Gesammelte historische Romane: Quo Vadis? + Die Kreuzritter + Mit Feuer und Schwert + Sintflut + Pan Wolodyjowski. Henryk Sienkiewicz. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Henryk Sienkiewicz
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788026822417
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dem Meister ein Geständnis ablegen, vielleicht könnte Danusia auf dessen Befehl hin die Freiheit erlangen? Aber ebenso rasch wie diese Idee aufgetaucht war, wurde sie wieder verworfen. Wenn nun die Ordensschwester und der Pilger dem Meister sagten, sie hätten das Lösegeld für de Bergow gebracht, von dem Mägdlein wüßten sie aber nichts, was dann? Nein, dieser Weg führte zu keinem Ziele – wo war Rettung zu finden? Und angenommen, er würde sich nach Szczytno begeben, konnte er dann nicht ergriffen und in einen unterirdischen Kerker geworfen werden? Danusia aber würden die Kreuzritter allein schon deshalb nicht freigeben, damit es nicht den Anschein erwecke, sie sei von ihnen geraubt worden. Ach, der Tod drohte seinem einzigen Kinde, das Henkersschwert schwebte über dessen geliebtem Haupt! Nach und nach verwirrten sich die Gedanken Jurands immer mehr, ein wachsender Schmerz bemächtigte sich seiner. Wie leblos, wie aus Stein gehauen, saß er da. Er hätte sich in diesem Augenblick nicht zu erheben vermocht, selbst wenn ihm der Wunsch dazu gekommen wäre.

      Das lange Warten verdroß indessen augenscheinlich den Pilger und die Dienerin, denn diese hub plötzlich an: »Die Morgendämmerung ist nicht mehr allzu ferne. Entlaßt uns daher, o Herr, denn wir bedürfen der Ruhe.«

      »Sowie der Stärkung nach der langen Fahrt,« fügte der Pilger hinzu.

      Nach diesen Worten neigten sich beide vor Jurand – und entfernten sich.

      Der Gebieter von Spychow aber saß nach wie vor unbeweglich da, gerade als ob er in tiefen Schlaf versunken sei.

      Schon nach wenigen Minuten öffnete sich indessen abermals die Thüre, und Zbyszko sowie der Priester Kaleb traten über die Schwelle.

      »Weshalb wurden sie hierher gesandt? Was wollen sie?« fragte der junge Ritter ungestüm, indem er sich Jurand näherte.

      Jurand fuhr zusammen. Er erwiderte kein Wort, sondern blinzelte nur mit den Augen wie ein Mensch, der aus schwerem Schlaf erwacht.

      »O Herr, seid Ihr krank?« fragte der Priester Kaleb, welcher den Gebieter von Spychow zu genau kannte, um nicht sofort zu bemerken, daß etwas Außergewöhnliches mit ihm vorgegangen sein müsse.

      »Nein!« antwortete Jurand.

      »Und Danuska?« forschte Zbyszko weiter. »Wo ist Danusia, und was haben Euch jene mitgeteilt? Weshalb sind sie hierher gesandt worden?«

      »Sie haben das Lösegeld für Bergow gebracht.«

      »Das Lösegeld für Bergow?«

      »Für Bergow …«

      »Was soll das sein? Was ist Euch?«

      »Nichts …«

      Jurands Stimme klang indessen bei dieser Antwort so seltsam, so gebrochen, daß sich des Priesters und des jungen Ritters eine entsetzliche Angst bemächtigte, war es ihnen doch zuvor schon aufgefallen, daß Jurand von Lösegeld, nicht aber von einer Auswechselung Danusias mit de Bergow gesprochen hatte.

      »Beim allmächtigen Gott!« rief Zbyszko, »wo ist Danusia?«

      »Bei den Kreuzrittern findest Du sie nicht – nein!« entgegnete Jurand mit schlaftrunkener Stimme.

      Dann stürzte er plötzlich wie leblos von der Bank auf den Fußboden.

      Sechstes Kapitel.

      Inhaltsverzeichnis

      Gegen die Mittagszeit am folgenden Tage stellten sich die beiden Abgesandten wieder bei Jurand ein und kurze Zeit darauf machten sie sich mit de Bergow, den zwei Knappen und etlichen andern Gefangenen auf die Heimfahrt. Jurand aber ließ Pater Kaleb zu sich entbieten, der an den Fürsten einen Brief des Inhalts schreiben mußte, Danusia sei nicht von den Ordensrittern geraubt worden, er, Jurand, werde jedoch ihren Aufenthaltsort erfahren und hege die Hoffnung, sie schon in wenigen Tagen wieder sehen zu können. Das gleiche teilte er auch Zbyszko mit, welcher sich in der verflossenen Nacht nicht mehr gekannt hatte vor Angst und Sorge. Soviel aber auch letzterer fragte, der alte Ritter erteilte keine Antwort, sondern erklärte nur, Zbyszko müsse sich in Geduld fassen und dürfe nichts zur Befreiung Danusias unternehmen, da dies ganz unnötig sei. Gegen Abend schloß er sich aufs neue mit Pater Kaleb ein, durch den er seinen letzten Willen niederschreiben ließ, um dann bei ihm zu beichten und das heilige Abendmahl zu empfangen. Erst spät beschied er Zbyszko und den alten, stets schweigsamen Tolima zu sich, der ihm bei allen Unternehmungen und Kämpfen ein treuer Gefährte war, und welcher in Friedenszeiten Spychow verwaltete.

      »Sieh hier,« sagte, sich zu dem alten Edelmann wendend und die Stimme in einer Weise erhebend, die bewies, daß er zu einem schwerhörigen Menschen sprach, »sieh hier den Ehegemahl meiner Tochter, der mit ihr an dem fürstlichen Hofe getraut ward, und der meine Zustimmung erlangt hat. Nach meinem Tode wird er folglich der Herr über Spychow sein, er wird der Erbe der Burg, der Ländereien, der Wälder, der Sümpfe, der Leute, kurz all des Habes und Gutes sein, das sich in Spychow befindet …«

      Diese Worte versetzten Tolima in großes Staunen. Unablässig wendete er seinen unförmigen Kopf bald zu Zbyszko, bald zu Jurand. Allein er erwiderte nichts, sprach er doch nur ganz selten, dagegen neigte er sich schließlich vor Zbyszko und umfaßte dessen Knie.

      Jurand aber fuhr fort: »Pater Kaleb hat meinen letzten Willen niedergeschrieben und dieses Schriftstück mit seinem Siegel aus Wachs versehen, Du aber sollst bezeugen, daß ich Dir dies alles mitgeteilt und Dir befohlen habe, diesem jungen Ritter ein ebenso offenes Ohr zu leihen, wie dies bei mir der Fall gewesen ist. Zeige ihm auch die Beute und das Geld, welche die Schatzkammer birgt, und diene ihm treu bis in den Tod in Friedenszeiten und in Kriegsläuften. Hast Du mich verstanden?«

      Tolima legte die Hand ans Ohr, neigte bejahend das Haupt und verließ, von Jurand durch eine Handbewegung entlassen, rasch das Gemach. Letzterer jedoch redete nun in besonders eindringlichem Tone zu Zbyszko: »Für das, was sich in der Schatzkammer befindet, kann man, selbst wenn die Forderung noch so hoch gestellt sein würde, nicht nur einen, sondern hundert Kriegsgefangene loskaufen, dessen gedenke stets.«

      »Weshalb habt Ihr mir jetzt schon Spychow verschrieben?« fragte Zbyszko.

      »Etwas weit Kostbareres als Spychow habe ich Dir ja bereits überlassen – mein eigenes Kind.«

      »Und unsere Todesstunde kennen wir nicht,« warf Pater Kaleb ein.

      »Wahrlich, wir kennen sie nicht,« wiederholte Jurand in traurigem Tone. »Aus dem Schnee hat man mich ja erst vor kurzem herausgraben müssen, allein, wenn mir Gott auch einen Retter geschickt hat, die frühere Kraft besitze ich doch nicht mehr.«

      »Beim Allmächtigen!« rief Zbyszko, »seit gestern Abend ist irgend etwas mit Euch vorgegangen! Statt von Danusia zu sprechen, redet Ihr vom Tode. Beim allmächtigen Gotte, was bedeutet das?«

      »Danusia kehrt zu Dir zurück, sie kehrt zurück!« versetzte Jurand. »Sie steht in Gottes Hand. Sobald sie jedoch zurückgekehrt sein wird – hörst Du – bringe sie unverzüglich nach Bogdaniec. Spychow übergebe Tolima … Er ist ein treuer Mann … Hier ist eine schlimme Nachbarschaft … Von dort wird niemand Dir Dein Weib gebunden hinwegführen … Dort kannst Du sie vor Gefahr beschützen …«

      »Hei!« schrie nun Zbyszko auf, »Ihr sprecht ja gerade, als ob Ihr schon im Jenseits wäret! Was soll das heißen?«

      »Viel hätte nicht mehr gefehlt, und ich wäre aus dieser Welt geschieden! Nun aber ist’s mir, wie wenn mich eine Krankheit darnieder beugte. Der Gram ist’s um das Kind – ich habe ja nur dies eine. Und Du, obwohl ich weiß, daß Du sie liebst …«

      Hier brach er plötzlich ab, zog das »Misericordia« aus der Scheide und hielt den Griff des kurzen Dolches seinem Eidam mit den Worten entgegen: »Du schwörst mir auf dieses Kreuz, daß Du ihr nie ein Unrecht zufügen, daß Du sie stets in Treuen lieben wirst.«

      Dem jungen Ritter standen plötzlich Thränen in den Augen. Auf die Knie fallend und die Finger auf den Dolchgriff legend, rief er: »Bei den Wundmalen des Erlösers, nie werde ich ihr ein Unrecht zufügen,