Samstag, 23. Juni 1866:
In Galveston war kein Schiff nach Quintana zu finden, sondern nur eines, das über dieses Ziel hinaus, nach Matagorda, am Ausfluss des östlichen Colorado, fuhr. Doch wurde mir versichert, von dort aus schnell nach Quintana zurückzukommen. Das veranlasste mich, dieses Schiff zu benutzen.
Montag, 25. Juni 1866:
In Matagorda hörte ich, dass erst nach zwei Tagen ein Schoner nach Quintana fahren würde. Ich fand Unterkunft in einem Gasthaus. Dann schlenderte ich langsam die Gasse hinab und rannte an einer Ecke mit einem Mann zusammen: Old Death. Wir gingen zusammen an diesem Junitag in eine kleine Kneipe, wo es Flaschenbier gab. Wir waren die einzigen Gäste. Von Old Death erfuhr ich so nebenbei, dass Gibson und Ohlert ebenfalls nach Matagorda gefahren und jetzt mit einem Dampfboot auf dem Weg nach Austin seien. Er war bereit, sie mit mir zu verfolgen. Da kamen einige Rowdies mit sogenannten Bluthunden in das Lokal und führten sich entsprechend auf. Sie suchten Streit, und als sie einen dieser Bluthunde auf mich hetzten, packte ich diesen bei den Hinterläufen und schleuderte ihn gegen die Mauer, dass der Schädel zerbrach. Old Death hielt die Rowdies mit seinen Revolvern in Schach. Da trat ein neuer Gast ein, ein Indianer, Winnetou! Er beachtete mich nicht, obwohl er mich gesehen hatte. Er musste einen Grund dazu haben. Als einer der Rowdies auch mit ihm Streit anfangen wollte, packte er ihn und warf ihn zum Fenster hinaus. Dann bezahlte er mit einem Nugget und verließ den Raum. Auch wir verließen das Lokal und Old Death ging mit mir einkaufen, denn wir mussten wahrscheinlich ins Texanische hinein, weshalb ich die entsprechende Kleidung und auch Waffen brauchte, denn meine beiden Gewehre befanden sich ja in St. Louis. Danach, Old Death durfte das nur nicht bemerken, suchte ich Winnetou auf. Er befand sich genau dort, wo ich ihn vermutet hatte. Wir hatten uns viel zu erzählen und dann sagte er mir, dass er in geheimer Mission für Benito Juarez unterwegs sei, der von den Franzosen aus Mexiko vertrieben worden war und jetzt sein Land wieder zurückerobern wollte. Er werde auf demselben Schiff wie wir fahren, wir sollten aber nicht miteinander sprechen. Ich nahm Abschied von ihm, hoffentlich nur für kurze Zeit.
Dienstag, 26. Juni 1866:
Am anderen Morgen ritten wir hinaus zur Raft, wo das Dampfboot wartete. Auch die Rowdies waren da. Winnetou kam mit seinem Prachthengst Iltschi an Bord. In Columbus kamen fünfzehn bis zwanzig Betrunkene dazu, die von den Rowdies mit stürmischer Freude bewillkommnet wurden. Es schienen alte Sezessionisten zu sein, die sich mit den Rowdies zusammenrotteten, uns Spione nannten und uns einem Lynchgericht unterwerfen wollten. Der Kapitän griff zu einem Trick, um die Bande loszuwerden. Sie fielen darauf herein und sprangen tatsächlich über Bord ins Wasser. Dann dampften wir weiter.
Als unser Dampfer in La Grange anlangte, war es Abend geworden, und er würde erst am nächsten Morgen wieder weiterfahren. Wir stiegen aus und sahen, dass Winnetou fortritt. Zur Übernachtung wurde uns ein Mr. Lange empfohlen, den wir um diese Zeit gewöhnlich im Wirtshaus antreffen würden. Dort trafen wir ihn auch zusammen mit seinem Sohn Georg, und es stellte sich heraus, dass dieser einst bei der Schlacht am Pea Ridge oben in Arkansas von Old Death aus der Gefangenschaft der Südstaatler befreit worden war. Von Lange erfuhren wir auch, dass er Ohlert und Gibson bei Señor Cortesio getroffen habe und dass beide abgereist seien, um zum Rio Grande zu gehen. Lange hatte nämlich sein Haus an Señor Cortesio verkauft und wollte mit seinem Sohn zu seiner Tochter nach Mexiko ziehen. An diesem Abend war im selben Gasthaus ein Treffen des Ku-Klux-Klan, einer illegalen terroristischen Vereinigung von Südstaatlern, deren Aufgabe es war, mit allen Mitteln, auch den unerlaubtesten und verbrecherischsten, gegen die nach Beendigung des Bürgerkriegs eingetretene Ordnung anzukämpfen. Zu ihnen gesellten sich noch im Laufe dieses Abends jene Strolche, die unser Kapitän hatte ans Land schwimmen lassen und die auf gestohlenen Pferden hier ankamen. Bevor uns diese im Nebenzimmer entdeckten, verschwanden wir durch das Fenster und suchten Señor Cortesio auf, um von diesem Pferde zu kaufen. Da dieser uns für Anhänger von Benito Juarez hielt, erhielten wir von ihm nicht nur ein Empfehlungsschreiben, sondern auch je zwei Pässe, der eine in französischer, der andere in spanischer Sprache. Außerdem beschrieb er uns den genauen Reiseweg, den Gibson und Ohlert zu nehmen beabsichtigten.
Von Lange erfuhren wir, dass er einige Freunde erwartete, weil die Kukluxer heute Nacht La Grange unsicher machen wollten. In einer Nacht-und-Nebel-Aktion konnten die verschiedenen Anschläge des Ku-Klux-Klan verhindert und die gesamte Bande gefangen werden. In der eiligst einberufenen nächtlichen Gerichtsverhandlung wurde beschlossen, den Kukluxern Haar und die Bärte abzuscheren und die Verurteilten zum Steamer zu schaffen, der nach Matagorda weiterfährt. Danach wurde in der Gastwirtschaft von La Grange gefeiert bis zum nächsten Morgen. Beim Tanzen stürzte Old Death so schwer, dass er sich eine Quetschung an der Hüfte zuzog.
Mittwoch, 27. Juni 1866:
Wir beschlossen, heute einen Ruhetag einzulegen, und beim Mittagessen sagte uns Mr. Lange, dass er und sein Sohn mit uns reisen wollten, da sein Weg vorläufig der gleiche sei. Señor Cortesio bat uns, seinen schwarzen Diener Hektor mitzunehmen, der eine wichtige Nachricht nach Chihuahua bringen und eine schriftliche Antwort wieder mit zurücknehmen sollte.
Freitag, 6. Juli 1866:
Neun Tage später befanden wir uns im südlichen Texas. Old Death hatte volle drei Tage gebraucht, sich von der Verletzung zu erholen. Nun hatten wir in sechs Tagen fast zweihundert englische Meilen zurückgelegt. Wir ritten nach Südwest und trafen dabei auf einen Dragonersergeanten mit fünf Leuten. Er sagte uns, dass die Komantschen und Apatschen das Kriegsbeil ausgegraben hätten, weil Erstere ein Lager der Letzteren überfielen. Bei einem Treffen zwischen beiden Indianerstämmen auf Fort Inge wären zwei der drei erschienenen Apatschen-Häuptlingen von fünf Komantschen-Häuptlingen und zwanzig Kriegern in einem aufkommenden Streit niedergestochen worden. Der dritte Apatschen-Häuptling konnte verwundet auf seinem Pferd fliehen. Kurz nachdem die Komantschen das Fort verlassen hätten, sei Winnetou aufgetaucht. Als man ihn festnehmen wollte, habe er einige Soldaten über den Haufen geritten und sei verschwunden. Dann trennten wir uns von den Kavalleristen. Am Rio Leona entdeckten wir Pferdespuren. An verschiedenen Zeichen sahen wir, dass es Winnetou und der verwundete Apatsche gewesen sein mussten. Da es langsam dunkel wurde, lagerten wir. Hier erwischte Old Death einen Komantschen, den er kannte. Dieser erzählte uns, dass sämtliche Krieger der Komantschen ihre Zelte verlassen haben, um sich die Skalpe der Apatschen zu holen. Sein Stamm mit hundert Kriegern lagerte etwa eine Stunde entfernt am Ufer dieses Flusses, angeführt vom ‚Großen Bären‘, dem Sohn des ‚Weißen Biber‘, einem Freund von Old Death. Obwohl es stockdunkel war, ritten wir mit dem Indianer zu dessen Lager.
Samstag, 7. Juli 1866:
Wir verließen am nächsten Morgen die Komantschen wieder. Am Nachmittag erreichten wir die Estanzia del Caballero, die einer Festung glich. Hier wohnte ein Freund von Old Death, ein echter Mexikaner von unverfälschter spanischer Abkunft, namens Don Atanasio. Von ihm erfuhren wir, dass Ohlert und Gibson zusammen mit den Juarez-Anhängern hier gewesen und höchstens erst drei Stunden fort waren. Gibson hatte auch den verwundeten Apatschen-Häuptling gesehen, den Winnetou hierher gebracht hatte, bevor er weitergeritten war, um die Apatschen vor einem Angriff der Komantschen zu warnen. Als ich ein Bad im Elm Creek nahm, sah ich auf der anderen Seite des kleinen Flusses eine lange Schlange von Reitern kommen, einer hinter dem anderen: Indianer. Als wir auf die obere Plattform der Estanzia gelangten, schwang sich bereits der erste Indianer über den Rand. Ihm folgte ein zweiter, dritter, vierter. Es waren Komantschen. Sie hatten mit Hilfe von jungen Baumstämmchen die Außenmauer und dann auch die drei Plattformen erstiegen. Der Caballero trat ihnen einige Schritte entgegen und fragte, was die roten Männer bei ihm wollten. Der Anführer der Komantschen sagte ihm, dass in diesem Haus ein Häuptling der Apatschen versteckt sei. Sie hatten das von Gibson erfahren. Ich schaffte den Apatschen unbemerkt durch eine versteckte Tür aus dem Haus hinunter an den Fluss. Dafür belegten die Frau und die Tochter des Caballero dessen Zimmer. Über eine Stunde dauerte es, bis die Indianer ihre Hausdurchsuchung beendet hatten. Endlich waren sie überzeugt, dass sich der Gesuchte nicht auf der Estanzia befand. Da es langsam dunkel wurde, wollten die Komantschen die Nacht hier verbringen und am nächsten Morgen wieder zurückreiten. Wir wollten sie begleiten, weil wir hofften, Ohlert und Gibson noch bei der Hauptschar anzutreffen. Der alte Apatschen-Häuptling musste noch eine Nacht außerhalb der Estanzia verbringen.
Sonntag,