Wir sind dir gut,
Wir wollen dir hier schenken
Drei Nüsse zum Angedenken.
Kömmst du in Not und grosse Pein:
So knacke eine Wünschelnuss,
Dann wird dir gleich geholfen sein
Zu Lust und Freud und Überfluss.
Da gab ihr jede eine Nuss, die knüpfte sie in ihre Schürze und stieg zu Pferd, und die Alten riefen:
Leb wohl! leb wohl! gradaus,
So kömmst du aus dem Wald hinaus!
Und nach diesen Worten verschwanden die Alten in der Luft, und der Schimmel flog mit Liebseelchen durch die Büsche, dass ihr die Haare sausten und die Nüsse in der Schürze klingelten.
Schon war sie über Berg und Tal gekommen, da hörte. der Schimmel auf zu galoppieren und trabte. Schon war sie durch den jungen Wald und über die Moosheide gekommen, und der Himmel war voll Sterne, und der Mond ging unter; da hörte der Schimmel auf, so stark zu traben, und ging einen starken Schritt. Schon war der Himmel weiss gegen Morgen, die Hasen gingen schon in die Kohlfelder nach ihrem Morgenbrot, Hähne krähten in der Ferne, und die Haare Liebseelchens und die Mähne ihres Schimmelchens waren nass von Morgentau; da ging der Schimmel einen sehr langsamen Schritt, und Liebseelchen, matt und müd, nickte mit dem Kopf und schlief ein und wusste nichts mehr von sich, aber der Schimmel ging seinen leisen Schritt fort und frass hie und da ein bisschen Gras, das am Rande der Gartenfelder stand, durch welche bereits der Weg ging. Auf einmal stand der Schimmel still; Wasser spritze Liebseelchen ins Gesicht, sie wachte auf, rieb sich die Augen. Da sahe sie, dass ihr Ross aus dem Becken eines Springbrunnens trank, dessen Strahl sie benetzt hatte.
Dieser Springbrunnen stand auf einem grossen freien Platz, an der einen Seite eines marmorsteinernen Grabmals, auf welchem ein geharnischter Ritter mit gefaltnen Händen lag, und zur andern Seite des Grabmals sprang noch ein Springbrunnen, auf dem Grabmal aber sang eine Schwalbe ihr Morgenlied. Das weisse Grabmal schimmerte rötlich von der Morgensonne, welche in der Ferne über den Türmen einer grossen Stadt aufzog. Der Schimmel schlürfte ruhig das Wasser ein und schüttelte sich. Da kam Liebseelchen erst recht zu sich, sprang vom Sattel und sagte: „O du lieber Himmel! Das ist gewiss
Prinz Röhropp in den Marmelsteinen,
Den ich aus seinem Grab soll weinen.“
Da ging die Sonne in die Höhe, und sie las auf der einen Seite des Grabmals folgende Inschrift:
Brunnen, ihr mögt ewig weinen,
Strudelnd, sprudelnd ab und auf,
Röhropp in den Marmelsteinen
Wacht nicht auf von eurem Lauf;
Nimmer, nimmer ist’s genug!
Wenn der schwarze Tränenkrug,
Der hier hänget an dem Grabe,
Erst von Tränen überquillt,
Dann erwacht das Marmelbild
Und reicht für die Tränengabe
Kron und Zepter, Leut und Land,
Lieb und Freundschaft, Herz und Hand
Dann der frommen Weinerin
Gerne hin.
Also heisst der Zauberspruch
In dem alten Wunderbuch!
Und neben dieser Inschrift hing, ein grosser Tränenkrug, in welchen wohl zwei Masse gingen. Liebseelchen nahm diesen Krug herab, setzte sich auf die Bank an dem einen Springbrunnen hin, nahm den Krug zwischen die Knie, hängte das Haupt über ihn nieder, und es kamen ihr so traurige Gedanken, dass ihr die Augen wie zwei Kristallquellen von Tränen überflossen. So sass sie da in bitterer Wehmut und weinte. Ihr Pferdchen graste ringsherum und kam manchmal zu trinken neben sie an den Brunnen. Und die Sonne stieg, und das Grabmal warf einen Schatten, und der Schatten ward kleiner und verschwand, und die Sonne stand hoch oben, es war Mittag, und der Schatten fiel nach der andern Seite und ward gross und grösser, es ward Abend, die Sonne sank, es ward Nacht, die Sterne kamen und der Mond — und der Morgen kam und fand Liebseelchen immer weinend.
Der zweite Tag verging und die zweite Nacht — da war das arme Liebseelchen so müde und so abgeweint, dass ihr alle Gedanken vergingen und ihr der Kopf auf den Rand des Brunnens sank. Sie schlief ein, und der Krug war erst dreiviertel voll; da kam das Pferdchen zu ihr herangelaufen und schaute sie an, und da es seine liebe Prinzessin so blass und so verweint sah, ward es gar betrübt, und es flossen dem treuen Tier auch grosse Tränen aus den Augen und in das Gefäss nieder, so dass in wenig Minuten der Krug bis auf einen Finger breit voll war.
Aber nun kam eine hässliche, böse, schwarze Mohrin mit einem Eimer an den Brunnen, Wasser zu holen, und da der Schimmel nie Mohren gesehen hatte, erschrak er und trabte weg in die Ferne. Diese Mohrin kannte sehr wohl den Zauberspruch, der an dem Brunnen stand, und da sie sah, dass Liebseelchen den Krug beinah vollgeweint hatte, nahm sie ihr denselben leise, leise zwischen den Knien weg, holte eine Zwiebel aus der Tasche und rieb sich die Augen damit, worüber ihr die Tränen so reichlich niederflossen, dass der Krug bald voll wurde. Als sie den letzten Tropfen hineinweinte, fing der Krug an überzufliessen, das Steinbild des Prinzen Röhropp rührte sich, rieb sich die Augen, streckte sich, gähnte wie einer, der vom Schlaf erwacht, richtete sich auf und stieg herab und umarmte die garstige Russika (so hiess die Mohrin), pochte dann mit seinem Schwert an das Grab: das tat sich auf; da kamen allerlei Kammerdiener und Hofdamen heraus und viele Pagen; die legten der Mohrin einen goldnen Mantel um und setzten ihr eine Krone auf; dann kamen auch allerlei Musikanten heraus, und alle ordneten sich in einen Zug, und die Musikanten zogen voraus und spielten, und sie zogen wie eine Hochzeit nach der Stadt, welche mit allen Glocken an zu läuten fing, um ihren entzauberten Prinzen nebst seiner Braut zu empfangen.
Sie waren schon ein Stückchen Wegs weggezogen, als das Pferdchen zu Liebseelchen herankam und so heftig zu wiehern begann, dass sie erwachte. Da sah sie dem Zug nach und begriff bald ihr Unglück. Sie rang die Hände und raufte die Haare und weinte genug, um den Krug nochmals zu füllen; aber verschlafen war verschlafen! Da rasselten wie sie sich die Augen trocknen wollte, die goldenen Wünschelnüsse der drei alten Mütterchen in ihrer Schürze, und sie dachte des Spruches der Alten, dass die Nüsse ihr in der Not helfen sollten. „Wohlan, ich will mein Heil versuchen,“ sprach sie, setzte sich auf das Schimmelchen und ritt ruhig nach der Stadt. In der Stadt fand sie alles voll Jubel und Freude, dass der Prinz Röhropp von seinem Zauberschlaf erlöst sei, und sie kaufte sich seinem Palaste gegenüber, worin er mit der bösen Mohrin wohnte, ein prächtiges Haus für die Edelsteine, die sie aus Schattentalien mitgebracht, mietete sich viele hübsche und fromme Mägde, welche sie alle in weisse Kleider, mit roten Bändern geschmückt, kleidete; sie selbst aber ging immer schwarz, zum Zeichen ihrer Trauer, nur trug sie oft eine grüne Schärpe, zum Zeichen, dass sie noch hoffe, glücklich zu werden. Ihr gutes Schimmelchen hatte einen marmornen Stall und eine Krippe von Helfenbein, und sie fütterte und tränkte es mit ihren eignen Händen. Und ihren Dienerinnen hatte sie lauter schwarze Pferdchen gekauft und ritt manchmal mit ihnen, zur grossen Verwunderung der Stadt, vor ihnen auf ihrem Schimmelchen spazieren. Wenn sie zu Haus war, sass sie meist auf einem kleinen Turm und sah mit grosser Betrübnis in den Schlossgarten gegenüber, wie Prinz Röhropp unermüdlich mit tausend Gefälligkeiten um die falsche schwarze Mohrin beschäftigt war, gleich einer Fledermaus, die um die Nacht herumfliegt. Aber es sollte bald anders werden, er sollte sich bald um Liebseelchen bemühen, wie ein Adler, der um die Sonne fliegt.
Einstens morgens, da Prinz Röhropp zu der schwarzen Russika kam, hatte diese eine goldne Wiege neben sich stehen und in ihrem Arm ein mit Purpurwindeln bedecktes Päckchen. „Ach,“ rief Prinz Röhropp aus, „hätte der Himmel meine Wünsche erhört und mir ein kleines liebes Kindchen geschenkt? O zeige mir es, liebste Russika!“ „Ja,“ erwiderte diese,
Ein schönes Kind,
Doch zeig ich’s nicht,
Es