Mutilla europaea giebt einen stridulierenden Laut von sich, und der Angabe von Goureau621 zufolge haben beide Geschlechter diese Fähigkeit. Er schreibt den Laut einer Reibung des dritten und der vorhergehenden Hinterleibssegmente zu, und wie ich sehe, sind die oberen Flächen dieser mit sehr feinen concentrischen Leisten versehen, aber ebenso ist es auch der vorspringende Brustkragen, auf welchen der Kopf eingelenkt ist; und wird dieser Kragen mit einer Nadelspitze gekratzt, so giebt er den eigenthümlichen Laut von sich. Es ist ziemlich überraschend, daß beide Geschlechter diese Fähigkeit, einen Laut hervorzubringen, besitzen, da das Männchen geflügelt und das Weibchen flügellos ist. Es ist notorisch, das Bienen gewisse Gemüthsbewegungen, z. B. Ärger, durch den Ton ihres Summens ausdrücken; und der Angabe H. Müller's zufolge (p. 80) machen die Männchen mancher Arten ein eigenthümliches singendes Geräusch, wenn sie die Weibchen verfolgen.
Ordnung: Coleoptera (Käfer). – Viele Käfer sind so gefärbt, daß sie der Oberfläche der Orte ähnlich sind, welche sie gewöhnlich bewohnen, und dadurch dem entgehen, von ihren Feinden entdeckt zu werden. Andere Species, z. B. die Diamantkäfer, sind mit prächtigen Färbungen geziert, welche häufig in Streifen, Flecken, Kreuzen und andern eleganten Mustern angeordnet sind. Derartige Färbungen können kaum direct als Schutzmittel dienen, ausgenommen in dem Fall einiger von Blüthen lebender Arten; sie können aber zur Warnung oder als Erkennungsmittel dienen, nach demselben Principe wie die Phosphorescenz der Leuchtkäfer. Da bei Käfern die Färbungen der beiden Geschlechter allgemein gleich sind, haben wir keine Belege dafür, daß sie durch geschlechtliche Zuchtwahl erlangt worden sind; dies ist aber wenigstens möglich, denn sie können sich in dem einen Geschlechte entwickelt haben und dann auf das andere übertragen worden sein. Diese Ansicht ist in denjenigen Gruppen, welche andere scharf ausgesprochene secundäre Sexualcharaktere besitzen, selbst in einem gewissen Grade wahrscheinlich. Blinde Käfer, welche selbstverständlich nicht die Schönheit des anderen Geschlechts bewundern können, bieten, wie ich von Mr. Waterhouse jun. höre, niemals glänzende Farben dar, obgleich sie oft polierte Oberflächen haben. Doch kann die Erklärung ihrer düsteren Färbung auch wohl darin liegen, daß blinde Insecten Höhlen und andere dunkle Örtlichkeiten bewohnen.
Einige Longicornier, besonders gewisse Prioniden, bieten indeß eine Ausnahme von der gewöhnlichen Regel dar, daß die Geschlechter der Käfer in der Färbung nicht von einander verschieden sind. Die meisten dieser Insecten sind groß und glänzend gefärbt. Die Männchen der Gattung Pyrodes622 sind, wie ich in Mr. Bates' Sammlung sah, gewöhnlich röther, aber etwas matter als die Weibchen, welche letztere von einer mehr oder weniger glänzenden goldgrünen Färbung sind. Andererseits ist bei einer Species das Männchen goldgrün, während das Weibchen reich mit Roth und Purpur gefärbt ist. In der Gattung Esmeralda weichen die Geschlechter in der Färbung so bedeutend von einander ab, daß sie als verschiedene Arten aufgeführt worden sind; bei, einer Species sind Beide von einem schönen glänzenden Grün, aber das Männchen hat einen rothen Thorax. Im Ganzen sind, soweit ich es beurtheilen kann, die Weibchen derjenigen Prioniden, bei denen die Geschlechter verschieden sind, reicher gefärbt als die Männchen, und dies stimmt nicht mit der gewöhnlichen Regel in Bezug auf die Färbung überein, sobald diese durch geschlechtliche Zuchtwahl erlangt worden ist.
Fig. 16. Chalcosoma atlas. Obere Figur das Männchen (verkleinert); untere Figur das Weibchen (natürliche Größe).
Eine äußerst merkwürdige Verschiedenheit zwischen den Geschlechtern vieler Käfer bieten die großen Hörner dar, welche vom Kopfe, dem Thorax oder dem Schildchen der Männchen entspringen; in einigen wenigen Fällen gehen dieselben von der unteren Fläche des Körpers aus. In der großen Familie der Lamellicornia sind diese Hörner denen verschiedener Säugethiere ähnlich, wie der Hirsche, Rhinocerose u. s. w., und sind sowohl ihrer Größe, als ihrer verschiedenartigen Formen wegen wunderbar. Statt sie zu beschreiben, habe ich Abbildungen der Männchen und Weibchen von einigen der merkwürdigeren Formen gegeben (Fig. 16-20). Die Weibchen bieten allgemein Rudimente der Hörner in der Form kleiner Höcker oder Leisten dar, aber einigen fehlt selbst jedes Rudiment davon. Andererseits sind bei den Weibchen von Phanaeus lancifer die Hörner nahezu so gut entwickelt wie beim Männchen und bei den Weibchen einiger anderer Species der nämlichen Gattung und der Gattung Copris nur unbedeutend weniger entwickelt. Wie mir Mr. Bates mitgetheilt hat, laufen die Verschiedenheiten in der Structur der Hörner, nicht mit den bedeutenderen und charakteristischen Verschiedenheiten zwischen den verschiedenen Unterabtheilungen der Familie parallel. So giebt es innerhalb einer und derselben Section der Gattung Onthophagus Species, welche entweder ein einziges am Kopfe stehendes Horn haben, oder zwei verschiedene Hörner.
Fig. 17. Copris isidis. (Die Figuren links sind die Männchen.)
Fig. 18. Phanaeus faunus.
Fig. 19. Dipelicus cantori.
Fig. 20. Onthophagus rangifer (vergrößert).
In beinahe allen Fällen sind die Hörner wegen excessiver Variabilität merkwürdig, so daß eine gradweise angeordnete Reihe sich bilden läßt von den am höchsten entwickelten zu anderen so entarteten Männchen, daß sie kaum von den Weibchen unterschieden werden können. Mr. Walsh623 fand, daß bei Phanaeus carnifex die Hörner bei einigen Männchen dreimal so lang waren wie bei anderen. Nachdem Mr. Bates über hundert Männchen von Onthophagus rangifer (Fig. 20) untersucht hatte, glaubte er, daß er endlich eine Species entdeckt habe, bei welcher die Hörner nicht variierten; und doch erwies eine noch weitere Untersuchung das Gegentheil.
Die außerordentliche Größe der Hörner und ihre sehr verschiedene Bildung bei nahe verwandten Formen deutet darauf hin, daß sie zu irgend einem wichtigen Zwecke gebildet worden sind; aber ihre außerordentliche Veränderlichkeit bei den Männchen einer und derselben Species führt wieder zu dem Schlusse, daß dieser Zweck nicht von einer ganz bestimmten Natur sein kann. Die Hörner bieten kein Zeichen von Abreibung dar, als wenn sie zu irgend einer gewöhnlichen Arbeit benutzt würden. Einige Schriftsteller vermuthen,624 daß die Männchen, weil sie viel mehr herumwandern als die Weibchen, der Hörner als Vertheidigungsmittel