Howie hatte den Revolver gerade aus dem Holster. Er spreizte vor Schmerz die Finger, und der Colt wirbelte in hohem Bogen über ihn hinweg.
In derselben Sekunde sprang Jim Lawson auf. Der Zureiter und Wagenfahrer packte einen Stuhl an der Lehne und holte aus, während Cannonball Jackson auf ihn zugeschossen kam.
Lawson kannte manchen Trick, war sehr beweglich. Reaktionsschnell machte er einen Sidestep, ließ Cannonball zunächst ins Leere laufen, bis er schließlich gegen die Stirnwand des Saloons prallte.
Der Gorilla stieß einen gepreßten Laut aus. Einen Moment war er benommen, doch dann knurrte er wütend und warf sich herum.
Im gleichen Moment war Lawson bei ihm, schlug ihm den Stuhl über den Schädel – und glaubte seinen Augen nicht trauen zu können. Der Gorilla Cannonball schluckte den mörderischen Schlag, als hätte ihn jemand gekitzelt. Er lachte laut auf, schüttelte sich einmal und warf dann mit einer lässigen Handbewegung den auf seinen Schultern liegenden Stuhl zur Seite.
»Gleich habe ich dich!« brüllte Cannonball. Der bullige Mann stürmte vorwärts.
Diesmal hüpfte Lawson hin und her, um den unheimlichen Fangarmen zu entgehen. Cannonball machte jeden Seitensprung mit bis Lawson sich hinfallen ließ. Es gelang dem Zureiter, unter den Fangarmen durchzutauchen. Geschickt duckte er sich, schnellte vorwärts und rammte mit seinem Kopf Cannonballs Magen.
Cannnonball brüllte schaurig, als Lawson die Finger in seine Schenkel verkrallte und ihn aushob. Zwar brach Lawson unter dem Gewicht dieses Urviehs beinahe zusammen, doch er konnte ihn vom Boden heben und wegstoßen. Der Gorilla prallte gegen Howie McGruders Rücken.
Howard hatte einen Tritt von Einohr-Joe in die Seite bekommen, war vor den Tresen geflogen und hatte Einohr-Joe schon wieder ein Bein mit dem Riesenfuß heben sehen. Diesmal war es Howie gelungen, den Stiefel Joes zu packen. Plötzlich stand Einohr-Joe nur noch auf einem Quadratlatschen. Howie riß das Bein ganz in die Höhe, und der stämmige Joe fiel schreiend auf den Rücken.
Im selben Augenblick drehte sich Cannonball, holte aus und schlug Howie McGruder die Faust an den Kopf.
Der hatte das Gefühl, von einem Pferdehuf getroffen worden zu sein. Er geriet ins Schwanken, torkelte am Tresen entlang.
»Hier!« sagte Einohr-Joe da neben ihm. »Hier bin ich, McGruder – hier!«
Howie versuchte noch die Arme vor den Kopf zu reißen, um sein Kinn zu schützen. Doch da trat Einohr-Joe auch schon zu. Howie brach lautlos zusammen, während Jim Lawson Einohr-Joe mit der Faust in den Nacken schlug.
Lawson sah den Mann taumeln, setzte ihm nach und erkannte dann rechts einen Schatten.
Cannonball war bereits neben ihm.
Jetzt hatte es der Zureiter mit beiden zu tun. Sie hämmerten gemeinsam auf ihn ein und schickten ihn auf die Bretter.
Einohr-Joe grinste und trat Lawson ins Gesäß. Daraufhin flog Lawson wie eine zerbrochene Puppe auf Howie McGruder.
Durch diesen Aufprall kam Howie zu sich.
»Ohohoh!« lachte Cannonball breit. »Der lebt ja noch, der großmäulige Bursche. Cannonball, er hat immer noch nicht genug, was?«
»Hat er nicht!« schlug Cannonball in die gleiche Kerbe. »Ich glaube, er will noch etwas mehr, der freche Lümmel.«
Einohr-Joe watschelte los. Cannonball folgte ihm, während Charlie McClure wie angeleimt hinter seinem Tresen stand und nichts zu sagen, geschweige denn etwas zu tun wagte. Bateson Michaels saß steif auf seinem Stuhl und dachte an Lion McGruder. Der Alte würde es nicht schlucken, daß man seinen Howie verprügelt hatte, soviel war sicher. Jeder in Sulphur Springs wußte, daß McGruder seinen Männern verboten hatte, eine Prügelei anzufangen. Packte den Alten die Wut, konnte es sein, daß er Rocky Duncan von der Leine ließ.
Rocky Duncan war der Ranchkoch, ein ungeheuer großer und breitschultriger Mann, der nur einmal in Bowie mit zwei Begleitern auf die gesamte Harris-Mannschaft gestoßen war. Die Harris-Burschen hatten geglaubt, daß der tölpelhaft wirkende Duncan gerade gut für einen wilden Spaß wäre, und seinen Vorratswagen wieder entladen. Neun wackere Harrisburschen hatten dabei eine Kette gebildet und sich die Vorräte zugeworfen.
Was dann passiert war, hatte volle vier Wochen lang die Gemüter in diesem Land erhitzt. Duncan war ohne seine Begleiter aus dem Saloon gekommen, hatte sich wortlos genähert und dann innerhalb von zwei Minuten alle neun Harrisreiter auf den Misthaufen des Mietstalles gefeuert.
Du großer Geist, dachte der klapperdürre Bateson Michaels beklommen. Die Kerle haben Howie verdroschen und werden ihm noch mehr geben.
Bateson tat allein das Zuschauen weh. Er mochte nicht mehr hinsehen und erleben, wie die zwei Ungeheuer den armen Howie in die Mangel nahmen. Bateson, der Harmoniumspieler und Leichenbestatter, blickte zur Tür. Da schienen dem Knochengestell die Augen aus den Höhlen zu quellen.
»Zieh ihn hoch, Einohr!« sagte Cannonball kichernd. »Und dann wirf ihn mir zu. Wir wollen etwas mit ihm spielen, okay?«
Bateson hielt nicht deswegen sekundenlang den Atem an, sondern weil plötzlich ein Mann vor der Schwingtür stand.
Keiner sonst hatte Rocky Duncan, den Ranchkoch des alten McGruder, kommen gehört. Mit einem Blick übersah er die Szene, ballte die riesigen Hände und stampfte wie ein gereizter Stier in den Raum, bis er ganz dicht hinter dem ahnungslosen Cannonball stand. Auch Einohr-Joe sah den Riesen noch nicht.
Charlie McClure schloß die Augen. Er war von Natur aus blaß, aber nun nahm sein Gesicht Leichenfarbe an, weil er sich das Schrecklichste ausmalte.
*
Cannonball Jackson sah sich grinsend um. Und plötzlich war sein Grinsen wie weggewischt. Seine Augen weiteten sich ungläubig. Aber nur für einen Sekundenbruchteil. Denn als er begriff, wer vor ihm stand, reagierte er blitzschnell und sprang zur Seite. Der Gorilla des alten Abe Harris versuchte Front gegen Duncan zu machen, aber dessen Faust stoppte ihn. Duncan traf Cannonballs massigen Schädel in Ohrhöhe. Hinter diesem Donnerschlag steckten zweihundertvierzig Pfund Gewicht.
Jackson flog am Tresen entlang, bis er auf Howie prallte, den Einohr-Joe gerade richtig hinstellen wollte, um ihn dann mit einem Fausthieb zu Cannonball zu schicken. Nun kam Cannonball dem einohrigen Riesenfußbesitzer entgegen – und dann stürzten sie alle um.
Einen schrecklichen Moment glaubte Charlie McClure, daß sein Saloon von einem Erdbeben heimgesucht würde. Drei Männer landeten am Boden, der vierte Mann – Duncan – sprang auf sie zu. Die Dielen dröhnten, die Gläser in McClures Regal klirrten.
»Habt ihr euch gedacht, was?« stieß Rocky Duncan grimmig hervor, indem er sich bückte und Cannonball am Kragen zu fassen bekam. »Ich bin auch noch da.«
Jackson brüllte wie ein Ochse am Spieß, denn Duncan packte ihn mit der Rechten am Hosenriemen und hob ihn mühelos auf. Einen Augenblick schwebte Cannonball Jackson einen Schritt über dem Boden, dann wurde er gedreht und mit dem Kopf voran gegen Charlie McClures feinen Eichenholztresenpfosten gerammt. Cannonball sah ein Feuerwerk.
Rocky Duncan wiederholte die Prozedur zweimal, bis Cannonball schlaff wurde und zu Boden fiel. In diesem Moment sprang Einohr-Joe von hinten auf Duncan los. Der sah ihn aus den Augenwinkeln kommen und wich zur Seite aus. Der Mann mit den Riesenfüßen schoß an Duncan vorbei und krachte gegen die Theke, die sich um mehrere Zoll nach hinten verschob und Charlie McClure so in den Bauch gestoßen wurde, daß der dicke Salooner plötzlich auf der Platte lag.
»Da bist du ja«, sagte Duncan vollkommen gelassen, als Joe augenkollernd schwankte. »Grinst du noch, du Affe?«
Duncans Fausthieb verschob Joe die Kinnspitze. Der Einohrige hatte plötzlich einen schiefen Mund und glasige Froschaugen. Nach dem zweiten Hieb knickte er ein, fiel auf Hände und Knie und stöhnte schwer.
Rocky Duncan war mit einem Satz neben ihm, riß ihn genau wie Cannonball in die Höhe und drehte sich einmal um die Achse. Dann ließ er Einohr-Joe