Feinde arg mitgenommen. Nahe hinter demselben begann der Wald, anfangs noch unterbrochen durch Ackerpläne und Wiesen, bald dichter und geschlossener, so daß ihn das Auge bis zum Horizont hin nicht mehr verlor. Er leuchtete in seinem goldgelben Herbstschmuck; hier und dort aber hob sich eine dunkle Tanne über das Laubholz hervor.

      Hans von der Buche brachte sein Anliegen bescheiden vor und nannte seine Gründe.

      Ich kann Euch nicht halten, antwortete der Meister; aber vergeßt mir Euer Versprechen des Wiederkommens nicht. Es könnte sein, daß ich bald ungern auch den einzelnen Mann vermisse. Wo liegt Buchwalde?

      Zwischen hier und Rheden, gnädiger Herr, naher gegen Rheden.

      Wie groß ist Euer Besitz?

      Hans gab Auskunft. Der Hochmeister zeigte in die Ferne hinaus. Der helle Streifen dort – was ist das?

      Der Melno-See, gnädiger Herr.

      Und der Wald diesseits gehört Euch?

      Ein großer Teil davon.

      Es fehlt darin wohl nicht an allerhand jagdbarem Wild?

      Gewiß nicht, gnädiger Herr. Die Nachbarn klagen, daß dessen zuviel sei; die Äcker leiden darunter. Besonders die Hirsche –

      So wär's ein gutes Werk, zu jagen und die dreistesten Gesellen fortzuschießen.

      Seid Ihr ein Jäger?

      Dem Hochmeister blitzten die Augen. Die Jagd war meine Lust in der Jugend! Kaum ein anderes habe ich so schwer vermißt, seit ich in den Orden trat, als die Jagd. Sie ist den Rittern verboten, außer auf wildes Getier, das dem Lande Schaden bringt, Bären und Wölfe. Aber das ist keine Pirsch, wie sie der Weidmann liebt. Dem Hochmeister freilich ist eine Ausnahme erlaubt. Ah, wenn ich hier von der Höhe aus dem Fenster blicke über das Waldland, erinnert's mich an die Heimat! Wald – Wald und Wald, so weit das Auge reicht in dem lieben Thüringen, nur welliger und höher hinauf zu den Wolken, wenn auch nicht in die Wolken hinein. Er seufzte. Da gab's eine Jagd auf Edelwild!

      Hans von der Buche überlegte ein wenig. Ew. Gnaden sollten's einmal in unsern Wäldern versuchen, sagte er dann zögernd. Am Melno-See gibt's tiefe Schluchten; da täuscht man sich leicht in ein Hügelland hinein, und Bäume stehen dort, die sind älter als der Orden im Heiligen Lande.

      Beliebt's Ew. Gnaden, so benachrichtige ich meinen Waldmeister, und an Treibern soll's nicht fehlen.

      Ihr meint's gut, antwortete der Meister lächelnd. Und wahrlich, es bedarf nicht langen Zuredens! Mein Geist ist schlaff und mein Körper matt von der Arbeit am Schreibtische. Ein paar Atemzüge frischer Waldesluft würden mich wunderbar stärken und aufrichten. Wir wollen keine Jagd ansagen; die Zeit ist nicht dazu angetan, und das Landvolk hat Dringenderes zu tun, als uns einen Achtender zuzutreiben. Aber laßt uns die Pferde satteln und gebt einigen von meiner Dienerschaft Weisung, sich mit Armbrüsten und Spießen bereitzuhalten. Diese Briefe, die heute früh von Thorn anlangten, sind nicht auf der Stelle abzufertigen. Vielleicht weiß ich am Abend nach einem kräftigenden Waldritt besser, wie den Schwierigkeiten zu begegnen, die sich mir rings in den Weg legen. Wohlan denn, ich gebe Euch das Geleite!

      Der junge Gutsherr zeigte sich hocherfreut über diesen Entschluß und eilte fort, um die nötigen Vorbereitungen zu treffen. Draußen auf der Galerie fand er bei den Türhütern einen Bekannten aus der Marienburg, dem er dort freilich lieber ausgewichen war. Es war Liszek. Er trug jetzt ein neues Kleid von gutem Tuch und hatte Haar und Bart gestutzt. Ei, wie kommt Ihr hierher? fragte er, nicht angenehm überrascht. Ich bemerkte Euch bisher nicht unter des Herrn Hochmeisters Dienern.

      Bin auch erst seit gestern hier, antwortete der Bursche, sich demütig verbeugend. Hat nicht lange gefallen in weite Welt. Schlechte Zeit, Herr Junker, schlechte Zeit. Nichts zu essen zu Hause – Hof abgebrannt, Kuh fortgeführt, Knecht erschlagen. Bauer muß hungern. Pah, hungern schlechte Spaß! Lieber dienen bei großer Herrschaft. Bin ich gekommen nach Engelsburg und bieten