Bravo, liebes Hausgespenst. Marie Louise Fischer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Marie Louise Fischer
Издательство: Bookwire
Серия: Hausgespenst
Жанр произведения: Книги для детей: прочее
Год издания: 0
isbn: 9788711719664
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bleibt es bei unserer Abmachung: Du darfst keine Fremden erschrecken“, beharrte Monika.

      „Das werde ich auch nicht.“ Amadeus richtete sich auf und erklärte mit der ihm eigenen Logik: „Wenn ihr keine Fremden hereinlaßt!“

      „Aber, Amadeus, der Briefträger …“

      „Ich rede nicht vom Briefträger und nicht vom Mann vom Elektrizitätswerk, das weißt du ganz genau … obwohl ihr denen auch mal einen kleinen Spaß gönnen könntet …“

      „Untersteh dich!“

      „Jedenfalls will ich keine garçons étrangers … keine fremden Jungen hierhaben!“

      Monika gab nicht auf. „Jetzt hör mal zu, Amadeus! Norbert ist kein fremder Junge, er geht in meine Klasse …“

      „Ich kenne ihn nicht!“

      „Er ist sehr nett …“

      „Nett?!“ fiel Amadeus ihr ins Wort. „Il est épouventable!“

      Sie verstand zwar nicht, was das hieß, bat aber nicht um eine Erklärung, weil sie es sich ohne weiteres selbst zusammenreimen konnte. „Mit dir kann er sich natürlich nicht vergleichen, Amadeus“, schmeichelte sie ihm, „so elegant, so geistreich und so gesittet wie du ist kein anderer Junge!“

      Amadeus fand das durchaus nicht übertrieben, sondern nickte wohlgefällig. „Gut, daß du das einsiehst. Und ich bin dein Freund, vergiß das nicht. Also brauchst du auch keinen anderen.“ Als wenn die Sache damit entschieden wäre, begann er sich vor ihren Augen aufzulösen.

      „Hör mir doch zu, Amadeus!“ rief Monika hastig. „Norbert ist nicht mein Freund, und er wird es auch nie werden. Aber er ist neu in der Gegend, und er sucht Anschluß. Er will sich mit mir befreunden, nicht ich mit ihm. Du darfst ihn nicht ärgern, wenn er auftaucht, sonst …“

      Aber Amadeus schien nicht mehr auf sie zu hören und zerfloß sehr schnell in das wolkige Gebilde, aus dem er sich entwickelt hatte.

      „Amadeus, lauf nicht weg!“ rief Monika. „Ich habe dir noch nicht alles gesagt! Wenn es herauskommt, daß du hier bei uns lebst, dann werden nicht nur die Leute von den Medien kommen …“

      „Was heißt das denn nun schon wieder?“ ertönte seine Stimme.

      „Ach, bin ich froh, daß du noch hier bist! Medien, das sind die Vermittler … die, die das, was in der Welt geschieht, den Menschen vermitteln … Zeitungen, Zeitschriften, Radio, Fernsehen …“

      „Warum sagst du das nicht gleich?“

      Monika ließ sich nicht aus dem Konzept bringen. „Nicht nur die werden kommen“, sagte sie eindringlich, „sondern auch solche, die sich auf Gespenster verstehen!“ Monika wußte sehr wohl, daß Amadeus dieses Wort „Gespenst“ nicht liebte und stets behauptete, kein Gespenst, sondern ein normaler zwölfjähriger Junge zu sein, der nur zufällig seit über zweihundert Jahren lebte, sich sichtbar und unsichtbar machen konnte und nicht zu essen und zu schlafen brauchte. Aber jetzt benutzte sie es absichtlich, um ihm den Ernst der Gefahr klarzumachen. „Es gibt Leute, die Gespenster bannen … die dich von hier vertreiben können, Amadeus! Deshalb ist es in deinem Interesse, wenn so wenige wie nur möglich wissen, daß du hier spukst …“

      Monika sprach noch eine ganze Weile weiter, bis sie das untrügliche Gefühl überkam, daß Amadeus sich nicht mehr im Raum befand.

      „Typisch für dich“, murmelte sie wütend, „wenn dir was unangenehm ist, verduftest du einfach. Aber das ist doch keine Lösung.“

      Sie sprang aus dem Bett, zog die Vorhänge so fest zu, daß kein Mondstrahl mehr in ihr Zimmer dringen konnte. Wenige Minuten später war sie trotz aller Sorgen fest eingeschlafen.

      Ein unerwünschter Besuch

      Da es Monika nicht gelungen war, sich mit Amadeus zu einigen, befand sie sich in einer schwierigen Situation. Sie mußte Norbert, den sie gut leiden konnte, dauernd abwimmeln. Weil sie ihn nicht kränken wollte und ihm auch nicht die Wahrheit sagen konnte, tat sie es mit Gründen, deren Fadenscheinigkeit sie selber nur zu gut merkte.

      Norbert verstand überhaupt nichts. Obwohl ihn die Klasse immer noch hin und wieder für sein spitzes st auslachte, litt er doch nicht an Minderwertigkeitskomplexen. Er fühlte, daß er Monika sympathisch war und wußte auch nicht, warum es hätte anders sein sollen. Ingrid mußte immer noch das Bett hüten, und so ergab es sich ganz von selber, daß Monika und Norbert in den Pausen die meiste Zeit zusammen waren. Sie verstanden sich prächtig und konnten über alles miteinander reden. Norbert ließ es sich auch nicht nehmen, Monika von der Schule nach Hause zu begleiten – bis zu dem Punkt, wo die große Wiese, die vor dem Haus am Seerosenteich lag und die zu dem Besitz gehörte, begann. Seit jener sonderbaren Schneeballschlacht ließ Monika ihn nie mehr auch nur einen Schritt über die Grenze machen. Norbert fand ihr Benehmen höchst wunderlich. Er witterte, daß etwas dahintersteckte. Vielleicht, so dachte er, gab es doch einen großen Jungen. Ihrem Benehmen nach konnte er sich aber nicht vorstellen, daß sie mit ihm befreundet war. Er dachte, daß sie eher Angst vor ihm hatte.

      Da er gern Abenteuerbücher las, träumte sich Norbert oft in die Rolle eines Helden hinein. Manchmal glaubte er sogar wirklich, daß er einer wäre. Deshalb entschloß er sich, das Geheimnis zu klären und, wenn es wirklich einen anderen Jungen geben sollte, Monika von ihm zu befreien. Daß er gegen einen Jungen von fünfzehn, sechzehn Jahren, wie er nach Monikas Angaben sein mußte, gar nicht ankommen würde, daran dachte er nicht. Er machte sich auch gar keinen festen Plan, sondern wollte es einfach darauf ankommen lassen.

      So machte er sich eines Nachmittags auf den Weg zum Haus am Seerosenteich, ohne daß er seinen Besuch vorher angekündigt hatte. Der Schnee auf Wegen und Straßen war inzwischen längst geräumt, so daß man nicht mehr bei jedem Schritt versank. Aber gleich hinter Geretsried leuchtete er noch blendend weiß in der hellen Wintersonne. Hier fuhren keine Autos, die ihn mit ihren Abgasen schwärzen konnten. Auch Industrieanlagen gab es weit und breit nicht.

      Unternehmungslustig schritt Norbert aus, seinen Schlitten hinter sich herziehend. Auf dem Weg zum Haus am Seerosenteich geschah gar nichts. Nachdem er seinen Schlitten gegen die Wand gelehnt hatte, betätigte er guten Mutes den Türklopfer. Frau Schmidt öffnete ihm. Er wußte gleich, wen er vor sich hatte, denn auch sie hatte große, grüne Augen und eine helle Haut. Aber ihr Haar war nicht rot, sondern blond.

      Norbert wollte einen guten Eindruck schinden und machte deshalb eine kleine Verbeugung. „Guten Tag, Frau Schmidt. Ich möchte gern Monika zum Schlittenfahren abholen!“

      „Du bist sicher der Norbert“, sagte Frau Schmidt zögernd.

      Norbert strahlte. „Hat sie Ihnen von mir erzählt? Ich bin der Junge mit dem spitzen st!“

      Seine Offenheit gefiel Frau Schmidt, und sie lächelte freundlich. „Ja, ich weiß, aber wenn du hier länger lebst, wirst du es dir sicher bald abgewöhnen.“

      „Hoffen wir’s. Es ist nicht angenehm, dauernd ausgelacht zu werden.“

      „Das kann ich mir denken.“

      Unversehens hatte Frau Schmidt ihn während dieses kleinen Gesprächs hereingelassen. Sie standen jetzt in der großen Wohndiele, von der viele Türen in die Küche und die anderen Räume des Erdgeschosses führten. Im Hintergrund gab es einen Erker, der höher lag als das übrige Zimmer. In der Mitte des Raumes stand ein großer Tisch, an dem die Familie aß, aber gelegentlich auch spielte. Auch der Fernseher und das Radio befanden sich in der Diele. Der Boden war aus altersdunklem Holz, und die Wände waren holzgetäfelt.

      Norbert gefiel es hier. „Könnten Sie Monika jetzt bitte holen?“ fragte er.

      „Das geht leider nicht.“

      Norbert war es, als entdeckte er bei Frau Schmidt die gleiche Unsicherheit, die er manchmal bei Monika bemerkt hatte. „Warum denn nicht?“ fragte er.

      „Weil sie schläft.“

      „Jetzt?