Der Dreißigjährige Krieg (Teil 1-3). Ricarda Huch. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ricarda Huch
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 4064066388812
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eins, zwei, drei zum Nachtisch knacken könnte; aber er sei überzeugt, der Kurfürst könne sich auch ohne Noten auf dem Gänseknochen recht hübsch hören lassen. Johann Georg wußte nicht recht, ob er diese Worte als Schmeichelei oder als Kränkung auffassen sollte, hieß Schlick spielen und sagte zu Schütz in verdrießlichem und spöttischem Tone, die Musikanten und die Apotheker bliesen sich gern auf, als ob sie eine geheime Kunst verständen; aber man wisse wohl, daß Mist und Dreck die beste Medizin wäre und daß Frösche und Vögel schon zu Adams Zeiten Konzerte gegeben hätten. Dann erzählte er, was ihn die Kapelle koste, was für liederliche Kerle die Sänger wären, daß sie geschmiert werden wollten wie kreischende Wagenräder, und wie überhaupt die Hofhaltung täglich kostbarer werde. Er lasse sich die Mühe nicht verdrießen, täglich selbst den Küchenzettel nachzusehen, dies und das zu streichen und darauf zu achten, daß die Überbleibsel gut verwendet würden. Auf diese Weise hätte sein Großvater, der weise Kurfürst August, Sachsen mächtig und ansehnlich gemacht, und dieser Tage sei es noch notwendiger, aufzupassen, wo das neumodische französische Wesen einzureißen anfange. Da kämen schon seine kleinen Söhne, wollten seidene Strümpfe und wohlriechende Handschuhe und wohl gar französische Hofmeister haben und würden Schutz und Förderung bei ihrer Mutter finden, wenn er nicht allen miteinander dann und wann auf die Finger klopfte.

      Graf Schlick, der dem Kurfürsten häufig mit dem Becher Bescheid tun mußte, brachte seine Gesundheit aus und rief laut, er fordere jeden vor sein Schwert, der behaupten wolle, es gebe einen weiseren, edleren und tapfereren Fürsten als Johann Georg und ein glückseligeres Land als das Kurfürstentum Sachsen, wobei ihm die Tränen über die Backen liefen.

      Gegen das Ende des Gastmahls saß Schlick, den Kopf in beide Hände gestützt, und weinte geradeheraus. Ein solcher Fürst, schluchzte er, sei wie ein Leuchtturm am Meere; wenn es brauste und wütete, lasse er beständiges Licht aus und weise den Schiffbrüchigen das rettende Ufer. Wenn nur seinem Vaterlande in diesen bösen Zeiten ein solches fürstliches Licht erstrahlte, so brauchten sie nicht länger wie Waisenkinder ratlos von den wilden Wassern verschlagen zu werden.

      Auch dem Kurfürsten fingen die Augen an überzulaufen, und er brüllte, wer von ihm sage, daß er seine Glaubensgenossen verlasse, der sei ein Hundsfott, seinem Jugendgespielen Schlick könne er nichts versagen, er habe ein Herz für alle seine Untertanen, nur die Kalviner wolle er ausrotten, denn sie seien Schelme und vom Teufel gesätes Unkraut.

      Nachdem Graf Schlick noch eine Denkschrift eingereicht hatte, in welcher dem Kurfürsten, für den Fall, daß er die böhmische Krone annähme, der Besitz der benachbarten Lausitz angepriesen wurde, auf welche er längst ein Auge geworfen hatte, begab er sich wieder nach Prag, um vom Erfolge seiner Reise Bericht zu erstatten. Im Hause des Grafen Wilhelm von Lobkowitz fand er auch den Grafen Thurn, der vom Kriegsschauplatz hereingekommen war, um Geld zur Bezahlung der unzufriedenen Söldner aufzutreiben. Lobkowitz blätterte mit niedergeschlagener Miene in dem neuen Kalender für das Jahr 1620, welcher kürzlich ausgegeben worden war und in welchem eine böse Aussicht für die nächste Zukunft eröffnet wurde. Was ihn anbelange, sagte Schlick, so bringe er günstigen Bericht. Er sei vom Kurfürsten in langer Audienz empfangen worden und habe gute Vertröstung von ihm erhalten. Ein bestimmtes Versprechen habe der Kurfürst zwar nicht von sich geben wollen, habe aber fest zugesagt, daß er seine Glaubensgenossen nicht im Stiche lassen werde, desgleichen hätten ihm viele Standespersonen und gute Freunde versichert, sie hielten es mit den Lutherischen und nicht mit den Päpstlichen.

      Ob es denn nicht an dem sei, fragte Thurn, daß der Hofprediger Hoë eine goldene Gnadenkette vom Kaiser erhalten habe und daß der erste Rat Kaspar von Schönberg im vertraulichen Gespräch gesagt habe, der Kaiser könne wegen des Kurfürsten unbesorgt sein, ihm schmecke ein Täublein, das der Kaiser ihm verehre, besser als ein Huhn, das er ihm aus dem Stall gestohlen habe.

      Das sei nur ein Geschwätz, sagte Schlick, sie möchten es wohl mit dem Kaiser nicht verderben, aber sie hätten es ihm gegenüber an freundlichen Bezeigungen nicht fehlen lassen.

      Lobkowitz schüttelte den Kopf und sagte, das möchte wohl gut sein, wenn nur der Kalender nicht wäre. Es wäre für Böhmen großes Blutvergießen geweissagt, sowohl der Herren wie der Untertanen, weil man sich die Warnung Gottes durch den Kometen nicht zu Gemüt gezogen habe, sondern in den alten Sünden dahingefahren sei.

      Der Komet habe doch nicht über Böhmen allein gestanden, sagte Thurn, die Schultern zuckend; in den sächsischen und österreichischen Ländern habe man ihn auch gesehen, soviel er wisse. Wenn Gott ihren Untergang beschlossen habe, so sei dagegen nichts auszurichten; einstweilen halte er es aber für das beste, sich zu wehren und sich durch böse Zeichen nur desto mehr anspornen zu lassen.

      Man könne doch aber auch in sich gehen und sich bedenken, meinte Lobkowitz. Vielleicht sei ihre Rebellion doch Sünde gewesen, und es sei ja noch Zeit, umzukehren.

      Wie? rief Thurn aus, umkehren? Den Majestätsbrief und den Glauben und alle teuer erkauften Freiheiten preisgeben? Blut sei einmal geflossen, jetzt gelte es zu siegen, er für sein Teil wolle sich lieber in die Schlacht wagen als in die Hände der rachsüchtigen Jesuiten fallen.

      Auch Schlick war der Meinung, man sei zu weit gegangen, um noch zurück zu können, und wenn sie nur erst ein richtiges Haupt hätten, besonders wenn es der Kurfürst von Sachsen wäre, könne noch alles gut werden. Das große Blutvergießen angehend, könne ja auch das Blut ihrer Feinde damit gemeint sein, und obwohl er für seine Person nicht blutdürstig sei, müsse man doch Gott schalten lassen und ihm Beifall geben.

      Diese Aussicht ermunterte Wilhelm von Lobkowitz wieder, und die Verhandlungen nahmen ihren Fortgang, wobei freilich die Aussicht, den Kurfürsten von Sachsen zu gewinnen, bald schwand; denn da der Kaiser ihm für seinen Beistand, ebenso wie die Böhmen, den Besitz der Lausitz versprach, fiel auch diese noch in die Waagschale der altbewährten Politik, und über einige von seiner Frau angeregte Gewissensbedenken half ihm der Hofprediger Hoë hinweg, indem er ihm erklärte, ein guter altdeutscher patriotischer Reichsfürst müsse selbst diese zuweilen dem Reichsoberhaupt zum Opfer bringen.

      *

      Während der junge Kurfürst von der Pfalz in seine Frau noch immer sehr verliebt war, erregte sie oft den Unwillen seiner Räte und Geistlichen durch ihr undeutsches und unbedachtsames Betragen. Sie bediente sich nur der französischen Sprache, zeigte auch keine Lust, das Deutsche zu lernen, was vielen, trotz der Vorliebe für französisches Wesen, einer deutschen Fürstin doch nicht ganz anständig schien. In der Bibel wollte sie nicht lesen, denn die kenne sie nun, begnügte sich auch nicht mit Virgil oder Horaz, sondern unterhielt sich mit französischen Romanen. Besonderen Anstoß erregte es, daß sie einmal während des Gottesdienstes spazieren gefahren war, ja man erzählte sich, sie habe einmal, als ihr der Finger geblutet habe, einen Wachsfinger in eine katholische Kirche geopfert, um zu versuchen, ob es helfe. Der Kurfürst ermannte sich nicht dazu, ihr deswegen Vorhalte zu machen, ja er ließ sich selbst, vorzüglich auf Reisen, mancherlei Mutwillen und Exzeß entschlüpfen. Als er bei Gelegenheit eines Unionstages in Nürnberg war, nahm er mit der Kurfürstin an einer Geschlechterhochzeit teil, und da er beim Dunkelwerden gerade mit der Braut tanzte, sagte er ihr, sie wollten miteinander um die Kirche tanzen, das sei pfälzische Sitte, und führte sie wirklich tanzend um die Lorenzkirche herum, nicht ohne einige Eifersucht des Bräutigams und der Kurfürstin.

      In Nürnberg befand sich damals in einer angesehenen Familie ein weißer singender Fink, der als eine Rarität in der Stadt berühmt war, und da Elisabeth neugierig war, ihn zu sehen, und ihn zu besitzen wünschte, erhandelte ihn Friedrich. Sie wurde seiner bald überdrüssig, er hingegen brachte viele Stunden damit zu, ihn zu necken oder ihn pfeifen zu lassen, trug ihn auf der Hand oder Schulter mit sich herum und war untröstlich, als er starb. Sein Zimmer sei ihm ohne den Vogel verödet, sagte er, es sei ihm recht, wenn es nach Prag ginge, damit er eine andere Welt sähe.

      Seine Mutter tadelte ihn, er könne wohl einen anderen Vogel bekommen, nicht aber ein anderes Fürstentum, wenn er das seine verließe.

      Er bekomme ja im Gegenteil ein neues, meinte Friedrich, und als verlautete, der Herzog von Savoyen gehe ernstlich damit um, die böhmische Wahl anzunehmen, kam es ihm vor, als habe er sich etwas Kostbares aus der Hand gehen lassen. Der Herzog von Savoyen hatte ein ansehnliches