Glam. Simon Reynolds. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Simon Reynolds
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783955755911
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Tyrannosaurus-Rex-Album A Beard of Stars (1970) unternahm Bolan bereits ein paar zögerliche Schritte in diese Richtung. Er fing wieder an, E-Gitarre zu spielen. Took hatte die Band verlassen und sein Nachfolger, Mickey Finn, war bei den exotischen Arrangements lange nicht so kreativ wie er. Stattdessen sorgte Finn für mehr Funk. Auf ein paar Stücken spielte Bolan auch einen E-Bass. Diese Veränderungen führten aber noch zu keiner kompletten Rhythmusgruppe. Tyrannosaurus Rex waren noch nicht bereit fürs Radio, aber »By the Light of a Magical Moon« verwies bereits auf Bolans Bubblegum-Boogie-Zukunft. Er und Produzent Tony Visconti fügten der Aufnahme den Klang kreischender Mädchen hinzu und beschworen damit die Fanmassen, die erst noch kommen sollten. Wahrscheinlich hatte sich Bolan daran erinnert, wie Simon Napier-Bell den gleichen Trick auf John’s Childrens Orgasm angewandt hatte.

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      Ende 1970 hatten Tyrannosaurus Rex ihren Namen in T. Rex geändert und ein selbstbetiteltes Album veröffentlicht, als wollten sie damit auf den Neustart hinweisen. T. Rex stand mit einem Fuß noch im Underground, aber der andere schritt mit vollstem Selbstvertrauen in Richtung Top of the Pops. Auf »Seagull Woman« und »Beltane Walk« ist der klassische T.-Rex-Sound bereits da: Die Grooves stolzieren, die Blues-Riffs sind opulent, die Refrains reiner Zucker. Doch auf dem Album gibt es auch Songs wie das unheimliche »The Children of Rarn«, ein Fragment aus Bolans nie realisiertem Konzeptalbum/-buch über die prähistorische Erde und Ur-Rassen mit Namen wie Dworns oder Lithons. Irgendwo zwischen diesen beiden Polen (präziser Pop und ausufernder Acid Rock) lag Bolans Remake seiner allerersten Single »The Wizard«. Die neue Version klingt, als hätte sie Chart-Potential, bis sie in einen abgehackten, dilettantischen Groove übergeht, zu dem Bolan in Endlosschleife skandiert »He was a wizard and he was my friend he was«, bis daraus schwerverständliches Gekläffe wird. Es sind mitreißende Abschiedsworte an den Underground.

      Das Jahr 1970 wird oft als Pause beschrieben: die Ruhe vor dem Glam-Sturm. Die Musikwelt trat auf der Stelle, die meisten großen Bands hatten sich entweder gerade erst aufgelöst (manche dieser »Scheidungen« wurden durch Hochzeiten ausgelöst, etwa bei den Beatles) oder befanden sich auf dem absteigenden Ast. Supergroups wie Blind Faith, die die Rollen dieser Bands einnehmen sollten, fehlte es zu sehr an der organischen (weil zufälligen) Gangmentalität der Vorläufer, um ernsthafte Alternativen zu bieten. Im Lauf des Jahres machte sich Ungeduld breit. Das neue Jahrzehnt sollte endlich beginnen – und mit ihm ein neuer Sound, der mit den schalen Ideen und starren Idealen der vergangenen Dekade aufräumen würde wie mit alten Essensresten im Kühlschrank.

      In Großbritannien waren es T. Rex, die den Startschuss für die neue Pop-Ära gaben.

      Irgendwo zwischen A Beard of Stars und T. Rex drehte Bolan seine Einstellung gegenüber Singles komplett um und entschied, dass sie keine kommerziellen Ablenkungen seien, sondern »Energie-Ausbrüche«, Flugblätter, die ihre Nachricht in die Welt trugen, um »die Leute auf den Geschmack zu bringen«. ZigZag gegenüber erklärte er: »Ich sehe keinen Grund, warum die Freaks nicht in den Charts repräsentiert werden sollten.« Eine innere Unruhe hatte dieses Umdenken angestoßen. Sein Ego brauchte eine größere Bühne als die, die ihm eine bloße Kultanhängerschaft bieten konnte. Es gab aber auch einen Faktor von außerhalb: Rock ’n’ Roll war auf den Popmarkt zurückgekehrt. Bolans Antenne hatte registriert, in welche Richtung die Popkultur als nächstes ausschlagen würde und wie und wo er sich dafür positionieren musste.

      Ein Beispiel für den Proto-Glam-Sound war Norman Greenbaums »Spirit in the Sky«, ein glorreicher unbeschwerter Stomper, der Anfang 1970 den ersten Platz der UK-Charts erreichte. Etwa zur gleichen Zeit landete John Lennon mit »Instant Karma!« auf beiden Seiten des Atlantiks einen Top-5-Hit. Lennon hatte Phil Spector um einen 1950er-Sound gebeten, doch der Produzent hatte Alan Whites harte Drums im Mix viel weiter vorne platziert, als es in der Rock-’n’-Roll-Ära akzeptabel (oder überhaupt möglich) gewesen wäre. »Instant Karma!« und das Spector-produzierte Solo-Album John Lennon/Plastic Ono Band, das im selben Jahr erschien, »haben mich unglaublich inspiriert«, gab Bolan später zu. »Der Drum-Sound …« Und dann war da noch Mungo Jerrys »In the Summertime«, ein altmodischer Schrammel-Along mit zitterndem Gesang, nicht unweit von Bolans eigenem. »Summertime« wurde in 19 Ländern zu einem Nummer-eins-Hit. In Großbritannien verbrachte der Song sieben Wochen an der Spitze der Charts. »Es ärgerte Marc sehr, dass Mungo Jerry mit seiner Stimme eine Nummer Eins gelandet hatte«, sagt Napier-Bell. »Das war der Moment, als er merkte, dass er keine Minute mehr warten konnte.«

      »Gerade beschäftige ich mich viel mit den 1950ern […]. Das Feeling der 1950er ist sehr wichtig«, sagte Bolan dem NME ein paar Jahre, nachdem er Popstar geworden war. Dieses »Feeling« war schon immer Teil seiner DNA, selbst bei Tyrannosaurus Rex, doch es wurde von den geselligen Hippies und ihren Akustikgitarren überdeckt und kam nur hier und da mal in Songs wie »Hot Rod Mama« oder »One Inch Rock« zum Vorschein. Sobald er sich eine E-Gitarre umgeschnallt hatte, kam seine Liebe für Eddie Cochran, Chuck Berry, Ricky Nelsons Gitarristen James Burton und andere wieder zum Vorschein. Wenn man will, kann man die Songs von T. Rex in ihre Einzelteile zerlegen und die Riffs zu ihren Ursprüngen in Songs von Little Richard, Chuck Berry, Howlin’ Wolf, Jimmy McCracklin etc. zurückverfolgen. Manchmal baute Bolan auch Zitate ein, die auf den Song verwiesen, von dem er sich hatte inspirieren lassen. Die Zeile »Meanwhile I’m still thinking« während dem Fade-out von »Get It On« etwa verweist auf Berrys »Little Queenie« und »Telegram Sam« zieht mit der Zeile »I’m a howlin’ wolf« seinen Hut vor »Smokestack Lightning«.

      Das Endprodukt klang jedoch nicht einfach nur nach einer – genau studierten – Kopie. T. Rex waren zwar Rock ’n’ Roll, aber verwoben mit allem, das ihm bis dahin historisch gefolgt war: die halluzinogene Englishness von »Strawberry Fields Forever« und »See Emily Play«, die folkadelische Stimmung von Donovans »Jennifer Juniper« und The Incredible String Bands The Hangman’s Beautiful Daughter.

      »Ride a White Swan«, der erste Hit von T. Rex, hat die Hippie-Ära noch nicht gänzlich hinter sich gelassen: Der Wagen, um den es geht, wird von Flügeln angetrieben statt von einem Verbrennungsmotor und im Text tauchen Druiden auf. T. Rex sendeten verwirrende Signale. Sie gingen auf eine große Tour mit Ticketpreisen zu gerade mal 50 Pence, um finanziell nicht gut gestellte Teenager anzuziehen, und doch wurden sie in den Werbeanzeigen als »letzte der großen Undergroundbands« angekündigt. Aber anders als zu Tyrannosaurus-Rex-Zeiten – als Bolan die Beine übereinanderschlug – bewegte sich der Sänger nun rhythmisch zum Groove, den die neu hinzugefügte Rhythmusgruppe aus Steve Currie (Bass) und Bill Legend (Schlagzeug) lieferte, über die Bühne. Obwohl »Ride a White Swan« noch vor dem Eintritt der neuen Bandmitglieder produziert worden war, eignete sich der Song perfekt für die Tanzflächen der Diskotheken. Langsam aber stetig stieg die Single in den Charts auf, bis sie es schließlich Ende Januar 1971 auf Platz zwei geschafft hatte. Die Spitzenposition war von der sentimentalen Novelty-Single »Grandad« von Clive Dunn und einem Mädchenchor besetzt.

      Doch bald würden diese Tweenies in Richtung Marc Bolan kreischen, der zum