Bald nachher begegnete James Hind zwischen Petersfield und Portsmouth einem Wagen voll Damen. Er reitet auf den Kutschenschlag zu, lüftet den Hut und erklärt den Damen, er sei ein Ritter, in Wehr und Waffen für die Verteidigung des schönen Geschlechts; besonders aber sei er in diesem Augenblick auf Reisen, um die harten Widerwärtigkeiten zu bekämpfen, welche seine eigene Geliebte und Gebieterin gefährdeten. »Und deshalb, Myladies,« schloß er, »sehe ich mich in die Notwendigkeit versetzt, einige Unterstützung einzusammeln; denn in diesen teuern Zeiten kosten auch die Abenteuer Geld.«
Die jungen Damen, wohlbewandert in der Lektüre der Zeit, dachten nicht anders, als einen neuen Don Quijote oder gar einen Amadis von Gallien vor sich zu sehen und waren sehr entzückt, daß sich die gute alte Zeit in der schweren und trüben der Gegenwart wiederhole.
»Edler Ritter,« antwortete ihm die Munterste aus dem Wagen, »wir sind außerordentlich erfreut, einem so edeln Paladin zu begegnen, und unsere Wünsche sollen Euch begleiten; aber es tut uns sehr leid, geben können wir nichts; denn was wir bei uns haben, das ist ein heiliges Unterpfand, und gerade nach den Gesetzen Eures Ordens darf es nicht angerührt werden.«
Der Kapitän lächelte und gestand später, die Antwort hatte ihm so wohlgefallen, daß er die Damen gern ohne Brandschatzung ihres Weges hätte ziehen lassen, wenn er nicht gerade damals zu sehr des Geldes bedurft hätte.
»Ihr holdseligen Frauen,« rief er, »würdigt mich, zu wissen, worin dieses heilige Unterpfand besteht; denn gerade die unverbrüchlichen Gesetze der irrenden Ritterschaft zwingen mich, daß ich es unter meinen Schutz nehme. Ihr werdet mir nämlich zugeben, daß ich es besser zu verteidigen weiß, wenn ihm Gefahr droht, als zarte Frauen, die irgendein ungalanter Räuber anfällt.«
Das muntere Mädchen glaubte wirklich, es stecke dahinter nur eine artige Neckerei, und antwortete ihm mit mehr Anmut als Klugheit, daß dies Unterpfand in nicht weniger als dreitausend Pfund Sterling bestehe, welche eine der mit anwesenden Damen als Mitgift einem andern Ritter zutrage, welcher das Glück gehabt, durch einige kühne Dienste die Gunst der edeln Lady zu erwerben.
»Meine volle Achtung, holde Damen, diesem vortrefflichen Ritter«, rief rasch der Wegelagerer; »sagt ihm, inständigst bitte ich euch darum, daß mein Name Kapitän Hind ist, sagt ihm auch, daß ich ohne die allerdringendste Notwendigkeit niemals dieses Hochzeitsgeschenk angerührt hätte, welches gewiß, angesehen seiner ritterlichen Verdienste, nur sehr gering ist; sagt ihm aber auch, wie ich heilig gelobe, die Summe nur allein zur Verteidigung der gekränkten Liebe und zur Unterstützung der irrenden Ritterschaft zu verwenden,«
Die Damen erblaßten. Ihr Mutwille war hin. In ganz England war niemand, welcher nicht den Kapitän Hind kannte. An Widerstand war nun kein Gedanke mehr. Sie wollten vor ihm zu Füßen fallen, aber er bat sie auf höflichste Weise, sich ja nicht zu beunruhigen; von ihm hätten sie nichts zu besorgen, und um ihrer Liebenswürdigkeit willen wolle er sich mit dem Drittel der Summe begnügen. Die Damen waren nun wieder entzückt, James Hind wurde wieder in ihren Augen zum wahren Ritter. Er empfing aus ihren Händen mit der liebenswürdigsten Miene einen Beutel mit tausend Pfund Sterling und wünschte ihnen alles Glück auf die Reise, zumal aber mit lächelnder Miene der holden Verlobten auf die längere und gefährlichere, welche sie anzutreten im Begriff war.
Ein wie außerordentlicher Räuber James Hind auch sonst war, in einem Punkte unterschied er sich nicht von seinen Standesgenossen: er gab ebenso schnell aus, als er verdiente, und trotz seinem glücklichen Geschäfte befand er sich oft in der äußersten Verlegenheit. Die Verfolgungen gegen ihn wurden einst sehr heftig; er mußte sich versteckt halten und litt dabei großen Mangel. Freilich hätte es bei seinem Glücke nur einiger nächtlicher Ausflüge bedurft, aber die Not hatte ihm gezwungen, auch sein Pferd zu verkaufen, und er mochte seinen Ruf und sein Ansehen nicht aufs Spiel setzen, indem er als ein gemeiner Schnapphahn zu Fuß hinter einem Strauche lagerte. Er rief daher die List zu Hilfe.
Am äußersten Ende eines Dorfes hatte er ein kleines verfallenes Haus gemietet, welches ihm als Asyl diente. Durch seine Kundschafter in Kenntnis gesetzt, daß ein berühmter Arzt beim Heimwege von einer vornehmen Patientin des Weges kommen werde, erwartete er ihn an der Schwelle und stürzte ihm händeringend entgegen, sobald der Reiter sich der Hütte näherte. Er flehte ihn an, nur zwei, drei Minuten seiner armen kranken Frau zu schenken, die dermaßen an Ausleerungen litte, daß es außer seiner Macht stände, sie zu hemmen. Der Arzt, reich belohnt von der alten Dame, welche er eben verlassen, fühlte sich von der Not des unglücklichen Ehemannes gerührt und stieg sogleich ab, um, was in seinen Kräften sei, ihm zu helfen.
Das Pferd wird unten angebunden, der Arzt eine enge, steile Treppe hinaufgeführt. James schließt rasch die Tür, und während jener sich noch vergebens nach dem Bette der Kranken umsieht, tritt dieser ihm, in der einen Hand eine Pistole, in der anderen einen leeren Geldbeutel, entgegen. »Dies, Master, ist meine Frau«, spricht er, ihm die Börse vorhaltend; »sie braucht dringend Eurer Hilfe, denn ihre Ausleerung ist von der Art, wie Ihr seht, daß gar nichts drinblieb. In Euren Taschen, weiß ich, habt Ihr ein untrügliches Universalmittel. Wenn Ihr zu helfen zaudert oder nur ein Wort dagegen sprecht, so soll Euch dieses Instrument auf der Stelle von allen Kopfschmerzen heilen, die Ihr jemals bekommen werdet.«
Der Arzt, in der Diagnose wohl bewandert, erkannte den richtigen Zustand, in dem er sich befand, und das einzige Mittel, das hier half. Er zog vierzig Guineen aus der Tasche und steckte sie schweigend in die Börse des Räubers. James verbeugte sich lächelnd, wünschte ihm eine gute Gesundheit und erklärte ihm, daß er ihm zur Entschädigung für das empfangene Geld sein ganzes Haus mit allem Anrecht darauf zurücklasse. Dann schloß er den Doktor in das Zimmer ein, stürzte die Treppe hinunter und schwang sich auf das angebundene Roß, mit dem er in andere Gegenden fortsprengte, wo er zur Zeit noch minder bekannt war.
Andere Berichte aus dieser Zeit rühmen seine Großmut, mit der er die Reisenden behandelte, welche ihr Unstern in seine Hände führte. Besonders zart und mildtätig bewies er sich gegen Arme und auch gegen solche, von denen er nicht glaubte, daß sie gerade in Überfluß lebten. Davon hat man zahllose Beispiele.
Einstmals, gerade als er wieder durch seine Verschwendung in die äußerste Dürftigkeit geraten war, lag er auf der Lauer. Ein alter Mann kam langsam auf einem Esel des Weges. Er trat auf ihn zu und fragte ihn freundlich, wohin er gehe.
»Nach dem Markt von Wantage«, war die Antwort. »Ich will mir eine Kuh kaufen, um Milch zu haben für meine Kinder.«
»Wieviel Kinder habt Ihr?« fragte Kapitän Hind.
»Ihrer zehn, Herr!«
»Und wieviel meint ihr nötig zu haben, um die Kuh zu kaufen?«
»Vierzig Schilling; gerade was ich mir seit zwei Jahren zurückgelegt.«
James Hind fühlte sich gerührt und mußte doch zugleich über die Einfalt des Menschen lachen. Schon wollte er von ihm ablassen, als ihm seine eigene Lage wieder deutlich aufstieg. Er mußte durchaus Geld haben, und er überdachte ein Auskunftsmittel, sein Gewissen und seine Bedürfnisse zugleich zu befriedigen.
»Hört mich an«, sprach er. »Ich bedarf jetzt des Geldes, welches Ihr da bei Euch führt. Aber Eure Kinder sollen darum doch die Milch nicht einbüßen. Sie müssen doch leben. Ich bin James Hind. Willigt Ihr in den Pakt, so gebt mir heute Eure vierzig Schilling, heute über acht Tage stellt Ihr Euch wieder hier ein und empfangt dann achtzig Schilling dafür. Nur eine Bedingung ist dabei: Ihr sagt zu niemandem auf der Welt eine Silbe von dem, was hier zwischen uns vorgeht. Sind die acht Tage um, so sollt Ihr es ausschreien können, wie es Euch beliebt.«
Der Handel ward geschlossen. Der Alte stellte sich nach acht Tagen ein, und der Räuber fehlte nicht. Er zahlte ihm nicht allein die Summe, um sich zwei Kühe, sondern noch obendrein zwanzig Schilling, um sich auf dem Markte, was ihm gefiele, zu kaufen.
Wie oft James Hind auch mit der Pistole in der Hand seinen Opfern den Tod drohte, hatte er doch eine außerordentliche Scheu davor, Blut zu vergießen. Wer aber einmal auf dem Pfade des Verbrechens sich befindet, wird von der Konsequenz fortgerissen und kann nicht willkürlich