Blaue Iris - Roland Benito-Krimi 11. Inger Gammelgaard Madsen. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Inger Gammelgaard Madsen
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788726094862
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hatte. Mira hatte nicht gewusst, dass Solveig da sein würde, aber sie war auch keine Konkurrentin; sie hatte einfach keinen Stil und ihr BMI war auf jeden Fall auch total verkehrt. Es wunderte Mira, was Oliver in ihr sah. Wie man sie statt Iris wählen konnte. Iris war ausgerastet, als sie entdeckte, dass Oliver mit Solveig zusammenkam. Sie hätte nie eine Chance gehabt hier zu sitzen, wenn Iris noch gelebt hätte. Iris drohte damit, dass sie Solveig töten würde, und nannte sie Schlampe und alles Mögliche. Sagte, dass sie Oliver sicher nur mit Sex gelockt hatte, aber Mira war anderer Meinung. Das hatte sie Iris natürlich nicht gesagt. Solveig wirkte viel zu verschämt, verlegen und langweilig, um auch nur zu versuchen, Sex mit einem Jungen zu haben. Vielleicht mochte Oliver sie deswegen lieber als Iris, die keinen Hehl daraus machte, dass ihre Vorbilder die Babes waren, die sich selbst in den Paradise Hotel-Programmen zur Schau stellten, von denen Mira einfach tat, als ob sie sie gut fand, wenn sie sie mit Iris sah. Mira hatte im Internet gelesen, dass Männer vor solchen Frauen Angst hatten und so viel Erwartungsangst bekamen, dass sie keinen hochkriegten. Noch schlimmer war es, wenn das Mädchen gleichzeitig so hübsch war wie Iris.

      „Okay, aber wenn sie dabei sein will, muss sie uns erzählen, was sie über die Ermittlung weiß, und sie muss auch die Aufnahmeprüfung bestehen“, beschloss Mira.

      „Was muss man denn bei dieser Aufnahmeprüfung machen?“, fragte Solveig, nahm Olivers Zigarettenstummel entgegen und warf ihn ins Feuer, da sie am nächsten dran saß.

      „Ja, die hast du ja eigentlich auch nicht bestanden!“

      „Muss sie auch nicht! Ich habe sie gemacht und Solveig ist mit mir zusammen, wir sind wie eins“, entschied Oliver.

      „Iris hat sie ja im Übrigen auch nicht gemacht.“

      Mira zuckte die Schultern. Das stimmte, aber Iris hatte die Gang ja auch gegründet, und da hatte man wohl das Recht, ohne eine Aufnahmeprüfung Mitglied zu sein.

      „Was muss man da machen?“, fragte Solveig noch mal.

      „Das wirst du sehen, weil du sie natürlich bestehen musst wie wir anderen alle auch“, sagte Mira.

      „Wie heißt der Klub eigentlich?“, fragte Solveig.

      „Das ist kein Klub, das ist ein Zusammenhalt. Wir nennen uns die Gang, und du musst schwören, den Mitgliedern gegenüber total loyal zu sein.“

      „Klar doch.“ Solveig grinste angespannt.

      „Was auch passiert!“, fügte Mira ernst hinzu.

      Solveig nickte, aber ihr Gesicht hatte einen unsicheren Ausdruck angenommen. Sie drückte Olivers Arm.

      „Ich muss doch nichts Gefährliches machen?“

      „Natürlich nicht“, tröstete Oliver. „Wer bestimmt das eigentlich? Das hat sonst immer Iris gemacht.“ „Dann wohl Mira?“, meinte Frederikke. Sie wärmte die Hände am Feuer. Sie hatte nicht ein einziges Gramm Fett am Körper, das sie in dem dünnen Mantel, den sie trug, vor der Kälte hätte schützen können. Ihre hellblonden Haare waren auch dünn und ragten unter einer roten Strickmütze hervor.

      Mira wünschte, sie hätte Iris’ geheime Mappe finden können. Sie hatte das Gefühl, dass darin etwas über die Gang stand. Regeln oder Vorschriften, die Iris erfunden hatte. Vielleicht waren es auch bloß ihre Zeichnungen. Aber es gab etwas, das Mira nicht sehen durfte, und es hatte eine Kluft zwischen ihnen geschaffen, dass sie ein Geheimnis hatte, das sie nicht mit ihrer besten Freundin teilte. Sie hatte gestern Abend nach der Gedenkfeier in Iris’ Zimmer danach gesucht, als sie auf einen Tee bei Iris’ Eltern waren. Mira war kurz davor, wieder zu gehen, als sie Jakob sah, aber er war Iris’ Bruder, also war es natürlich, dass auch er da war. Sie hatte es vermieden ihn anzusehen, obwohl sie spürte, dass er sie anstarrte.

      Der Gedanke an die geheime Mappe war ihr gekommen, als sie die Toilette im ersten Stock benutzt hatte, die direkt neben Iris’ Zimmer lag. Jetzt, da Iris tot war, würde sie nie entdecken, dass sie reinschaute. Sie war hineingeschlüpft, um sie aus dem Paneel hinter Iris’ Schreibtisch zu holen. Mira hatte gesehen, dass sie sie dort versteckte. Es war rein zufällig gewesen an einem Nachmittag, als sie auf dem Heimweg fast schon die Treppe hinunter gewesen und ihr dann eingefallen war, dass sie ihr iPhone in Iris’ Zimmer vergessen hatte. Iris hatte sie offenbar nicht gehört und wusste nicht, dass sie sah, wo sie die Mappe versteckte. Mira hatte sich ein wenig zurückgezogen und gewartet, und erst, als Iris sich auf ihren Schreibtischstuhl setzte, ging sie hinein und tat, als sei sie gerade erst zurückgekommen, um ihr Smartphone zu holen. Aber gestern Abend war die Mappe nicht hinter dem Paneel gewesen. Vielleicht hatte die Polizei sie gefunden, als sie ihr Zimmer durchsucht hatte.

      „Wann denn?“, fragte Solveig, und jetzt zitterte ihre Stimme. Ob aus Angst oder vor Spannung konnte Mira nicht sagen. Garantiert Ersteres.

      „Es muss ganz dunkel sein und niemand darf wissen, dass wir uns treffen.“

      Die anderen nickten gleichzeitig und Mira spürte die Süße der Macht. Jetzt bestimmte sie.

      „Ich schicke eine Nachricht im Messenger rum, wo wir uns treffen, und die Regel ist, Solveig, jedes Mal, wenn du eine Nachricht von uns aus der Gang kriegst, musst du sie sofort löschen, kapiert?“

      Solveig nickte und Mira kämpfte, um ein Lächeln zu verbergen, als sie ihre Mühe sah zu schlucken. Die würde es nicht lange aushalten.

      Kapitel 9

      Die Pflanzenlampen im Gewächshaus leuchteten mit einem warmen, gemütlichen Schimmer in der zunehmenden Nachmittagsdunkelheit. Roland parkte auf dem schneegeräumten Hofplatz. Es hatte aufgehört zu schneien.

      Hafid Ahmed saß schweigend neben ihm, und Roland überlegte, ob er vielleicht doch Probleme mit seinem neuen Chef hatte wegen seiner früheren Arbeit bei der Polizeibehörde. Er hatte sicher Berichte von all den Kollegen gehört, gegen die Roland ermittelt hatte, was zu ernsten Abmahnungen, Bußgeldern, Entlassungen und Gefängnisstrafen geführt hatte. Während der Fahrt hatte Hafid nur kurz und unmotiviert auf Rolands Fragen nach den Ursprüngen des Beamten in Marokko geantwortet. Er hatte über seine eigenen neapolitanischen Wurzeln erzählt in dem vergeblichen Versuch, ein Gespräch in Gang zu bringen.

      Roland öffnete die Tür und stieg aus. Es knirschte unter den Schuhsohlen, und sein einer Fuß rutschte auf dem glatten Eis.

      „Pass auf, hier kann es glatt sein“, warnte er Hafid, der gerade die Autotür öffnete.

      Die Gärtnerei Waldschatten war verhältnismäßig klein. Roland zählte drei mittelgroße Gewächshäuser in einer Reihe. Ein schwarzgescheckter Hofhund begrüßte sie, ohne zu bellen, dann lief er zum mittleren Gewächshaus, wo Roland hinter dem Glas den Schatten eines Mannes sehen konnte. Sie folgten ihm und Roland öffnete die Tür.

      „Der Hund darf hier nicht rein! Der macht die Blumen kaputt!“, knurrte ein Mann mittleren Alters in blauem Jeansoverall über einem dicken, karierten Holzfällerhemd. Roland scheuchte den Hund mitleidig wieder raus in die Kälte und schloss die Tür.

      „Wenn ihr von den Zeugen Jehovas seid, könnt ihr gleich wieder abhauen“, sagte der Gärtner, der über einen blauen Blumenkopf gebeugt war, den er vorsichtig in seinen dicken Fingern hielt und intensiv beäugte, als wäre es ein wertvolles Gemälde.

      „Sind Sie Laurits Kjeldsen?“, fragte Roland und stellte sie vor. Sie zeigten ihre Dienstmarken als Nachweis dafür, dass sie definitiv nicht von den Zeugen Jehovas kamen.

      „Die Polizei! Ihr kommt ja auch nicht jeden Tag vorbei, nicht mal, wenn wir Vandalismus und Einbruch hatten“, stellte Laurits verdrossen fest.

      „Wir kommen von der Mordkommission, Diebstahl und Vandalismus fallen nicht in unsere Zuständigkeit“, antwortete Roland freundlich. Es war ganz normal, dass die Leute glaubten, die Polizei sei eine Gesamteinheit, die sich um alles kümmerte und nicht untergliedert war in Spezialabteilungen. „Wir sind wegen Ihrer Iris-Blumen gekommen.“

      Der Ausdruck in Laurits’ fleischigem Gesicht wechselte mit einem Mal von Entrüstung zu offensichtlicher Verblüffung.

      „Meinen