Mit dementsprechenden Ermahnungen versehen, trat Wolfgang Wilhelm die Reise nach München an, wo er mit dem Herzog Maximilian gut auskam, obwohl dieser bald merken ließ, daß er sich die Bekehrung des jüngeren Vetters zum Ziel gesetzt hatte. Wolfgang Wilhelm widersprach ihm nicht mit hitzigem Eifer, wie die Lutheraner zu tun pflegten, sondern hörte achtungsvoll an, was Maximilian in Glaubenssachen vorbrachte, ohne von seinem Standpunkte abzuweichen, und nötigte den Gegner dadurch, mit seinem Gaste auch seinerseits vorsichtig und rücksichtsvoll umzugehen.
Am liebsten hielt sich der alte Philipp Ludwig zum Herzog von Württemberg, von dem ihn keine gleichartigen Ansprüche trennten, während das gemeinsame Bekenntnis des Luthertums sie verknüpfte; aber es war schwer, dem Herzog Friedrich beizukommen, der von besonderen Grundsätzen beherrscht war, die Philipp August nicht durchschauen konnte. Um wegen der Ablösung der österreichischen Lehensrechte sich die Gunst des Kaisers zu erhalten, hielt er sich beiseite, wenn die Glaubensgenossen etwas unternehmen wollten, um ihre Rechte zu wahren, wollte es aber doch nicht mit ihnen verderben und verwickelte sich dadurch oft in Widersprüche. Einmal brachten es die Umstände dahin, daß der Markgraf von Baden ihm gewisse Gebietsteile abzutreten versprach, wenn er einen Vertrag mit Neuburg abschlösse, worauf jener, Herzog Friedrich von Württemberg, ohne Besinnen einging, um sich die billige Erweiterung nicht entgehen zu lassen. Auch wäre ihm das Neuburger Bündnis recht gewesen, wenn nicht Neuburgs Verfeindung mit Kurpfalz dazwischengestanden hätte, dem Württemberg schon durch Verträge verpflichtet war. Wie nun die neuburgischen Gesandten nach Stuttgart gereist kamen, um den Vertrag abzuschließen, an welchem Philipp August viel gelegen war, entwich Herzog Friedrich rasch auf sein Schloß Tübingen, und als sie ihm dahin folgten, auf ein anderes, und so fort, bis sie es aufgaben und unverrichteter Sache und sehr erstaunt nach Neuburg zurückkehrten.
Mit der Feindschaft zwischen Pfalz-Neuburg und Kurpfalz hatte es folgende Bewandtnis: Bei der zunehmenden Hinfälligkeit des Kurfürsten Friedrich mußte man, da sein Sohn und Nachfolger noch im kindlichen Alter stand, beizeiten in Heidelberg an die Vormundschaft denken, die nach alten Verträgen dem neuburgischen Vetter zustand. Die Pfälzer hielten es aber für bedenklich, dadurch dem Luthertum eine Pforte zu öffnen, und wandten sie dem reformierten Herzog von Zweibrücken zu, mit dem Kurpfalz ohnehin im engsten Einvernehmen stand. Eine so gewaltsame Verkürzung seiner Rechte kränkte den Herzog von Neuburg um so mehr, als er sich in der Tat Rechnung darauf gemacht hatte, diese Gelegenheit zur Ausbreitung des lutherischen Bekenntnisses zu benutzen.
Außer der Jagd und den Trinkfesten nahmen Liebessachen die Zeit Herzog Friedrichs von Württemberg in Anspruch. Er hatte mehrere Jahre mit einem ehemaligen Hoffräulein seiner Frau gelebt, die ihm bereits langweilig zu werden anfing, als er die fünfzehnjährige Tochter eines Sängers aus seiner Kapelle sah, deren spröde Jugend ihn entzückte und die zu voller Blüte anzufachen er sich sofort unwiderstehlich getrieben fühlte. Mit der Entlassung der bisherigen Geliebten wurde der Hofprediger betraut, der sich denn auch seufzend anschickte, die Frau in Kenntnis zu setzen. Sie solle sich, riet er ihr, zu ihrer Familie begeben oder sonst einen entlegenen Ort wählen, wo sie in der Stille weilen könne; denn in der Nähe des Herzogs sei ihres Bleibens nicht länger, ihre Gegenwart sei ihm unleidlich, weil sie ihn an begangenes Unrecht erinnere. Es bleibe ihr somit nichts anderes übrig, als den Willen des Herzogs zu respektieren und sich zu bessern.
Die fassungslose Dame war den Ratschlägen und Vorstellungen des Predigers nicht zugänglich und wußte sich den Zutritt zum Herzog zu erzwingen. Dieser fing an mit kurzen, schnellen Schritten im Zimmer auf und ab zu gehen und laut über ihr ungehorsames, widerspenstiges, unartiges Wesen zu klagen. Unmöglich sei es, mit einem solchen Weibe zu leben, zu lange schon habe er es ertragen, anstatt ihm dankbar zu sein, habe sie ihn unglücklich gemacht; wenn er nicht schleunig von ihr befreit werde, müsse er zugrunde gehen. Indem sie sich auf den Boden warf und seine Füße umschlang, erinnerte sie ihn unter Tränen an seine Liebesschwüre, vergangenes Glück und dergleichen, wie er an einem lieblichen Frühlingsabend unter einem blühenden Birnbaum sie, die Verzagte, an sich gezogen und sich verschworen habe: die Zunge solle ihm verfaulen, wenn er je ein unholdes Wort zu ihr spreche!
»Ja,« schrie der Herzog wütend, »damals liebte ich dich, und jetzt hast du meine Liebe verscherzt, das ist ein Unterschied!« Wenn sie sich jetzt in anständiger Verborgenheit halten und ihre Zunge hüten wolle, fuhr er ruhiger fort, wolle er etwas für sie tun; führe sie aber fort, ihn zu erzürnen, so werde er sie einsperren und gebührend bestrafen.
Nachdem diese Person beseitigt war, erhielt der Hofprediger den Auftrag, die Herzogin davon in Kenntnis zu setzen, was ihn veranlaßte, den Herzog mit vorsichtigem Augenblinzeln zu fragen, ob er etwa das neue Dirnlein auch anweisen müsse. Der Herzog zog zuerst die Brauen zusammen, schlug dann aber ein lautes Gelächter auf und sagte, nein, darauf verstehe er sich besser.
Die Herzogin, eine Prinzessin von Anhalt, sah ihren Gemahl nur noch selten. Sie beschäftigte sich damit, in der Bibel zu lesen und Stücke daraus, die sie besonders liebte, in französische Sprache zu übertragen. Beinah täglich empfing sie den Besuch des Hofpredigers, mit dem sie sich über theologische Fragen unterhielt und von dem sie über die Vorgänge am Hof und im Lande unterrichtet wurde. Als er ihr von der Verabschiedung der letzten Geliebten ihres Mannes Mitteilung machte und zugleich ihre Mildtätigkeit für die Verstoßene in Anspruch nahm, bemerkte er, daß das blasse Gesicht der Herzogin sich rötete und den Ausdruck hoffender Erwartung kaum zurückhalten konnte. Er betrachtete sie verwundert und schwieg eine Weile in großer Verlegenheit, während er sich mit einem Tüchlein den Schweiß von der Stirn wischte. Dann erwähnte er behutsam das kleine Mädchen, das die Aufmerksamkeit des Herzogs erregt habe und für dessen Zukunft er väterlich sorgen wolle, weswegen es in der Nähe des Schlosses einquartiert sei. Die Augen der Herzogin erloschen wieder, und sie sagte, sich auf ihr ehemaliges Hoffräulein beziehend, sie wolle sie gern nach ihrem geringen Vermögen unterstützen, wenn ihre Eltern es nicht täten. »Ich habe es ihr vorausgesagt,« fuhr sie fort, »daß es so kommen würde, denn ich kannte meinen Herrn. Sie stand ein wenig beschämt vor mir, aber doch sah ich, wie glücklich und wie stolz und eigensinnig sie war, und konnte von ihrem Gesicht, das wie Apfelblüten leuchtete, ablesen, was sie dachte: ›Du kennst ihn nicht, du Armselige! Du freilich vermagst ihn nicht zu fesseln! Keine vermöchte es! Aber ich, ich! Mich, die Allerlieblichste, wird er niemals verlassen!‹ – Es ist nur Gott,« setzte die Herzogin gedankenvoll hinzu, »der uns niemals enttäuscht, weil er die Vollkommenheit ist. Aber unsere Seele, die der niedrigen Erde verwachsen ist, erreicht den Himmel nicht immer.«
»Das Gebet, das liebe Gebet trägt uns hinauf«, sagte der Pfarrer und fing an, allerlei kuriose Geschichten von der Wunderwirkung des Gebetes zu erzählen, womit er die Herzogin schließlich sogar zum Lachen brachte.
Eines Vormittags trat in die Apotheke ein in Pelzwerk und einen bunten Kaftan wunderlich gekleideter Mann, der Antimon, Merkur und Flos ferri zu kaufen verlangte und um Erlaubnis bat, in irgendeinem Nebenraum der Apotheke einige Versuche damit machen zu dürfen. Er bediente sich dabei der lateinischen Sprache, die er mit deutschen, fremdartig ausgesprochenen Wörtern vermengte. Der Apotheker, der in dem Manne sofort einen Adepten erkannte, antwortete zögernd, das Goldmachen, worauf er augenscheinlich ausgehe, sei im Württembergischen eine weitaussehende, gefährliche Sache, die allerlei Unvermutetes nach sich zu ziehen pflege. Er selbst sei auch in der Wissenschaft nicht unerfahren, hielte aber die Hände davon und riete auch dem Fremden, seine Kenntnisse als ein vorsichtiger Mann geheimzuhalten. Es waren unterdessen mehr Leute in den Laden getreten, deren Neugier durch die auffallende Erscheinung des Reisenden, seinen hohen Pelzhut, die große silberne, mit farbigen Steinen besetzte Schnalle, die den scharlachrot gefütterten Kaftan zusammenhielt, erregt wurde. Obwohl der Apotheker warnend den Finger auf den Mund legte, ließ der Fremde sich nicht bitten, sondern schwatzte bereitwillig von seiner Kunst und zeigte ein in einem gläsernen Büchschen verschlossenes pfirsichblütenfarbenes Pulver, mit dessen Hilfe er sich rühmte, ganz Stuttgart mit purem Golde überziehen zu können. Als er wiederum mit dem Apotheker allein war, mahnte ihn dieser ernstlich, nunmehr flugs die Stadt zu verlassen, bevor seine Anwesenheit dem Herzog hinterbracht sei; denn dieser sei nun einmal auf das Goldmachen erpicht und würde ihn nicht eher loslassen, als bis er seinen Durst nach diesem Metall vollkommen gestillt habe. Vor einigen