Gesammelte Werke. Ernst Wichert. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ernst Wichert
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027237517
Скачать книгу
zum Gruß, dann dessen Kumpan Arnold Hecht und dann den Herren vom Rat und von der Schöppenbank der Reihe nach. Sie schlossen um ihn einen Kreis, und er berichtete kurz, was geschehen war und welchen Fang sie gemacht hätten, unterließ auch nicht, die Namen der edlen Schiffsgäste zu nennen, deren hochherziger Tapferkeit man den Sieg verdankte.

      Konrad Letzkau stieg nun aufs Schiff und schüttelte dem braven Kapitän Halewat die Hand, der ihn barhaupt an der Spitze seiner Leute empfing. Er sagte ihm einige freundliche Worte, die dem alten Manne wohl zu gefallen schienen, und wandte sich dann an die Ritter. Euch, hochwürdige Herren, sprach er sie an, kann ich heute nur für meine Person und im Namen derer vom Rat, die sich zufällig zusammenfanden, für eure treue Hilfe danken. Morgen sollt ihr von unserm Rathause aus besseren Dank erfahren. Ich höre, daß einer eurer Brüder im Kampf gefallen ist – uns allen ein schmerzlicher Verlust. Habt ihr doch aber euer Leben Gott gelobt zu guten Werken und mannhafter Tat; hoffen wir also, daß er's am Jüngsten Tage diesem edlen Ritter zu seinen Gunsten anrechnen wird, zum Schutz der Bürger sein Blut willig vergossen zu haben. Ich bitt euch, gebt mir eure Hand.

      Nun begrüßte er die beiden Junker, nicht so feierlich, aber mit herzlichen Worten. Euren Vater, Herrn Arnd von der Buche, den wackeren Eidechsenritter, kenne ich gar wohl, sagte er zu Hans, und sein Sohn wäre auch ohnedies meinem Hause allezeit willkommen gewesen. Aber es freut mich, daß ihr euch so noch ein besonderes Recht auf unsere Liebe erworben habt. Und Ihr, Junker, wandte er sich zu Heinz, habt an diesem frohen Siege nicht den kleinsten Teil, wie ich vernehme. Das soll Euch unvergessen sein, solange ich lebe. Ich hoffe, wir werden uns in nächster Zeit noch besser kennenlernen. Folgt mir jetzt in eure Quartiere.

      Darauf sprach er mit lauterer Stimme, daß es auf dem ganzen Schiff und auch unten auf dem Bollwerk hörbar war: Die Schiffskinder, die in diesem ehrenhaften Kampf ihr Leben gelassen haben, sollen auf Stadtkosten feierlich zur Erde bestattet werden. Die Leiber der gefallenen Räuber sind dem Nachrichter zu übergeben, daß er sie an der Richtstätte in die Grube werfe. Die Gefangenen werden wir morgen dem Rat vorführen lassen zum ersten Verhör; für diese Nacht sind sie in Ketten zu legen und im Turme aufzubewahren. Sie sind niedergeworfen auf einem Danziger Schiff, das ist also auf Danziger Grund und Boden: die Stadt Danzig hat deshalb das Gericht über sie, und sie sollen ihrer Strafe nicht entgehen.

      Damit verließ er das Schiff, während die Menge in ein jubelndes Hoch ausbrach, in das drüben die Schiffsleute und Speicherarbeiter einstimmten.

      Die beiden Freunde folgten, nachdem sie sich vom Kapitän verabschiedet hatten. Barthel Groß, Frau Anna am Arm führend, trat sogleich auf sie zu und sagte: Ihr dürft mir's nicht abschlagen, werte Herren, meine Gäste zu sein, solange es euch gefällt, in unserer Stadt zu verweilen. Meine Hausfrau will's nicht leiden, daß ihr fremde Herberge nehmt.

      Das bestätigte Frau Anna und fügte auch ihrerseits noch eine freundliche Bitte hinzu. Hans von der Buche ließ sich gern bereden, Heinz aber bat höflich, ihn zu entschuldigen. Er sei von seinem edlen Herrn, dem Vogt zu Plauen, an die Brüder vom Deutschen Orden gewiesen und müsse sich zu ihren Schlössern halten. Morgen in der Frühe aber gedenke er nach der Stadt zu kommen und werde an seines Freundes Herberge nicht vorübergehen. Das mußte man wohl gelten lassen.

      Es war inzwischen ganz dunkel geworden. Eben, als man aufbrechen wollte, bewegte sich durch das Koggentor ein feierlicher Zug heran. Sechs Knechte vom Ordenshause trugen eine schwarze Bahre; sechs andere, Fackeln tragend, folgten nach, voran aber schritt der Hauskomtur mit vier Priesterbrüdern in langen, weißen Gewändern. Zu ihnen gesellten sich die beiden Ritter, die Leiche des dritten wurde vom Schiff herabgetragen, auf die Bahre gelegt und mit einem weißen, schwarz bekreuzten Mantel zugedeckt. Der Hauskomtur nahm Schwert und Helm in Empfang. Dann leuchteten die Fackelträger voran in die Stadt hinein. Heinz wechselte einige Worte mit dem Hauskomtur und schloß sich auf sein Geheiß dem Zuge an.

      Unter dem Läuten eines Glöckchens, das einer der Priesterbrüder trug, bewegte er sich in langsamem Schritt über den Langen Markt, am Rathause und dann, rechts in enge Gäßchen einbiegend, an der Marienkirche vorbei, dem Damme zu, der geradeaus nach dem Haustor führte. Dieser war durch das Sumpfland geschüttet worden, um eine Verbindung mit dem Schlosse zu haben, jetzt aber längst auf beiden Seiten mit stattlichen Häusern besetzt, aus deren kleinen Fensteröffnungen nun überall Neugierige hinausschauten. Das Haustor in der Stadtmauer wurde vom Wächter geöffnet und gleich wieder geschlossen. Über den Graben hin gelangte man in die zur Altstadt Danzig gehörige Burgstraße, passierte eine Palisadenbefestigung, die sich weiterhin der Mauer der Rechtstadt anschloß, durchschritt das Hakelwerk mit seinen niedrigen Fischerhäuschen und machte vor dem Haupttor der Burg halt. Hier kamen über die Brücke die Konventsbrüder, den Komtur Johann von Schönfels an der Spitze, ihnen entgegen und geleiteten die Leiche über den von Fackeln erhellten, viereckigen Burghof nach der Kapelle. Dort wurde die Leiche, während die Glocken läuteten, am Altar niedergesetzt. Die Priesterbrüder stimmten einen getragenen Gesang an, und jeder sprach kniend ein Gebet.

      Der Hauskomtur übergab Heinz einem von den älteren Brüdern. Derselbe führte ihn in eine Schlafzelle hinauf, in der zwei Betten standen, und sagte ihm, daß er für die Nacht sein Gast sei. Er wolle sich beim Kellermeister auch noch um eine Kanne Wein bemühen, aber der Junker versicherte, nur der Ruhe bedürftig zu sein. Seine zum Glück nur leichten Wunden kühlte er selbst mit Wasser. Dann warf er sich auf den Strohsack in der Bettstelle, deckte sich mit dem wollenen Mantel zu, der darübergebreitet war, und schlief bald fest ein.

      Er wachte erst auf, als die Sonne schon über die hohen Dächer schien. Auf dem Tische in der Fensternische stand für ihn ein Krug Bier und eine zinnerne Schüssel mit Brot, Butter, Käse und Rauchfleisch. Er ließ sich's gut schmecken.

      Bald kam auch sein Wirt, der zur Tertie um neun Uhr in der Kirche gewesen war, wie es die Ordensregel vorschrieb. Es geht nicht allzu streng bei uns zu, versicherte er, sich bei dem Mahl beteiligend. Wir wechseln in den Gezeiten ab, und ein alter Mann wie ich mag die Prime um sechs Uhr früh allenfalls verschlafen. Man hat mir auch, wie Ihr sehet, ein weiches Federbett über dem Strohsack gestattet, und mittags, wenn Ihr bei uns zu Gast bleiben wollt, werdet Ihr an der Firmarietafel manchen sitzen finden, der nicht gerade krank ist. Der Komtur hält selbst nicht viel von klösterlicher Zucht und läßt seinem Leibe nichts abgehen. Da darf er's dann auch nicht zu genau nehmen, wenn die Brüder ein wenig von der Regel abweichen. Das Leben hier im Hause ist doch schon kümmerlich genug, und mit den Jahren trägt sich die Last des Gelübdes immer schwerer. Dafür freilich sind wir die Herren im Lande, ob der einzelne schon kein Eigengut haben soll. Auch das ist allerdings nicht gerade wörtlich zu nehmen, setzte er lächelnd hinzu. Er öffnete einen kleinen Wandschrank und zeigte einige silberne Becher und sonstiges Silberzeug vor. Das habe ich zum Geschenk erhalten, als ich Pfleger in Lauenburg war, und im Marstall steht mein eigen Pferd, das ich von dort mitgebracht habe. Der Futtermeister gibt ihm den Hafer wie den anderen.

      Da der alte Herr so redselig war, durfte Heinz sich wohl erlauben, ihn ein wenig über seine jetzige Umgebung auszufragen.

      Wir haben hier im Hause zu Danzig drei Konvente, teilte der Alte mit, jeden zu acht Ritter- und vier Priesterbrüdern. Vollzählig sind sie selten, und zur Zeit hat der Herr Hochmeister einen Teil nach der Marienburg einberufen, bei den Kriegsrüstungen zu helfen. Auch sonst wohnen nicht alle im Hause selbst: der eine ist Pfleger zu Lauenburg, der andere Pfleger zu Mirchau; ein Waldmeister hat sein Quartier zu Zulmin, von wo wir auch unsern Honig beziehen, und ein Fischmeister zu Putzig, der sorgt dafür, daß wir in den Fasten wenigstens stets frische Fische zur Kost haben. Viel Vieh, und Ackerwirtschaft gibt's bei diesem Hause auf den Vorwerken nicht zu beaufsichtigen, wenn ich den Hof zu Zippelow ausnehme, der vor einigen Jahren an die Stelle des alten Danziger Viehhofs getreten ist. Doch mögen wohl außer den Konventspferden vierzig oder fünfzig Hauspferde auf den schönen Wiesen an der Weichsel ihre reichliche Nahrung finden. Wichtig ist des Mündemeisters Amt, und wer von den Brüdern sonst zur Aufsicht über Schiffahrt und Handel gesetzt ist, mag sich über zuwenig Arbeit nicht zu beschweren haben. Denn die Danziger – ich meine die von der Rechtstadt – haben krause Köpfe, und es geschieht ihnen selten etwas zu Dank. Am liebsten möchten sie wohl selbst die Herren sein.

      Heinz bat, ihn zu rechter Zeit zum Komtur zu führen, damit er ihm nach Gebühr aufwarte. Es sei gerade die günstige