Mit seinem langgezogenen Körper erinnert der Hund an einen Dackel, aber die Ohren stimmen nicht, sie sind zu kurz.
Der Arzt ist eigentlich Zahnarzt und macht das nebenher, meine halbe Schule war schon hier. Er nimmt es nicht so genau mit dem elterlichen Einverständnis, man muss ihm zwar etwas Schriftliches vorlegen, aber da er die Unterschriften unserer Eltern nicht kennt, ist das reine Formsache.
Svenja trägt einen Zungenstecker, wegen dem sie tagelang kaum sprechen und bloß Eiswürfel lutschen konnte und jetzt noch dünner ist als ohnehin. Olga hat sich die rechte Brustwarze durchstechen lassen.
Sie hätte eigentlich lieber einen Ring durch den Bauchnabel gehabt wie ich, und an ihrem Bauch, der im Gegensatz zu meinem richtig flach und muskulös ist, würde das auch großartig aussehen, doch ihr Busen ist der einzige Körperteil neben ihrem Schambereich, den ihre Eltern nicht stichprobenartig auf Knutschflecke untersuchen. Sie muss dann im Bikini in der Küche stehen, da dort das Licht gut ist, und sich drehen, damit den elterlichen Blicken kein Zentimeter Haut entgeht. Im Badezimmer wäre das Licht noch besser, aber darin ist es zu eng für drei.
Ich muss mich einmal im Jahr in der Dermatologie ausziehen, zur Leberfleckkontrolle, weil ich so helle Haut habe. Olga muss ein- bis zweimal pro Woche halbnackt in der Küche antanzen.
Sobald ein Junge, mit dem Olga geht, Anstalten macht, mit seinem Mund länger als nötig an ihrem Hals oder Bauch zu verharren, oder gar versucht zuzubeißen, wird sie fuchsteufelswild. Sie ist für vieles zu haben, aber dafür nicht.
Es blutet und entzündet sich. So stark, dass ich zum Zahnarzt zurückkehre, ich klingle vergebens.
Die Praxis ist geschlossen und wird es bis auf Weiteres bleiben, der Arzt hat es nicht nur mit der Sterilität bei den Steckern nicht so genau genommen.
Die Entzündung verschlimmert sich, bis ich den Ring selbst entferne, was eine Heidenfummelei ist mit Blut und Eiter.
In der Zeitung steht, dass der Zahnarzt verklagt wurde, da es in seiner Praxis durch mangelnde Hygiene in mehreren Fällen zu HIV-Infektionen gekommen sein soll.
Die Beratung geht schnell, da ich noch Jungfrau bin und nicht wissen konnte, dass der Arzt ein Pfuscher war. Ich soll ein paar Broschüren mitnehmen und in sieben Tagen für das Ergebnis wiederkommen.
Mein Vater wird mich von der Beratungsstelle abholen, er wird denken, ich sei in der Bücherei gewesen. Dass ich keinerlei Bücher bei mir trage, dafür aber einen Stapel Flyer, wird er bemerken, aber nach kurzer Überlegung nicht weiter kommentieren.
Mein Vater wird mich nach einer Woche wieder abholen. Trotz der Büchertasche, an die ich diesmal gedacht haben werde, wird er angespannt wirken, als ich einsteige, und das Radio erst einschalten, nachdem er meine Erleichterung registriert hat.
Aus dem Autofenster werde ich eine blauschwarze Bulldogge auf der Straße sehen und an das Zahnarztkind denken: So einen Hund hatte es zu zeichnen versucht.
8
Was machst du, wenn deine Kinder Frauen werden?
Wenn deine Kinder Töchter sind und Frauen werden, was machst du dann?
Wenn deine Töchter keine Kinder bleiben wollen
(wie du insgeheim hofftest),
sich aber immer noch so aufführen.
Wenn sie nicht begreifen wollen,
dass ihre neuen Kurven mit Sex aufgeladen
andere zum Angreifen einladen.
Dass sie nicht mehr nackt vorm Fenster flanieren können,
ohne dass sich Nachbarn Dreckiges denken
und die Nacken verrenken.
Dass sie die Aussicht auf sich versperren müssen,
die gottverdammten Vorhänge zuziehen,
wenn sie sich ausziehen (Wozu hast du die Jalousien angebracht?).
Sie mögen ihre Zimmer abdichten,
das Licht abdunkeln und runterdimmen,
um die fremde Begierde einzudämmen,
bevor sich Frivoles einstellt.
Was machst du, wenn sie erhobenen Hauptes
und schnellen Schrittes,
brüstewippend,
auf hohen Hacken die Straße auf und ab klappern,
als gehörte sie ihnen,
statt den Blick zu senken, die Arme zu verschränken, um vom Busen abzulenken?
Sie denken sich nichts dabei.
Stolzieren an Baustellen vorbei,
als trügen sie keinen forschen Vorbau vor sich her,
der Arbeiter ablenkt und anfeuert,
Worte auf sie abzufeuern, die ihre Wangen brennen lassen
und ihnen Beine machen, wenn sie Bein zeigen.
(Und das tun sie, egal wie stummelig und pummelig sie sind)
Die Arbeiterschaft hat Komplimente für alle, nicht nur für die Hübschen.
Was machst du, wenn ihnen das über die trotzigen Köpfe wächst
und sie weinend heimkommen,
aufgebracht ob der Aufmerksamkeit, die ihnen zuteil kam,
was machst du dann?
Wenn übertriebene Tränen ihre überraschten Gesichter übersähen,
dicke Schminke aufwühlen
und in dreckigen Rinnsalen einen Weg
die fleckigen Wangen herabfinden,
was machst du dann?
Drückst du sie an dich und tröstest
die aufgelösten Gören?
Eine gewisse Gewöhnung kann nicht schaden.
Ertragen lernen werden sie müssen,
Vorsicht ist besser als alles andere,
aber abzuwenden vermag keine das,
was mit dem Frauwerden einhergeht.
Wenn sie es nicht schätzen, müssen sie sich schützen:
Verschlüsse sind hochzuziehen,
die Röcke hinunter (vielleicht nicht mehr bis über die Knie wie bei
dir damals, aber sicher tiefer, als was heutzutage als Rock durchgeht),
nicht zu züchtig (man soll sie ja nicht für eine Nonne halten oder
eine Männerhasserin),
aber anständig genug, um den Mut
der Zuschauenden nicht anzustacheln,
sondern ihren anzüglichen Anflügen standzuhalten.
Eine Rüstung gegen Rufe von Gerüsten herab,
oder aus Baugruben hinauf,
bis die Jugend verblasst