Katrin und sie streckten sich im Bikini auf den wackligen weißen Plastikstühlen aus, Inger hatte sich ein Frotteecape übergeworfen. Sie bestellten einen Martini oder einen Pastis, der ihnen nicht schmeckte, manchmal einen Muscat de Frontignan, dessen Süße durch die Eiswürfel erträglich wurde. Sie verständigten sich mit Händen und Füßen. Katrin sprach am besten Französisch und kam dennoch mit dem Akzent der Einheimischen schlecht zurecht. Sie aßen Salat, das dunkelgelbe Olivenöl rann über die Gurkenscheiben und die gegrillten Sardinen, die so salzig waren, dass sie die zweite Karaffe Weißwein bestellten. Danach gingen sie in die Diskotheken an der Promenade. Sie verloren sich auf der Tanzfläche nicht aus den Augen, tanzten miteinander, ließen sich von den Dorfjungs einen Drink ausgeben, ja sogar ungeschickt in die Arme nehmen und küssen.
Mehr nicht, das hatten sie vor der Reise ausgemacht, keine Jungs im Zelt oder auf dem Zimmer. Sie fühlte nachts im Bett, wie es in ihrem Kopf vibrierte, wie sich ein vager Schwindel ankündigte. Die Hitze des Tages breitete sich in ihrem Körper aus. Wenn sie sicher war, dass Katrin und Inger schliefen, begann sie sich zu streicheln, ihre Haut, deren Glühen erst nachließ, als sie in das längliche Kissen biss.
Sie ließen Valras-Plage zurück, versprachen sich in die Hand, im nächsten Jahr wiederzukommen. Und im Jahr darauf. Was sie nicht taten. Als Einundzwanzigjährige wollte sie sich nicht vorstellen, dass dieses Sommergefühl je verginge. Als Einunddreißigjährige und Einundvierzigjährige schickte sie Katrin und Inger im Juni irgendwelche Postkarten, die das Mittelmeer zeigten, versehen mit einem Erinnert-Ihr-Euch?-Gruß. Die beiden antworteten einsilbig, und sie merkte, dass nur sie es war, die die Woche in Valras-Plage nicht vergessen hatte.
Andorra, Andorra! Da müssen wir hin!, rief Inger aus, und so fuhren sie los, über Narbonne und Carcassonne, wo sie die Burganlage durchquerten, auf dem Pont Vieux Fotos machten, eine Dose Noix de Carcassonne kauften, die sie in der Mittagssonne am Fluss aßen, und flohen nach kurzer Zeit vor den Touristenhorden.
Die Landstraße schlängelte sich die Pyrenäen hinauf, Inger kam ins Schwitzen, sobald ihnen ein größerer Wagen entgegenkam, und Katrin erzählte, dass man in der Hauptstadt, in Andorra la Vella, Schallplatten und Spirituosen ungeheuer preiswert einkaufen könne, was mit irgendwelchen Steuervergünstigungen zu tun habe. Mit Mühe fanden sie einen Parkplatz, die Menschen schoben sich von Geschäft zu Geschäft. Sie kaufte für Mama Elisabeth und Papa Karl einen spanischen Weinbrand als Mitbringsel und für sich eine Langspielplatte, Bye, bye, Miss American Pie … das Lied, das auf Klassenfeten zu später Stunde gespielt worden war, acht Minuten Stehblues. Es gab nur einen Jungen, mit dem sie dazu eng umschlungen getanzt hatte. Ein Junge, über den sie nie sprach. Ein Junge, der nicht mehr lebte, auf dem Fahrrad von einem Sattelschlepper überrollt worden war.
Nach viereinhalb Wochen kamen sie zurück, abgebrannt, erschöpft und zufrieden. Katrin hupte mehrmals, als sie auf der Wiese vor Lisas Elternhaus den Motor abwürgte. Zum ersten Mal auf der ganzen Fahrt. Sie nahm Inger und Katrin in den Arm und glaubte, sich besser zu kennen als zuvor. Was man mag und was man nicht mag, das macht den Menschen aus, macht ihn unverwechselbar, dachte sie und freute sich auf das Kommende.
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