Abb. 1: Eröffnungsbilanz
Die Bilanz zeigt auf der Passivseite die Mittelherkunft des Kapitals und damit die Finanzierungsseite. Im Rahmen der Gesellschaftsgründung wurden der Unternehmung 200 TEUR in Form von Eigenkapital von außen zugeführt. Würde sich dieses Buch vorwiegend mit dem Finanzmanagement beschäftigen, wäre es die so genannte Außenfinanzierung.1 Das Kapital schlägt sich im vorliegenden Fall auf der Aktivseite ausschließlich in Form von liquiden Mitteln nieder.2 Die Aktivseite zeigt somit die Mittelverwendung und damit die Investitionsseite. Aktiva und Passiva sind also lediglich die beiden Seiten ein und derselben Medaille! Eine Bilanz ist immer im Gleichgewicht, d. h. die Summe der Aktiva entspricht der Summe der Passiva. Der Geschäftsvorfall wurde liquiditätswirksam, da es zu einem Zufluss von Geld gekommen ist. Dies wird im Rahmen der Liquiditätsrechnung durch die Einzahlung (EZ1 = Einzahlung des Geschäftsvorfalls Nr. 1) in Höhe von 200 TEUR deutlich. Es ist eine erste Querverbindung zwischen der Bilanz und der Liquiditätsrechnung erkennbar. Der Saldo der liquiden Mittel der Bilanz stimmt nämlich (immer) mit dem Saldo der Liquiditätsrechnung (EZÜ = Einzahlungsüberschuss) überein! Der Geschäftsvorfall berührt weder die Gewinn- und Verlustrechnung noch die Kostenrechnung.
2. Geschäftsvorfall: Der Unternehmer benötigt maschinelle Anlagen in Form von Betriebs- und Geschäftsausstattungen in Höhe von 400 TEUR. Aus der obigen Bilanz wird unmittelbar ersichtlich, dass die verfügbare Liquidität nicht ausreicht, um diese Investition zu tätigen. Deshalb nimmt der Unternehmer ein Darlehen bei seiner Hausbank in Höhe von 400 TEUR auf.
Der Geschäftsvorfall hat folgende Auswirkungen (bei der weiteren Betrachtung werden die Veränderungen als grau schraffierte Felder markiert):
Abb. 2: Bilanz nach Anlagenkauf finanziert durch Fremdkapital
Durch die erforderlichen Investitionen in langfristig gebundenes Anlagevermögen in Höhe von 400 TEUR hat sich die Bilanzstruktur ganz maßgeblich verändert. Die Unternehmung ist nun zu 2/3 über ein Bankdarlehen finanziert. Im Rahmen der Liquiditätsrechnung werden Aufnahme und Verwendung des Bankdarlehens brutto ausgewiesen. Die Darlehensaufnahme sorgte zunächst für einen Liquiditätszufluss (EZ2), zeitgleich aber auch zu einer Auszahlung (AZ2). Der Einzahlungsüberschuss stimmt nach der Transaktion wiederum mit dem Bestand der liquiden Mittel der Bilanz überein.
Ebenso wie beim ersten Geschäftsvorfall werden die Gewinn- und Verlustrechnung sowie die Kostenrechnung noch nicht angesprochen.
3. Geschäftsvorfall: Der Unternehmer kauft Vorräte, die anschließend weiterverarbeitet werden sollen. Die Vorräte kosten 120 TEUR und werden bar bezahlt.
Abb. 3: Bilanz nach Zukauf von Vorräten
Theoretisch hätten bei diesem Geschäftsvorfall auch schon die bestehenden Materialaufwendungen der GuV sowie die Materialkosten der Kostenrechnung zugeführt werden können. Diesen Geschäftsvorfall bezeichnet man buchhalterisch auch als reinen Aktivtausch, da die Passivseite nicht angesprochen wird.
4. Geschäftsvorfall: Die Gesellschaft stellt Mitarbeiter ein, die in diesem Jahr 660 TEUR kosten und mit Vorräten im Wert von 70 TEUR Umsatzerlöse in Höhe von 840 TEUR erzielen. Von den Umsatzerlösen werden 11/12 liquiditätswirksam, die verbleibenden 1/12 sind Forderungen aus Lieferungen und Leistungen.
Erstmalig wirkt sich ein Geschäftsvorfall auf die Gewinn- und Verlustrechnung und die Kostenrechnung aus:
Abb. 4: Erste komplexe Struktur des Rechnungswesens
In der Bilanz zeigt sich der Geschäftsvorfall sowohl bei den Vorräten, den Forderungen als auch den liquiden Mitteln. Ein- und Auszahlungen (EZ4 und AZ4) werden bei der Liquiditätsrechnung wiederum brutto dargestellt. Die Gewinn- und Verlustrechnung zeigt im Haben den Umsatzerlös und im Soll den Personal- und Materialaufwand. Der bislang entstandene Gewinn in Höhe der Differenz (110 TEUR) würde, wenn der Jahresabschluss nun zu erstellen wäre, dem Eigenkapital zugeordnet und würde somit die Passiva auf 710 TEUR (= Aktiva) erhöhen. Hier zeigt sich die nächste Querverbindung innerhalb des externen Rechnungswesens. Der Saldo der Gewinn- und Verlustrechnung ist nämlich dem Eigenkapital zuzuschlagen. Im Falle eines Gewinnes wird damit eine weitere Form der Finanzierung angesprochen, nämlich mit der so genannten Gewinnthesaurierung eine Form der offenen Selbstfinanzierung (Innenfinanzierung). Die Bilanz wäre nach der Übernahme des Gewinnes wiederum im Gleichgewicht. Da es sich bei dem Geschäftsvorfall um das operative Geschäft der Unternehmung handelt, werden die Umsatzerlöse in der Kostenrechnung als Leistungen und die Personal- und Materialaufwendungen als Personal- und Materialkosten dargestellt. Bis zu diesem Zeitpunkt sind Gewinn und operatives Ergebnis in Höhe von 110 TEUR identisch.
5. Geschäftsvorfall: Das Bankdarlehen kostet 3 % Zinsen (12 TEUR) und wird in bar bezahlt. Tilgungsleistungen fallen in diesem Jahr noch nicht an.
Abb. 5: Gemeinsamkeiten und Unterschiede des Rechnungswesens I
Dieser Geschäftsvorfall sorgt in der gleichen Höhe für sowohl Zinsaufwendungen als auch Zinskosten. Dies ist nicht zwingend der Fall. Vielmehr hängt es für den Kostenrechner davon ab, ob er langfristig mit diesen Zinsen kalkulieren kann. Hätte es sich bspw. um ein zinsgünstiges Darlehen der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) gehandelt, wären die Zinskosten nach oben angepasst worden. Im Zuge der Kostenrechnung werden auch manchmal kalkulatorische Zinsen angesetzt, die entstehen können, wenn man eigentlich aufgrund niedrigen Fremdkapitals keine oder lediglich sehr geringe Zinsaufwendungen hat.
6. Geschäftsvorfall: Das Anlagevermögen wird aufgrund des Verschleißes sowie des technischen Fortschritts über 5 Jahre linear abgeschrieben, so dass im Jahresabschluss 80 TEUR erfolgswirksam erfasst werden (400 TEUR / 5 Jahre).
Abb. 6: Gemeinsamkeiten und Unterschiede des Rechnungswesens II
Dieser Geschäftsvorfall zeigt einen elementaren Unterschied zu den vorangegangenen. Der handelsrechtliche Aufwand (80 TEUR) vermindert das Anlagevermögen und den ausgewiesenen Gewinn durch die Berücksichtigung der Abschreibung, wird aber nicht im Rahmen der Liquiditätsrechnung dargestellt. Es handelt sich um einen rein buchhalterischen Vorgang, der nicht zu einer Auszahlung führt. Ferner wurde im Rahmen der Kostenrechnung der langfristige erwartete Werteverschleiß des Anlagevermögens mit 90 TEUR etwas höher ausgewiesen, die kalkulatorische Abschreibung (90 TEUR) weicht folglich von der handelsrechtlichen Abschreibung der Gewinn- und Verlustrechnung in Höhe von 10 TEUR ab. Hier zeigt sich eine Problematik, die der Kostenrechner immer zu lösen hat. Er leitet die Kosten und Leistungen aus der Gewinn- und Verlustrechnung ab und muss grundsätzlich die Frage beantworten, ob erstens die Aufwendungen in gleicher Höhe als Kosten zu übernehmen sind (Grundkosten oder aufwandsgleiche Kosten), ob zweitens die Aufwendungen in einer anderen Höhe als Kosten ihren Niederschlag finden (Anderskosten) oder ob drittens die Aufwendungen möglicherweise gar keine Kosten darstellen (neutrale Aufwendungen). Im hier vorliegenden Fall wurde exemplarisch einmal von Anderskosten ausgegangen, natürlich wären auch die beiden anderen Varianten (Grundkosten oder neutrale Aufwendungen) denkbar gewesen.
7. Geschäftsvorfall: Da die Geschäftsleitung kurzfristig wenig Liquidität benötigt, wird ein Teil davon aus Rentabilitätsgründen in Wertpapiere angelegt (100 TEUR).