ABIMELECH:
Tod den Verrätern! Rache an Assur!
PASHUR:
Gott hat ihn gefällt!
HANANJA:
Gott hat ihn gefällt! Sein Blitz ist über den Leugner gefahren!
DIE MENGE (nach dem kurzen Erschrecken wieder emporschäumend und in die Säulenhalle des Palastes flutend): Zum Könige… Israel über alle Völker… Krieg… Krieg mit Assur… nieder mit den Verrätern… zum Könige… Gott mit uns… Gott mit uns… nieder mit Assur… Freiheit… Freiheit…
(DIE MENGE strömt jauchzend in die Halle.)
(JEREMIAS ist am Stufenrande ohnmächtig liegen geblieben, ohne daß einer seiner achtete. Der Sturm der andern flutet über ihn hinweg. Wie die Woge des Volkes verbrandet, bleibt er zurück wie ein ausgeworfenes Stück Leben in den Steinen.) (BARUCH, der für einen Augenblick aus seinem Erschrecken von der Menge mitgerissen war, arbeitet sich wieder aus der Flut heraus. Er tritt langsam, wie von innerer Macht gezwungen, an den Ohnmächtigen heran, beugt sich über ihn, betastet seine Stirne und horcht nach seinem Atem.)
BARUCH:
Jeremias… sprich, Jeremias… wenn noch Leben in dir ist!
(BARUCH richtet den Betäubten halb auf von den Stufen.)
JEREMIAS (mit geschlossenen Augen, aus der Dumpfheit der Sinne):
Die feurige Wolke ist gefallen… es brennt… es brennt… Feuer über der Stadt… es brennet uns an… wehe… wehe…
BARUCH:
Halte still, daß ich dir das Blut von den Augen wische… still…
JEREMIAS (die Augen aufschlagend):
Wo… wo bin ich… wer… wer bist du…
BARUCH:
Halte dich still und laß deiner warten…
JEREMIAS:
Wer… wer bist du…
BARUCH:
Nicht krampfe dich auf, laß das Blut dir stillen…
JEREMIAS:
Lasse mich… lasse mich… ich kenne dein Antlitz… aus deiner Stimme fuhr Haß wider mich… deine Augen brannten mich an… ich kenne dich… warst du es nicht…
BARUCH:
Ich war es, der im Zorne wider dich schlug, doch flach fiel mein Schwert, und lieb ist mir dies, denn wider einen Waffenlosen hab ich geschlagen. Sühngeld will ich bieten für dein Blut… laß es mich stillen…
JEREMIAS:
Laß es fließen, laß es fließen… oh, daß einzig das meine strömte in Jerusalem… (sich aufrichtend): Wo… wo sind die andern… das Volk, wo… leer die Straße… der Markt… ah… im Palaste schon… bei dem König, daß sie ihn zwingen… wo… wo sind sie…
BARUCH:
Beruhige dich…
JEREMIAS:
Fort sind sie… zu spät… Fluch über dich, Fluch über dich, daß du mich fälltest… daß du brachst meine Knie… Oh Mörder mehr, als wenn du mich schlugest… nicht mein Blut hast du gemordet, aller in Israels Blut… nicht mich hast du gemordet, aber Zion hast du gebrochen… Zion zerstört… den Wächter hast du getötet, und sie wüten im Heiligtum des Herrn… auf… auf… laß mich… weg, du Mörder Israels…
BARUCH:
Was willst du?
JEREMIAS (fiebrig):
Auf… hilf mir auf… Du hast mich gefällt, so hilf mir empor… auf… raffe mich hoch… vielleicht ist es noch Zeit…
(JAUCHZEN von fern aus dem Palast.)
JEREMIAS (aufschreiend):
Ah… ah… ihr Jubel ist Tod, ihre Freude Vernichtung… zu spät wird es… ich muß… ich muß… warnen… auf, um Jerusalems willen… stütze mich… ich muß zu ihm… es ruft mich… es ruft…
BARUCH (verwirrt):
Was willst du? Noch beben deine Knie…
JEREMIAS:
Wider Hananja, wider Pashur, wider die Lockvögel des Krieges, wider das Volk… hilf mir auf… ich muß schreien das Friedenswort, ich muß es gellen in die Ohren der Vertaubten… auf… auf…
BARUCH (erstaunt):
Noch einmal willst du… noch einmal allein wider das Volk… in deinen Tod stürzest du dich…
JEREMIAS:
Und hätte ich sieben Leben, siebenmal will ich geben für Jerusalem und Gottes Frieden… so hilf mir… hilf mir für mein vergossen Blut… noch dunkeln mir die Sinne… hilf… es gilt Jerusalem…
BARUCH (schaudernd):
Noch einmal willst du… noch einmal allein gegen alle… mächtig ist die Gewalt, die dich treibt, Jeremias… ich habe dich gesehen unter meinem Schwert, und dein Auge war klar… Jeremias… einen Feigen habe ich dich geschmäht und einen Weichling vor dem Volke… Doch ich sehe, daß du stark bist in deinem Willen wider den Tod… Jeremias… ein Gewaltiges kündest du mir…
JEREMIAS:
Wenn du mich ehrest, so hilf mir… auf, stütze mich, daß ich wider sie schreite… daß ich rette Zion vor dem Verderben…
BARUCH (ihn stützend):
Ich… helfe dir… Jeremias… wider meinen Willen und meinen Glauben… denn Macht ist in dir, die mich zwingt… wie heiß dein Auge brennt im Willen… Einen Schwachen und Scheuen vermeinte ich dich, darum stand ich wider dich, der du schmähtest die Tat und den sanften Frieden gefordert.
JEREMIAS:
Meinst du, der Frieden sei eine Tat nicht und aller Taten Tat? Tag um Tag mußt du ihn reißen aus dem Maule der Lügner und aus dem Herzen der Menschen; als einer mußt du stehen gegen sie alle, denn immer ist das Lärmen bei den vielen und die Worte bei der Lüge. Stark müssen die Sanftmütigen sein, und die den Frieden wollen, stehen im ewigen Streit. Oh, ich weiß, daß ich in Fluch gehe und sie Tod wider mich werfen, aber ich fürchte mich nicht, denn Gottestat muß ich tun, und wer Gottestat will, darf nicht ängstig sein vor der Menschen Haß.
BARUCH:
Nicht gehe… nicht gehe allein… nichts vermagst du wider sie…
JEREMIAS:
Ich gehe, ich gehe, daß nicht Wind seien meine Worte. Denn wer nicht einstehet mit dem Leben für sein Wort, des Rede ist Rauch und verwehet. Auf… daß ich ausgieße meine Gesichte und schreie mein Warnen wider den König… fort… hilf mir weiter…
BARUCH:
Laß mich… laß mich mit dir gehen… daß ich tue, wie du tuest… denn ich fühle, ein Großes muß es sein, das du beginnest.
JEREMIAS:
Mit mir willst du gehen… war denn dein Wille nicht wider mich und dein Schwert?
BARUCH:
Zu stark warst du, da ich wider dich war… so will ich mit dir sein. Gebannt hast du mein Herz mit deinem Blute, ich tue, was du tuest, denn ich… ich glaube dir, Jeremias!
JEREMIAS (innehaltend, wie erschreckt):
Du glaubst meinen Worten?
BARUCH:
Ich… glaube an dich… denn klar sah ich dein Auge unter meinem Schwert.
JEREMIAS:
Du… glaubst an mich… wider die Priester und