Entschlossen schalte ich das Smartphone ein und betrete die Brücke. Noch keine fünf Meter bin ich gelaufen, als ein dreitöniges Klingeln den Eingang einer neuen Nachricht anzeigt. Und dann kommt noch eine, und eine weitere. Die Nachrichten plätschern in so rascher Reihenfolge ein, dass ich gar nicht mehr hinterherkomme. Die meisten sind von Dave, hastig lese ich sie, während ich langsam weitergehe. Von: »Ruf mich an, wenn du bereit bist, noch mal darüber zu reden« und: »Herrgott, Kim, ich begreife es einfach nicht …«, über: »Tina hat mir erzählt, was du treibst – bist du endgültig verrückt geworden?«, bis: »Ich vermisse dich so unglaublich, komm endlich wieder nach Hause. Ich werde alles tun, um dich glücklich zu machen!«, ist so ziemlich alles dabei. Schmerz, Wut und tiefe Sehnsucht. Die letzte Nachricht, in der er mich dazu auffordert, nach Hause zu kommen, hat Dave erst gestern geschrieben.
Ermutigt davon, dass er scheinbar nicht gewillt ist, mich so einfach aufzugeben, rufe ich seine Nummer auf und lausche dem Tuten in der Leitung. Keine drei Mal klingelt es, und schon ist er dran. »Kim«, sagt er einfach, doch es klingt nach viel mehr – Erleichterung, Liebe und Zufriedenheit, dass ich schließlich ein Einsehen habe und mich endlich bei ihm melde. Er hat ja keine Ahnung … Schuldgefühle Geralds wegen, die ich bislang wohl mit aller Macht verdrängt habe, stürzen auf mich ein.
»Ich habe mit einem anderen Mann geschlafen«, platze ich heraus und würde mir am liebsten die Zunge abbeißen. Ich wollte mich langsam an das Thema herantasten. Stattdessen haue ich ihm gleich das Schlimmste um die Ohren und Dave reagiert genau so, wie ich damit rechne. »Du hast was?«, grollt er, im Hintergrund höre ich etwas scheppern. Vermutlich ist er wütend von einem Stuhl aufgesprungen und der ist umgefallen. »Wo steckst du, ich komme dich abholen! Und dann sagst du mir, wer der Kerl ist, damit ich ihm die Fresse polieren kann!«
»Und ich habe mit einer Frau geschlafen!«, höre ich mich sagen, als ob ich es damit, gleich zweimal fremdgegangen zu sein, besser machen würde. »Ähm, du kannst mich nicht abholen, ich laufe gerade über die Brücke der Götter, die Fahrt würde wohl fast zwei Tage dauern«, versuche ich Dave mit Rationalität zu beschwichtigen, ehe er mich noch lauter anbrüllen kann. Er hat jedes Recht dazu und es war eine dumme Idee, ihn anzurufen, um dieses Gespräch zu führen. Ich sollte ihm in die Augen schauen können, wenn ich ihm sage, dass ich ihn noch immer liebe und ihn zurückwill. So, wie sich das Ganze jetzt aber entwickelt …
Zu meiner Überraschung bleibt es jedoch erst einmal still in der Leitung. Dave brüllt nicht, sondern atmet schwer ein und aus. »Ging es darum – mit anderen Männern zu schlafen?« Seine Stimme klingt dunkel, er hasst den Gedanken. Umso erleichterter bin ich, dass der Sex mit Gerald zwar verdammt gut war, jedoch nur ein winzig kleines Puzzlestück im Gesamtbild ausmacht. »Es geht mir nicht um andere Männer!«, widerspreche ich Dave inbrünstig. »Es geht darum, wie andere Männer mich behandeln könnten – um Fantasien, darum, dass du ordinärer mit mir umgehen könntest. Und es geht darum, dass ich mich ein wenig zu Frauen hingezogen fühle.« Stille. Dave scheint Zeit zu brauchen, um das zu verdauen, vielleicht aber auch, um sich die Worte zurechtzulegen, mit denen er nun mich in die Wüste schickt, so wie ich ihn vor knapp zwei Wochen verlassen habe. »Dave?«, hake ich vorsichtig nach, als ich schon fast am anderen Ende der Brücke angekommen bin und er noch immer nichts gesagt hat.
»Du willst in Zukunft also nicht noch einmal mit einem anderen schlafen, sondern dass ich dich richtig hart rannehme und dir dreckige Dinge ins Ohr flüstere? Und wenn ich recht verstehe, willst du ab und zu auch Mal Sex mit einer Frau?«, versichert er sich. Seine Stimme klingt dunkel und rau. Ich kenne diesen Ton … Ein sehnsüchtiges Ziehen meldet sich in meiner Brust und dringt bis in meinen Unterkörper vor. Noch ein paar Schritte und ich betrete Washingtoner Land. In welche Zukunft werde ich diesen ersten Schritt tun?
Die Vorstellung, mir Obszönitäten ins Ohr zu flüstern, während wir miteinander schlafen, erregt Dave, und der Gedanke an eine andere Frau und mich scheint ihn mehr mit anregenden Bildern zu versorgen als abzustoßen. Sofort schießen mir schmutzige Szenerien vor Augen: Wie Dave eine andere Frau und mich beobachtet und es sich dabei selbst macht – so wie ich es bei Gerald und George getan habe.
Ich versuche, meine schnelle Atmung zu regulieren und räuspere mich. »Du könntest mir nicht nur dreckige Dinge ins Ohr flüstern, sondern sie mit mir anstellen.«
Dave gibt ein leises Stöhnen von sich. »Und damit haben sich dann all die Probleme gelöst?« Der letzte Schritt, jetzt stehe ich in Washington, am Beginn meines weiteren Lebens. »Ja«, antworte ich und bin mir sicher, dass es so ist. »Dann schau zu, dass du nach Hause kommst. Mir fällt auf Anhieb ein ganzer Haufen schmutziger Worte und Dinge ein, die ich dir sagen und mit dir anstellen will!«, grollt Dave. Seine Stimme vibriert vor Erregung, sogar durchs Telefon springt der Funke auf mich über und entzündet ein begehrliches Brennen in meiner Pussy. »Warte schon mal im Bett auf mich und untersteh dich, dir einen runterzuholen. Ich komm’ so schnell nach Hause, wie ich kann, Baby!«, keuche ich und laufe los, um so rasch wie möglich nach Fort Rains und zur nächsten Bushaltestelle zu gelangen. Schon das Wissen, dass Dave zu Hause auf mich wartet und es kaum aushält, mich gebührlich zu empfangen, erregt mich so sehr, dass mein Höschen bereits feucht über meine Klitoris reibt. Die Reise nach Hause wird die Hölle werden, aber ich würde alles auf mich nehmen, um dahin zurückzugelangen, wo ich letztendlich hingehöre. Dave und ich. In Zukunft wird es keine Grenzen mehr für uns geben. Nicht für unsere Lust und nicht für unsere Liebe.
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