»Oh, wir sind gerade erst angekommen, ich habe bereits das Wasser getestet …«
Bevor er weiterredete, stoppe ich ihn.
»Johnny, ich weiß, wie viel Nationen hier an den Start gehen, und ich weiß auch, dass das ein verdammt harter Wettkampf ist. Ich bin nicht zum ersten Mal dabei …« Gott, wie überheblich das nun wieder klingt … Und ehe ich wieder irgendeinen Mist von mir gebe, frage ich ihn einfach, ob er nicht Lust hat, heute Abend mein Gast zu sein. Ich schreibe Johnny meine Adresse auf, gebe ihm vorsichtshalber noch meine Handynummer und rechne nicht wirklich damit, dass er bei mir aufläuft. Doch im Augenblick möchte ich ihn nur von der Backe haben, was mir dadurch auch gelingt.
Und so begebe ich mich weiter auf Sightseeingtour. Schaue mir die Bretter an, erstehe die ein oder andere Eintrittskarte für ein Event (etwas Ablenkung tut gut – zu viel davon wäre mir momentan jedoch nicht recht) und fahre danach wieder zurück nach Morsum. In diesem verschlafenen Inseldorf kriegt man so gut wie nichts von dem Worldcup mit. Wenn überhaupt, dann in Form der vielen zusätzlichen Shuttles die über den Hindenburgdamm donnern.
***
Als die Zeiger der Uhr auf neunzehn Uhr zusteuern, richte ich mich doch etwas her. Zuvor habe ich bei dem Catering-Service meines Vertrauens ein kleines Abendessen für zwei geordert, welches um halb acht geliefert werden sollte. Dazu zwei Flaschen Moët, und das soll’s dann auch gewesen sein.
Mich extra sexy zu präsentieren, danach steht mir nun wahrlich nicht der Sinn. Ich werde diesem Johnny meine Terrasse anbieten, wir werden nett zu Abend essen … wenn er denn überhaupt kommt.
Nachdem ich ein Bad genommen, und mich mit einer zart duftenden Lotion eingeölt habe, streife ich mein Lieblingskleid über – auf Unterwäsche verzichte ich gänzlich, auch diese Version finde ich durchaus erotisch.
Auf Schuhe verzichte ich ebenfalls, und meine Hündin Claire ermahne ich ausdrücklich, unserem Gast nicht an die Wäsche zu gehen. Sie ist noch sehr jung und verspielt und beißt gern in alles hinein, was sich bewegt. Dazu gehören schon mal die Hosenbeine der männlichen Zunft, was nicht immer gern gesehen wird.
Und Johnny kommt tatsächlich. Erst der Catering-Service, und dann steht ein echt lässig, aber stilvoll gekleideter Typ vor mir, den ich erst auf den zweiten Blick wiedererkenne.
»Hätte nicht gedacht, dass du Weg nach Morsum findest«, sage ich, ehrlich überrascht.
Und Johnny lacht. »Schon klar. Würdest du mich besser kennen, wüsstest du, dass ich nicht locker lasse. Was ich mir in den Kopf setze, pflege ich durchzuboxen.«
Er schnalzt mit der Zunge. »Du siehst echt lecker aus? Deine Bude? Oder gehört sie einem Lover von dir?«, fragt er und sieht sich um.
»Nee, ist schon meine Bude«, gehe ich auf seinen lockeren Ton ein. »Ist das, was mein Mann mir hinterlassen hat, als er von dieser Welt schied – war echt nicht schade um ihn, er hat mich sowieso nur betrogen. Und meine Lover«, sollte die Frage auch noch kommen, »liegen bereits im Bett und pflegen ihre Arthritis«, ergänze ich mit einem Grinsen im Gesicht.
Johnny lacht. »Das nenn ich doch mal gut gekontert. Das Haus ist ein wahres Schmuckstück. Wie viel würdest du dafür bekommen, wenn du verkaufen würdest?«
»Da ich nie die Absicht haben werde, dieses Kleinod zu verkaufen, kenne ich natürlich nicht den Markwert.« Doch um Johnnys Frage zu beantworten, fasele ich irgendetwas von einer zweistellige Millionenhöhe, was wohl hinkommen mag, denn immerhin befinden wir uns in unmittelbarer Nähe des Morsum Kliffs, und das ist ein echtes Highlight auf der Insel.
Johnny, war er denn überrascht, zeigt sich relativ unbeeindruckt. »Sylt ist zwar teuer – aber immer wieder eine Reise wert. Hättest du Lust mir ein wenig Insiderwissen zu vermitteln?«
»Hör zu, Johnny«, entgegne ich, »du bist hier, weil ich dich blöderweise eingeladen habe. Du willst mich sehen, okay, hier bin ich! Ich bin gerade achtundvierzig Jahre alt geworden – und du – lass mich raten, bist irgendwo Mitte zwanzig angesiedelt. Wir zwei passen nicht zueinander. Also, was willst du wirklich hier?«
»Was stellst du denn da für bescheuerte Thesen auf, Peggy! Das stimmt doch alles gar nicht. Natürlich will ich dich und keine andere.«
Langsam werde ich sauer.
»Wie oft willst du es eigentlich noch hören, Johnny! Ihr Surfer genießt keinen guten Ruf bei den Insulanern – seid Hans Dampfs in allen Gassen, benutzt die Mädchen für ein, zwei Tage und entsorgt sie wie Müll. Genau so würde es doch auch mir ergehen. Sorry, nicht mehr meine Welt. Das muss ich mir nicht antun. Aus dem Alter bin ich nun wirklich raus.«
Johnny kommt zu mir, küsst mich auf den Mund und sagt: »Halt doch einfach mal deine Klappe. Weißt du eigentlich, wie scharf ich auf dich bin. Seitdem ich dich das erste Mal gesehen habe, ist das bereits der Fall. Dein Gang – supersexy. Deine Augen, einfach atemberaubend. Deine Figur, so herrlich fraulich. Und sag mir jetzt bitte nicht, das stimmt alles nicht. Schere bitte nicht alle Surfer über einen Kamm, okay!« Johnny schaut mich ernst an. »Mein Vater hat eine große Schafsfarm in Australien, ich werde sie eines Tages übernehmen. Dazu brauche ich Geld. Viel Geld, Peggy – und dafür bin nach Sylt gekommen, um mir das Preisgeld von hundertundzwanzigtausend Euro zu sichern! Könnte ich wirklich gut als Einstieg gebrauchen. Ich bin kein Typ, der sinnlos Frauen vernascht.«
Ich sage erst mal gar nichts, lasse das sacken, was er gerade gesagt hat. »Ein Schafzüchter, also, so, so … Und wie kommt der ausgerechnet zum Surfen?«, frage ich ihn.
»Tja«, erwidert Johnny, »kann es wirklich deiner Aufmerksamkeit entgangen sein, dass wir auch über große Flächen Wassers verfügen?« Ich schlucke schwer, als er fortfährt: »Wir Australier kommen zwar vom anderen Ende der Welt, aber deshalb sind wir noch lange nicht dumm. Unterschätz mich nicht, Peggy.«
Ich atme tief durch.
»Sorry, tut mir leid. Wollen wir nicht erst einmal etwas essen, bevor ich dir weiter vorpredige, dass es mit uns einfach nicht funktionieren kann. Johnny, ich bin einfach zu alt für dich. Du tust dir da selbst nichts Gutes.«
»Sagt wer? Ob ich mir etwas Gutes tue, bestimme ich noch immer selbst. Aber meinetwegen, lass uns zu Abend essen.«
Das verschafft mir erst einmal Zeit, mich zu sammeln. Nur fürs Protokoll – selten habe ich so einen beharrlichen Lover kennengelernt wie diesen hier.
Er scheint beleidigt, dass ich laufend seine Jugend in die Waagschale werfe – also sage ich erst einmal nichts mehr und gehe mir die Hände waschen.
***
Das Catering hat mal wieder ganze Arbeit geleistet, und als Johnny die Köchin lobt, sage ich: »Ich gebe es gern an den Catering-Service weiter.«
»Aber den Champagner, den hast du schon selbst gekauft«, fragte er vorsichtig nach.
Auch da muss ihn leider schmählichst enttäuschen. »No, Sir! Ich bin eine hundsmiserable Köchin und seitdem ich allein lebe, eine noch hundsmiserablere Gastgeberin. Tut mir leid, ich bin nicht perfekt. Nur mein Hund versteht mich derzeitig gerade noch so.«
Ich schaue mich um. Wo ist die Kleine überhaupt? Madame lässt mich komplett hängen, hat sich in ihr Körbchen verkrochen und macht auch keine Anstalten, daraus hervorzukommen.
»Verräterin?«, fauche ich sie leise an, und sie blinzelt gelangweilt.
Unwillkürlich muss ich lachen und Johnny meint: »Oh, harte Schale, weicher Kern. Ja, so ein Hund macht schon was mit einem. Peggy, du bist wunderschön. Wenn du es mir erlauben würdest, würde ich es dir gern beweisen. Ich warne dich, ich kann da überaus beharrlich sein!«
»Oh, das kann ich auch. Aber ich bin gar nicht besonders erpicht darauf! Was hat dich eigentlich so angefixt, dass du angeblich nicht mehr ohne mich sein kannst?«
»Alles!« Johnny sieht mich an. »Dein golden schimmerndes Haar. Deine Gepflegtheit, dein Gang – einfach alles,