Perry Rhodan Neo 240: Das neue Plophos. Oliver Plaschka. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Oliver Plaschka
Издательство: Bookwire
Серия: Perry Rhodan Neo
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783845354408
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seine Adresse und ließ sich in den Passagiersitz sinken.

      »Wie geht es uns heute?«, plauderte der fest verbaute Roboter im Pilotensessel drauflos, doch Princess ignorierte ihn. Seine Gedanken weilten bei Nikulina.

      Sie hatten sich kurz nach dem Umsturz kennengelernt und trafen sich seither regelmäßig. Freya Nikulina arbeitete in der städtischen Verwaltung und fürchtete genau wie er eine Enttarnung durch Hondro, für den sie wenig Sympathie hegte. Manchmal tauschten sie Informationen aus, doch der berufliche Teil ihrer Partnerschaft bedeutete Princess nicht halb so viel wie der private.

      In seinem Job war er immerzu isoliert. Alles, was er tat, war Maske, Tarnung, schöner Schein. Nikulina gab ihm Halt. Sie gab ihm das Gefühl, nicht allein zu sein. Ohne sie wäre er wahrscheinlich längst nicht mehr da, in mehrerlei Hinsicht.

      Vor seinem Grundstück am Stadtrand warf ihn der fröhlich plappernde Roboter hinaus und ließ sich seiner Programmierung gemäß in plophosischen Dollars bezahlen, obwohl diese fast nichts mehr wert waren. Inoffiziell zahlte jeder in terranischen Dollars oder Euros – aber Hondro mochte das nicht.

      Princess öffnete sein mehrfach gesichertes Gartentor und schleppte sich zum Hauseingang. Es war früher Abend. Die rote Sonne Eugaul schien tief durch die dunklen Bäume; die übrigen drei Gestirne des Mehrfachsystems waren bereits untergegangen oder hinter Wolken verborgen. Die Stille lastete so tief auf dem Wohnviertel, dass Princess sogar das Surren des ein Stück entfernten, gewaltigen, elektrisch gesicherten Stahlzauns hörte, der New Taylor vor Panzerbären und anderen Überraschungen der plophosischen Fauna schützte. Es kam ihm laut wie ein Alarm vor, eine Warnung, auf die niemand mehr reagierte. Erst als er die Tür hinter sich zuschlug, fiel die Angst von ihm ab.

      Gerade war es ihm gelungen, sich in der Küche ein belebendes Getränk einzugießen, als es klopfte. Draußen war es inzwischen dunkel geworden.

      Er öffnete. Freya Nikulina fiel ihm um den Hals, halb Sturz, halb Liebkosung, und hüllte ihn in eine Wolke ihrer nordisch-blonden Locken. Freya, die Liebesgöttin. Irgendwie gelang es ihr, ihrer Erschöpfung zum Trotz einen Hauch von Anmut zu bewahren.

      »Danke, dass du gekommen bist«, flüsterte er.

      »Danke, dass du angerufen hast«, gab sie zurück.

      Da sie beide kaum die Kraft für ein Gespräch oder ein gemeinsames Essen hatten, fanden sie den Weg in sein Schlafzimmer und gaben sich dem Trost ihrer Nähe hin. Die Welt bäumte sich auf wie ein stürmisches Meer, und er fühlte sich wie ein führerloses Schiff auf den Wogen. Nikulina war sein Anker, sein sicherer Hafen, den er zu lange gemisst hatte ...

      Am nächsten Tag war sie verschwunden; Stewart Princess wusste nicht, wohin. Eine Stunde lag er kraftlos im Bett und starrte die Decke an, dann zwang er sich, aufzustehen und zu duschen.

      Die Aradrogen hatten einen gewaltigen Kater hinterlassen. Er brauchte erst ein paar Schmerzmedikamente, ehe er die nächsten Aufputschmittel nehmen konnte. Wieder rief er sich ein Robottaxi und machte sich auf den Weg in die Stadt. Die vier Sonnen standen hoch am Himmel über den Wolkenkratzern von New Taylor, müde Sterne über einer schlafenden Stadt.

      »Was passiert mit uns?«, fragte er den Roboter im Pilotensitz, als wäre die Maschine sein Beichtvater, die alle Antworten kannte. »Was haben wir falsch gemacht?«

      »Ach, wir machen alle mal Fehler«, beruhigte ihn der Roboter altklug, obwohl er nicht mal ansatzweise über die Kapazitäten einer KI verfügte. Gesteuert wurden die Gleiter von einer automatisierten Zentrale am Raumhafen. »Aber einer Sache können Sie sich gewiss sein: Bei uns sind Sie in Sicherheit.« Der Roboter gackerte, ohne die harten Lippen zu bewegen. »New Taylor Sky Cabs, zu Ihren Diensten.«

      Unbestimmte Zeit später fand sich Princess auf dem Dach seines Bürogebäudes wieder. Wie lange stand er schon dort? Er wusste es nicht. Der kalte Wind fuhr ihm durchs Haar. Unter ihm, in den düsterroten Straßenschluchten, lagen Fahrzeuge und Menschen, als hätte man sie mit einem Würfelbecher ausgeschüttet.

      Er gab sich einen Ruck und setzte sich in Bewegung, schleppte sich zum Fahrstuhl und fuhr hinab in den zwölften Stock. Jeder Schritt bereitete ihm Schmerzen, als hätte er einen Dauerlauf hinter sich. Aber er durfte, wollte nicht aufgeben. Sein Büro war der einzige Ort, an dem er die Dinge leidlich unter Kontrolle hatte.

      Seine Mitarbeiter waren immer noch da. Alle, die es nicht rechtzeitig nach Hause geschafft hatten, hingen in ihren Sesseln oder lagen unter ihren Tischen, in derselben Kleidung wie am Vortag. Es roch nach alten Fertiggerichten, und es war viel zu kalt.

      Fluchend regulierte Princess die Klimaanlage nach und brachte den Männern und Frauen Wasser und Decken. Sie waren nicht krank, aber geschwächt und unruhig. Viele klagten über Schmerzen, aber niemand konnte ihm sagen, wo genau, und mehr als ein leises »Danke« brachte keiner über die Lippen. Fast schien es ihnen egal zu sein, was aus ihnen wurde. Entkräftet, wie auf Drogen, starrten sie ins Leere, zu schwach, um sich zu regen, aber zu verwirrt, um Ruhe zu finden.

      Schließlich gab er es auf und betrat sein Büro. Seine Hände zitterten, bei jedem Schritt stieg in ihm die Übelkeit hoch. Es war, wie durch Wasser zu waten, ein trübes, schmutziges Meer.

      An seinem Schreibtisch spielte er den Musikchip mit Naturklängen ab, setzte den Neurostreamdimmer auf und konzentrierte sich auf seinen Atem. Die Übungen, die man ihm vor langer Zeit bei seiner Ausbildung vermittelt hatte, um unter Stress oder Folter bei klarem Verstand zu bleiben, halfen ein wenig. Hieß das, dass doch Hondro hinter allem steckte? Spürten die Siedler die Geisteskräfte des Wahnsinnigen? Versuchte Hondro, die Kolonie mit sich in den Abgrund zu reißen?

      Als Princess wieder aufsah, stand Freya Nikulina vor ihm. In seinem Zustand kam sie ihm umso mehr vor wie eine Göttin, ihr blondes Haar war von einem Strahlenkranz umgeben.

      »Wo kommst du auf einmal her?«, fragte er verwirrt und nahm den Schläfenbügel des Neurostreamdimmers ab, als hätte sie ihn mit Lockenwicklern im Haar erwischt. »Und wo warst du?«

      »Wir müssen verschwinden«, sagte sie nur. »Es wird immer schlimmer.«

      »Was meinst du mit verschwinden?«, fragte er.

      »Weg«, sagte sie. »Weg von Plophos.«

      »Und alles aufgeben, was ich ... was wir ...«

      »Glaubst du denn ernsthaft, alles wird wieder wie vorher?« Sie deutete erschöpft zum Fenster, vor dem die matte Stadt im roten Dämmer lag. »Etwas ist passiert und passiert immer noch – und entweder ist Hondro schuld daran oder er hat die Kontrolle verloren. Ich weiß nicht, was schlimmer ist.«

      Er schaute sie an. Wie die meisten Menschen auf Plophos sprachen sie nur selten offen über Iratio Hondro und das, was er ihnen antat. Niemand wollte so genau darüber nachdenken, außerdem hatte der Obmann seine Augen und Ohren überall.

      »Selbst wenn du recht hast«, lenkte er ein, »wie stellst du dir das vor? Wie kommen wir an ein Raumschiff? Ich bin schon froh, wenn ich es noch einmal aus diesem Sessel schaffe. Und der Rest der Stadt liegt im wahrsten Sinne am Boden.«

      Sie ließ sich auf seinem Tisch nieder, schloss kurz die Augen, als müsste sie gegen die Erschöpfung kämpfen. »Hast du nicht ... einen Ausweg? Die Leute, für die du arbeitest?«

      Princess kniff die Lippen zusammen. Selbstverständlich hatte er Nikulina nicht erzählt, dass er für den terranischen Geheimdienst arbeitete. Das wäre Verrat gewesen. Sie wusste aber, dass er kein einfacher Spediteur war und Leute kannte, die nicht gerade glücklich mit Hondro und seinem Regime waren. Das hatte er wahrscheinlich mehr als einmal angedeutet, wenn sie ihn nach dem Grund für seine Nervosität gefragt hatte. Genau wie er im Gegenzug wusste, dass Nikulina nach dem Umsturz viele Freunde verloren hatte. Anders hätten sie einander nicht vertrauen können. Hin und wieder hatte sie ihn sogar mit Informationen aus der Verwaltung versorgt – nichts Gewichtiges, aber hilfreich.

      »Es gäbe vielleicht eine Möglichkeit«, raunte er. »Für Notfälle ...«

      Sie lachte hell auf. »Was ist das da draußen, wenn es kein Notfall ist? Von was für einer Möglichkeit