Dieser alte Eimer mochte seine Glanzzeiten lange hinter sich haben, aber die I.K.S. Qo’Daqh besaß immer noch ein gewisses Maß an Schneid und Stolz. Der Schlachtkreuzer der D5-Klasse war ein Relikt, eine veraltete Todesfalle und hätte schon eine Generation vor Vislas Geburt verschrottet werden müssen, aber er besaß eine Geschichte voller Ruhm und Schande. Letzteres war natürlich alles, was zählte, zusammen mit der Schmach, die er und das Klingonische Reich während einer Jahrzehnte zuvor geführten und verlorenen Schlacht erlitten hatten. Wie die Schlacht war auch der Kommandant dieses unseligen Feldzugs, Vislas Großvater, aus den offiziellen Aufzeichnungen mehr oder weniger getilgt worden, und niemand, den sie kannte, hatte je laut über diesen schändlichen Tag gesprochen. Er selbst hatte nie ein Wort darüber verloren und es vorgezogen, die Last der Demütigung bis zu seinem Lebensende stillschweigend zu schultern.
Unter fast allen anderen Umständen hätte man die Qo’Daqh zerstört, aber irgendwo hatte jemand entschieden, dass sie noch einen gewissen Wert besaß. Sie war genau wie diejenigen, die sie bemannt hatten, in Ungnade gefallen. Sie durfte nie mehr etwas anderes als die niedersten Aufgaben verrichten und es war ihr verwehrt, irgendetwas zu vollbringen, um ihre Ehre und ihr Vermächtnis wiederzuherstellen. Alle, die an Bord dienen mussten, wussten, dass sie im Ansehen des Reichs ganz unten standen, und das galt besonders für den Klingonen, der dazu verdammt wurde, den Sessel des Captains einzunehmen. Dies war die Strafe für Vislas Unverfrorenheit, in ein Haus hineingeboren zu werden, das das Reich entehrt hatte.
»Mein Sohn war bereits dazu verdammt, mir auf dem Pfad der Schande zu folgen«, sagte sie und ging vom Waffenregal zu dem groben Leinentuch, das sie auf eine Bank in der Nähe gelegt hatte. »Es war sein Pech, mich als Mutter zu haben. Seine Schande hat sich jetzt nur vergrößert.«
Visla hatte nicht geschlafen, seit sie am Vorabend die Nachricht erhalten hatte, dass die I.K.S. HoS’leth – der Kreuzer, dem ihr Sohn K’tovel zugeteilt war – im Kampf gegen ein romulanisches Schiff in der Nähe des Planeten Centaurus zerstört worden war. Der Ort der Schlacht war interessant, da dort Friedensgespräche zwischen Gesandten der Föderation und des Klingonischen Rechs stattfanden. Die HoS’leth hatte unter dem Kommando des bekannten klingonischen Generals Kovor mit der unwahrscheinlichen Unterstützung eines Raumschiffs der Föderation, der U.S.S. Enterprise, gegen das romulanische Schiff gekämpft. Einzelheiten der Begegnung waren nicht bekannt gegeben worden. Doch Prang, der klingonische Attaché, der Ratsmitglied Gorkon während der Friedensgespräche in Centaurus zugeteilt war, hatte Visla erzählt, dass die Konfrontation die Folge einer wichtigen Entdeckung auf Usilde, einer abgelegenen Welt im Libros-Sternsystem, war. Mehr Informationen hatte Prang nicht preisgegeben. Visla mutmaßte aber, dass das, was man auf diesem Planeten gefunden hatte, wohl für die Romulaner, die Klingonen und die Föderation gleichermaßen von großem Interesse war.
Außerdem hatte jemand diese Entdeckung für wertvoll genug gehalten, um General Kovor dazu zu bewegen, sich mit James Kirk, dem Captain des Föderationsschiffs, zu verbünden. Nach dem, was Visla über die jüngsten Gefechte des Erdlings mit anderen klingonischen Schiffen gelesen hatte, konnte sie das kaum glauben. Diese Begegnungen hatten ihm sowohl die Verachtung als auch den widerwilligen Respekt des Hohen Rats eingebracht. Zahlreiche Schiffskommandanten hatten bereits den Wunsch geäußert, sich mit dem menschlichen Captain auf einen Kampf einzulassen, um zu sehen, ob die Berichte über seine taktischen Fähigkeiten und seine Listigkeit der Wahrheit entsprachen. Visla dagegen vermutete, dass die Berichte beschönigt worden waren, um die Inkompetenz der Klingonen zu verschleiern, die durch Kirk eine Niederlage erlitten hatten.
Was die HoS’leth anging, so wusste Visla zu diesem Zeitpunkt nur, dass eine Gruppe von Überlebenden des zerstörten Kreuzers auf dem Planeten Centaurus auf ihre Abholung wartete und dass K’tovel unter ihnen war. Wie ihr Sohn und seine Schiffskameraden der Zerstörung ihres Schiffs während der Schlacht entgangen waren, war ebenfalls eine Frage, die unbeantwortet blieb, bis die Qo’Daqh eintraf, um sie abzuholen. Visla wusste bereits, wie der klingonische Hohe Rat reagieren würde, wenn bekannt wurde, dass K’tovel unter den Überlebenden der HoS’leth war.
Noch mehr Schande über unser Haus.
»Ich habe den Bericht gelesen«, sagte Koveq. »Obwohl darin Einzelheiten fehlen, ist offensichtlich, dass der Sternenflottencaptain ohne Rücksicht auf unsere Traditionen gehandelt hat. Die HoS’leth-Besatzung, einschließlich Ihres Sohnes, war bereit, mit ihrem Schiff zu sterben, wurde dieser Ehre aber beraubt. Das sollte man berücksichtigen, wenn man über die Überlebenden urteilt.«
Visla wischte sich das Gesicht mit ihrem Handtuch ab und starrte finster vor sich hin. »Und wie wahrscheinlich ist es, dass das passiert?« Sie schüttelte den Kopf. »Nein. Der Hohe Rat hat nie eine Gelegenheit ausgelassen, meine Familie in ihre Schranken zu weisen. Das werden sie auch jetzt nicht tun und die Beleidigung wird nur noch schlimmer, weil ich geschickt wurde, um sie zurückzuholen. Es ist ein endloser Kreislauf, Koveq, und zwar einer, aus dem es kein Entrinnen gibt.« Sie hielt inne und betrachtete ihn einen Moment lang. »Wie kommt es, dass Sie Ihren Gefühlen nicht freien Lauf lassen? Man hat auch Ihnen Ihre Ehre genommen. Verärgert Sie das nicht?«
»Meine Schande habe ich mir selbst zuzuschreiben, Commander.« Der Waffenoffizier starrte auf die Metallplatten des Decks. »Ich habe im Kampf gezögert. Ich stand zum ersten Mal einem Feind gegenüber. Man könnte Jugend und Unerfahrenheit als Erklärung heranziehen, aber Tatsache ist, dass ich einfach Angst hatte. Diese Angst machte mich handlungsunfähig und dieses Versagen führte zum Tod von zwei Kriegern. Ich lebe mit diesem Wissen und mit jedem neuen Tag versuche ich, ein besserer Krieger zu sein als am Tag zuvor. Ich weiß aber, dass ich diesen Fehler nie wiedergutmachen kann. Ich kann nur dafür sorgen, dass so etwas nie wieder passiert.«
Visla nickte. Wie sie und Koveq hatte jedes Mitglied der Besatzung der Qo’Daqh solch eine Geschichte, irgendein Versagen oder Versäumnis, das als Schmach für das Reich angesehen wurde. Es gab noch andere Schiffe wie dieses, voll von Verstoßenen und Zurückgewiesenen, die letztlich nur ein Ziel hatten: zu sterben, damit andere Krieger, besser und ehrenhafter, leben und weiterkämpfen konnten.
Wir werden ja sehen.
»Wir beide sind uns sehr ähnlich, mein Freund«, sagte sie. »Ich mache mir keine Gedanken darum, meine persönliche Ehre wiederherzustellen, da das nicht in meiner Macht liegt. Das befreit uns jedoch nicht von unserer Pflicht als Krieger, und wenn das bedeutet, eine gegen das Reich gerichtete Beleidigung zu korrigieren, dann sollten wir das tun.«
Koveq sah sie verwirrt an. »Ich verstehe nicht, Commander.«
Das Interkom in der Nähe des Eingangs zum Trainingsraum gab einige Pieptöne von sich, bevor eine tiefe Männerstimme über den Lautsprecher sagte: »Brücke an Commander Visla.«
Visla lächelte ihren Vertrauten an und meinte: »Sie werden es zu gegebener Zeit verstehen, Lieutenant.« Sie bedeutete Koveq, ihr zum Interkom zu folgen, und drückte auf den Aktivierungsknopf. »Visla hier.«
»Entschuldigen Sie die Unterbrechung Ihrer persönlichen Trainingseinheit, Commander«, meldete sich Woveth, der Erste Offizier der Qo’Daqh, »aber wir haben eine Subraumnachricht vom klingonischen Hohen Rat erhalten. Sie wollen wissen, warum Sie den Befehl, Kurs auf Centaurus zu setzen, nicht bestätigt haben.«
Visla wechselte einen Blick mit Koveq, der seine Stirn erneut in Falten gelegt hatte.
»Das liegt daran, dass wir nicht nach Centaurus fliegen, Lieutenant«, erklärte sie. »Nehmen Sie mit Höchstgeschwindigkeit Kurs auf das Libros-System. Sobald wir unterwegs sind, teilen Sie mir unsere Ankunftszeit mit.«
Woveths erste Reaktion war Schweigen, und Visla meinte, ihn durch den offenen Kanal atmen zu hören. Dann sagte der Erste Offizier: »Commander, ich verstehe nicht. Habe ich eine Änderung unserer Befehle übersehen?«
»Nein, Lieutenant. Diese Entscheidung liegt in meinem Ermessen und ich übernehme die volle Verantwortung. Wir werden das im Detail besprechen, wenn ich wieder auf der Brücke bin. Ändern Sie erst einmal den Kurs.«
Der