Privatdetektiv Joe Barry - Mord im Bunny-Club. Joe Barry. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Joe Barry
Издательство: Bookwire
Серия: Kommissar Y
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788711669044
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völlig sinnlos“, faßte Joe zusammen. „Das einzige, was ich tun kann, ist, meine Kenntnisse über ihn aufzufrischen. Deshalb bin ich hergekommen. Ich möchte gern in eurem Archiv herumstöbern. Ihr habt doch einen dicken Akt über Viktor Louis.“

      „Klar“, sagte Tom. „Ich werde Archie Bescheid sagen. Und komm noch mal zu mir herein, wenn du fertig bist. An diesem verdammten Bericht sitze ich noch mindestens eine Stunde, und danach können wir zusammen rasch noch einen zwitschern, ehe du mit dem bösen Viktor in den Clinch gehst.“

      Archie war der Leiter des Archivs, eine graue, eingeschrumpfte Gestalt, die sich von Neonlicht und Aktenstaub ernährte und das Gedächtnis eines Elefanten besaß.

      „Viktor Louis gibt es zwei“, erklärte er. „Einer gehörte zu der Bande, die an den großen Überfällen auf die Postkutschen der Wells-Fargo-Gesellschaft beteiligt war. 1864 war das.“

      „Wenn Wells Fargo mir den Fall zur Aufklärung überträgt, komme ich darauf zurück“, sagte Joe grinsend. „Im Augenblick interessiert mich der andere Viktor.“

      „Der sitzt in Scranton. Das heißt, er müßte gerade entlassen sein.“ Archies Gedächtnis war wirklich phänomenal.

      „Stimmt genau“, sagte Joe. „Was weißt du noch über ihn?“

      „Zunächst das übliche Zeug. Viktor kontrollierte eine Kette von Nachtlokalen in der oberen Bowery. Nebenbei machte er natürlich in Rauschgift. Aber seine eigentliche Spezialität war etwas anderes: Erpressung. Er verschaffte sich Kenntnis von Dingen, die seine Kunden geheimhalten wollten, und ließ sich sein Schweigen bezahlen. Beliebtester Dreh: der Chef mit der Sekretärin im Hotelzimmer und das heimlich davon angefertigte Foto, das die Ehefrau des Chefs natürlich nicht sehen sollte.“

      „Nachgewissen wurde ihm aber nie etwas!“

      „Nie.“ Archie spuckte seinen Priem zielsicher in den Blechhapf mit der Aufschrift „Denke“. Der Napf stand vor dem RCA Computer, der seit einiger Zeit im Archiv stand, und mit dem Archie in einer geradezu persönlichen Feindschaft lebte.

      „Deshalb steht davon auch nichts Offizielles in den Akten“, fuhr der Archivar fort. „Aber du kannst dich darauf verlassen, daß es so war. Ich habe meine Spezialmethode, solche Dinge herauszubekommen. Vorläufig geht es eben nicht ohne den guten alten Archie.“

      Er warf dem Computer einen vernichtenden Blick zu.

      „Deshalb bin ich ja auch zu dir gekommen“, träufelte Joe öl in seine Wunde. „Vor vier Jahren wurde Viktor Louis der Prozeß gemacht. Ich möchte gern von dir hören, wie es damals war. Ich meine, wie es wirklich war.“

      Archie holte ein Stüde Kautabak aus der Tasche und biß ein neues Stück ab. Vier Generationen von Polizeichefs hatten vergeblich versucht, ihn davon abzubringen.

      „Die Sache war damals die: Viktor hatte gerade Daniel Boynbaum am Wickel.“

      „Den Börsenjobber?“

      „Ganz recht, den Wunderknaben von der Wall Street. Ich nehme an, es war die übliche Sache. Boynbaum ist mit Sarah Miles verheiratet, der Tochter von Hugh Miles, dem seriösesten Mann der ganzen Ostküste, seines Zeichens Börsenpräsident. Sarah ist eine üble Schreckschraube, aber für einen Mann wie Boynbaum, der mit geliehenden Geldern an der Börse spekulierte, war sie geradezu ein Geschenk des Himmels.

      Die Heirat kam zustande. Boynbaum mußte sich verpflichten, nur noch ehrliche Geschäfte zu tätigen, und möglicherweise tat er das. Als Belohnung winkte schließlich das umfangreiche Erbe von Hugh Miles und das Recht, sich eines Tages Daniel Miles Boynbaum zu nennen.“

      „Aber der liebe Daniel ging fremd, wie?“

      Archie kicherte. „Er hatte eine Schwäche für kurvige Blondinen. Und Sarah hatte nichts zu bieten, um ihn von dieser Schwäche zu kurieren,“

      „Er geriet also in die Fänge unseres Freundes Viktor?“

      „Der liebe Viktor besorgte ihm haufenweise die begehrten Blondinen. Er holte sie einfach aus seinen Nachtklubs. Und völlig gratis schickte er einen Fotografen mit.

      Der Rest war die übliche Geschichte. Daniel Boynbaum zahlte anstandslos, denn wenn sein Schwiegervater etwas von seinen Eskapaden erfahren hätte, wäre die Scheidung fällig gewesen. Es gibt nur eine Sache auf der Welt, an die Hugh Miles wirklich glaubt, und das ist die Qualität des Namens Miles.“

      „Weißt du, wieviel Daniel zahlte?“

      „Keine Ahnung, aber es muß eine ganze Menge gewesen sein. Vor allem war es für Viktor wohl eine nie versiegende Einnahmequelle. Er schröpfte alle seine Kunden am laufenden Band. Er hatte das Problem aller Erpresser gelöst, mit seinen Forderungen bis dicht an den kritischen Punkt zu gehen, aber nicht darüber hinaus. Er schaffte es, daß keines seiner Opfer einen Killer engagierte, der ihm den Erpresser vom Hals schaffen sollte, weil seine Forderungen sich immer im Rahmen der Möglichkeiten seiner Opfer bewegten.“

      „Wie ging es weiter?“

      „Dann passierte diese Sache mit dem Bilderdiebstahl. Daniel Boynbaum hatte auf einer Versteigerung in Chicago mehrere Bilder französischer Impressionisten erworben. Er versicherte sie auf achthunderttausend Dollar bei der Lifeboard Insurance. Die Gesellschaft stellte auch die Police aus. Dann schienen ihr aber Zweifel an der Echtheit der Bilder zu kommen, und sie bat Daniel um sein Einverständnis für eine weitere Expertise.“

      „Daniel war einverstanden?“

      „Ja. Die Bilder sollten von Dr. John Winton untersucht werden, einem Experten der New Art Gallery. Winton wollte die Bilder eines Abends in seinem Waged abholen und in sein Labor fahren. Dabei passierte es. Winton wurde überfallen und ermordet. Die Bilder wurden geraubt und blieben seitdem spurlos verschwunden.“

      „Und die Gesellschaft mußte achthunderttausend Dollar bezahlen“, sagte Joe nachdenklich. „Der Versicherungsvertrag war ja ohne Vorbehalt zustandegekommen. Erst ein ungünstiges Gutachten von John Winton hätte die Gesellschaft zu einem Rücktritt vom Vertrag berechtigt, aber dazu kam es ja nicht.“

      „Du hattest doch domals den Fall übernommen“, erinnerte sich Archin. „Über das, was dann geschah, müßtest du doch selbst informiert sein.“

      Joe nickte.

      „Lifeboard beauftragte mich, die Bilder wieder herbeizuschaffen. Ich zog los und geriet auf eine Fährte, so groß wie eine Elefantenspur. Sie führte unmittelbar zu Viktor Louis. Offensichtlich hatte Viktor Louis sich entschlossen, aus der Geschichte Kapital zu schlagen. Er ging davon aus, daß die Bilder Fälschungen waren und Daniel Boynbaum alles inszeniert hatte, um Versicherungsbetrug zu begehen. Und davon wollte Viktor seinen Anteil haben.“

      „Das war deine Deutung des Falles.“

      Joe nickte.

      „Als Erpresser war Viktor mit den Gewohnheiten seiner Opfer genau vertraut. Er hatte offensichtlich guten Grund, Daniel eine solche Tat zuzutrauen. Die Staatsanwaltschaft verfocht dagegen die These, Viktor selbst habe den Bilderdiebstahl inszeniert. Das wurde dann auch die offizielle Lesart. Nachweisen konnte man nur eins: daß Viktor von dem Verbrechen Kenntnis gehabt hatte, bevor es geschah. Nicht ermitteln konnte man, woher er diese Kenntnisse hatte. Also hatte man ihn nur verurteilen können, weil er einen geplanten Mord nicht angezeigt hatte und verpaßte ihm die Höchststrafe: vier Jahre Scranton.“

      „Und auch du konntest die näheren Umstände nicht erhellen?“ wunderte sich Archie.

      Joe schüttelte den Kopf.

      „Ich wurde von der Lifeboard gefeuert. Offizielle Begründung: ich sei zu teuer. Da habe ich den Fall einem billigeren Kollegen überlassen. Was dabei herauskam, ist sattsam bekannt.“

      „Du hast auch nicht privat weitergemacht?“

      „Natürlich nicht. Die ganze Sache war ein großer Sumpf mit ein paar schillernden Blüten, von denen keine ganz ungiftig war. Warum sollte ich privat darin herumwaten? Ob Daniel oder Viktor der Bösewicht war, was spielte es