Der Untertan. Heinrich Mann. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Heinrich Mann
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783962818234
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auf und trock­ne­te den Bo­den. Dann tru­gen sie De­litzsch auf das Bett. Dem form­lo­sen Ge­jam­mer der Wir­tin ge­gen­über ver­harr­ten bei­de in streng kom­ment­mä­ßi­ger Hal­tung. Un­ter­wegs zur Er­le­di­gung des Wei­te­ren – sie mar­schier­ten im Takt ne­ben­ein­an­der – sag­te Wie­bel mit straf­fer To­des­ver­ach­tung:

      »So was kann je­dem von uns pas­sie­ren. Knei­pen ist kein Spaß. Das kann sich je­der ge­sagt sein las­sen.«

      Rosa war nicht übel an­ge­zo­gen, auf dem Ball fand sie Be­wer­ber. Da­mit Die­de­rich noch eine Pol­ka be­kam, war er ge­nö­tigt, sie dar­an zu er­in­nern, dass er ihr die Hand­schu­he ge­kauft habe. Schon mach­te er zur Ein­lei­tung des Tan­zes sei­ne kor­rek­te Ver­beu­gung, da dräng­te sich un­ver­se­hens ein an­de­rer da­zwi­schen und polk­te mit Rosa von dan­nen. Be­tre­ten sah Die­de­rich ih­nen nach, im dunklen Ge­fühl, dass er hier wer­de ein­schrei­ten müs­sen. Be­vor er sich aber reg­te, war ein Mäd­chen durch die tan­zen­den Paa­re ge­stürzt, hat­te Rosa geohr­feigt und sie in unz­ar­ter Wei­se von ih­rem Part­ner ge­trennt. Dies se­hen und auf Ro­sas Räu­ber los­mar­schie­ren, war für Die­de­rich eins.

      »Mein Herr«, sag­te er und sah ihm fest in die Au­gen, »Ihr Be­neh­men ist un­qua­li­fi­zier­bar.«

      Der an­de­re er­wi­der­te:

      »Wenn schon.«

      Über­rascht von die­ser un­ge­wöhn­li­chen Wen­dung ei­nes of­fi­zi­el­len Ge­sprächs, stam­mel­te Die­de­rich:

      »Kno­te.«

      Der an­de­re er­wi­der­te prompt:

      »Scho­te« – und lach­te da­bei. Durch so viel Form­lo­sig­keit vollends aus der Fas­sung ge­bracht, woll­te Die­de­rich sich schon ver­beu­gen und ab­tre­ten; aber der an­de­re stieß ihn plötz­lich vor den Bauch – und gleich dar­auf wälz­ten sie sich zu­sam­men am Bo­den. Um­ringt von Ge­kreisch und an­feu­ern­den Zu­ru­fen kämpf­ten sie, bis man sie trenn­te. Gott­lieb Hor­nung, der Die­de­richs Klem­mer su­chen half, rief: »Da reißt er aus« – und war schon hin­ter­her. Die­de­rich folg­te. Sie sa­hen den an­de­ren mit ei­nem Beglei­ter ge­ra­de noch in eine Drosch­ke stei­gen und nah­men die nächs­te. Hor­nung be­haup­te­te, die Ver­bin­dung dür­fe das nicht auf sich sit­zen las­sen. »So was kneift und be­küm­mert sich nicht mal mehr um die Dame.«

      Die­de­rich er­klär­te:

      »Was Rosa be­trifft, die ist für mich er­le­digt.«

      »Für mich auch.«

      Die Fahrt war auf­re­gend. »Ob wir nach­kom­men? Wir ha­ben einen lah­men Gaul.« – »Wenn der Pro­let nun nicht sa­tis­fak­ti­ons­fä­hig ist?« Man ent­schied: »Dann hat die Sa­che of­fi­zi­ell nicht statt­ge­fun­den.«

      Der ers­te Wa­gen hielt im Wes­ten vor ei­nem an­stän­di­gen Haus. Die­de­rich und Hor­nung tra­fen ein, wie das Tor zu­ge­schla­gen ward. Ent­schlos­sen pos­tier­ten sie sich da­vor. Es ward kühl, sie mar­schier­ten hin und her vor dem Hau­se, zwan­zig Schrit­te nach links, zwan­zig Schrit­te nach rechts, be­hiel­ten im­mer die Tür im Auge und wie­der­hol­ten im­mer die­sel­ben erns­ten und weit­tra­gen­den Re­den. Nur Pis­to­len ka­men hier in Fra­ge! Dies­mal war die Ehre der Neu­teu­to­nia teu­er zu be­zah­len! Wenn es nur kein Pro­let war!

      End­lich kam der Por­tier zum Vor­schein, und sie nah­men ihn ins Ver­hör. Sie such­ten ihm die Her­ren zu be­schrei­ben, fan­den aber, dass die bei­den kei­ne be­son­de­ren Kenn­zei­chen hat­ten. Hor­nung, noch lei­den­schaft­li­cher als Die­de­rich, blieb da­bei, dass man war­ten müs­se, und noch zwei Stun­den lang mar­schier­ten sie hin und her, dann bo­gen aus dem Hau­se zwei Of­fi­zie­re. Die­de­rich und Hor­nung ris­sen die Au­gen auf, un­ge­wiss, ob hier nicht ein Irr­tum vor­lag. Die Of­fi­zie­re stutz­ten. Ei­ner schi­en so­gar zu er­blei­chen. Da ent­schloss Die­de­rich sich. Er trat vor den Er­bleich­ten hin.

      »Mein Herr –«

      Die Stim­me ver­sag­te ihm. Der Leut­nant sag­te, ver­le­gen: »Sie ir­ren sich wohl.«

      Die­de­rich brach­te her­vor:

      »Durchaus nicht. Ich muss Ge­nug­tu­ung for­dern. Sie ha­ben sich –«

      »Ich ken­ne Sie ja gar nicht«, stam­mel­te der Leut­nant. Aber sein Ka­me­rad flüs­ter­te ihm et­was zu: »So geht das nicht« – er ließ sich von dem an­de­ren die Kar­te ge­ben, leg­te sei­ne ei­ge­ne dazu und über­reich­te sie Die­de­rich. Die­de­rich gab die sei­ne her; dann las er: »Al­brecht Graf Tau­ern-Bä­ren­heim«. Da nahm