Beim schwarzen Bundespräsidenten“
Am nächsten Morgen stand ich vor Lome, der Hauptstadt des früheren deutschen Togo. Eine Mole ragte weit ins Meer hinaus, Eingeborene winkten mir zu. Ich preite den Kaiaufseher an, ob ich hier ankern könnte. „Ça va“, es geht, schrie er zurück.
Eine schreckliche Dünung hinderte die Landungsboote daran, zu mir herüber zu kommen. Mit einer Barkasse holte man mich aus der LIBERIA, unter der Mole kletterte ich in einen Leichter – und dann hob mich ein Kran auf und setzte mich unsanft an Land!
Per Kran hielt ich Einzug in Togo, der ehemaligen deutschen Kolonie. Wie sollte man sich anders helfen, wenn kein Hafen da ist?
In der Stadt, die einen ländlichen, vernachlässigten Eindruck macht, hatte ich ein Erlebnis, das ich nicht so schnell vergessen werde. Ein Afrikaner sprach mich an, in gutem, unverfälschtem Deutsch: „Verzeihen Sie bitte, kommen Sie vielleicht aus Deutschland? Sie sehen wie ein Deutscher aus. Bitte kommen Sie mit mir – Sie müssen meine Bundesbrüder kennenlernen!“
Damit kam der Stein ins Rollen. Die „Bundesbruder gehörten dem „Bund der Deutsch-Togoländer“ an, einem überbleibsel aus deutschen Zeiten, dessen Mitglieder – Schwarze sind!
Als die Franzosen das Land nach dem Ersten Weltkrieg übernahmen, waren viele Mitglieder aus Treue zu Deutschland nach der Goldküste ausgewandert, um nicht den neuen Herren dienen zu müssen. Diejenigen jedoch, die in Togo blieben, taten alles, damit die Spuren der Deutschen nicht so schnell verwehten …
Ihre Freude, einen Deutschen zu treffen – in Lome soll es heute keine Landsleute mehr geben – war unbeschreiblich. Mein „Entdecker“ lud mich sofort in sein Haus ein und trommelte danach alle erreichbaren Mitglieder zusammen: „Ein Deutscher ist da!“
Dann erschien der Bundespräsident – er nennt sich tatsächlich so – Johannes Agboka und hieß mich herzlich willkommen; 2730 Mitglieder zähle der Bund, schade, daß mich nicht alle sehen können, meinte er.2730 Mitglieder! 45 Jahre nach dem Abzug der Deutschen sind immer noch 2730 Afrikaner bereit, „die deutsche Sache in Togoland hoch zu halten“, wie mir Agboka in sauberem Deutsch ins Bordbuch schrieb. Und wer weiß zu Hause von diesem rührenden Bemühen jener Männer, wer dankt ihnen dafür – und sei es nur durch ein anerkennendes Wort?
Der „Bundespräsident“ ist Lehrer. Für seine „treudeutsche“ Einstellung hat er büßen müssen: von 1939 bis 1945 wurde der „staatsgefährliche“ Mann in ein britisches Internierungslager gesteckt, weil er „die deutsche Sache hoch halten“ wollte. Von den Braunhemden und ihrem Schnurrbart hatte er nicht viel gehört, dafür um so mehr vom alten Kaiser. Selbstverständlich hoffen die Männer um Agboka heute, daß besonders viele Deutsche nach Togo kommen werden, nachdem ihr Land 1960 frei geworden ist.
Togo, früher „Musterkolonie“ des Deutschen Reiches mit Gustav Nachtigal als erstem Gouverneur, seit Beginn des Ersten Weltkrieges von Engländern und Franzosen besetzt, ist zweigeteilt wie Deutschland. Nkrumah, zu dessen Land der andere Teil von Togo gehört, zeigt nicht allzu großes Interesse an einer „Wiedervereinigung“. Allerdings hat er Togo den Zusammenschluß mit Ghana angeboten. Wird der Ministerpräsident von Togo das Angebot annehmen? Auf alle Fälle werden Deutsche als Mitarbeiter der freien Republik Togo auch vom Ministerpräsidenten gern gesehen sein.
Eine ganze Abordnung des Bundes begleitete mich zum Hafen. Noch vor Einbruch der Dunkelheit wollte ich ankeraufgehen. Ich versuchte, den Anker einzuhieven. Es ging nicht. Ich stellte den Motor an, aber in der hohen, steilen Dünung jagte die Schraube aus dem Wasser – ein Schlag, und sie drehte sich nur noch ganz langsam. Wahrscheinlich war der Schlüssel gebrochen, der Schraube und Schaft miteinander verbindet. Ich war nicht mehr so fest davon überzeugt, daß es reiner Aberglaube ist, wenn die Segler davor warnen, an einem Freitag abzufahren …
Der folgende Tag war ein Sonntag und damit ein Ruhetag, und erst am Montag nahm eine Barkasse meine Ankerkette auf und holte den Anker mit Gewalt heraus. An seinen verbogenen Flügeln hing ein Wrackstück … das
„ça va“ des Aufsehers klang noch in meinen Ohren …
Unter Segel ging es weiter, am ersten Tag bis Kotonou an der Dahomeyküste. Hier hätte ich gerne nach der Kultstätte gesucht, auf der die Eingeborenen noch heute Zeremonien für ihre von Sklavenhändlern verschleppten Brüder abhalten sollen. Aber die Zeit drängte.
Schon am folgenden Tag lief ich drei Stunden nach Hochwasser in den Kanal von Lagos. Ein Motorbootsportler kam herbei und bot sich an, den Segelclub von meiner Ankunft zu benachrichtigen. Sehr schön!
Mit der einlaufenden Tide kam ich schnell vorwärts. Kurz vor dem Segelclub holte ich das Großsegel herunter, und da wurde ich, ohne daß ich es bemerkte, gegen den Rand einer Bank gedrängt. Die Ufer waren im Zwielicht und im starken Guineaharmattan nicht auszumachen. Schon saß ich fest. Fock herunter, Schlauchboot aufgeblasen und Anker – aber da kam ein Boot vom Club und brachte Hilfe. Seine Besatzung nahm meinen Anker zu sich an Bord, fuhr mit ihm einige Meter weit ins tiefe Wasser und warf ihn dort aus. Ich hievte die Kette, die bei mir an Bord geblieben war, ein, und schon gab der weiche Schlick die LIBERIA wieder frei. Schließlich half mir der Sekretär des Clubs, mein Boot in einer tieferen Stelle vor dem Yachtclub zu ankern.
„Möchten Sie duschen?“ lud er mich ein – eine Einladung, für die ich in jedem Hafen besonders dankbar war. Und: „Bitte, seien Sie beim Abendessen unser Gast!“
Bohrwürmer – der Schrecken der Seefahrer
Lagos, die Hauptstadt Nigerias, war mein 34. Hafen auf dieser Fahrt. Selten verirren sich Yachten in jene Gegend, um so gastfreundlicher nahm man mich auf. Motorschaden? Man erkundigte sich nach Reparaturmöglichkeiten, und kurze Zeit später wurde die LIBERIA im Hafengelände von Apapa auf Land geschleppt. Es wurde auch höchste Zeit, denn mein Boot besaß keinen Kielschuh, der es vor den Bohrwürmern, den gefürchteten Teredos, schützen konnte. Und Bohrwürmer sind in Westafrikanischen Gewässern so häufig anzutreffen wie Nudeln in der Nudelsuppe.
In jedem zweiten Brief hatte Niña angefragt, ob diese lieben Tiere sich nicht schon in mein Boot eingeschlichen hätten – sie hoffte wohl insgeheim, ich müßte dann schleunigst nach Deutschland zurückkehren. Und ich war ihr ob dieser Hoffnung nicht einmal böse.
Bohrwürmer sind keine Würmer, sondern Muscheltiere, die sich darauf spezialisiert haben, das Holz derartig zu durchlöchern, daß es das Aussehen eines Schwammes erhält und schließlich zerfällt. Schiffsbohrwürmer haben griechische Triremen wie auch die sonst unbesiegte „Golden Hind“ von Francis Drake zerstört, und heute noch geben die Yachtbesitzer aller Welt jährlich Millionen von Mark aus, um ihr Unterwasserschiff vor ihnen zu schützen.
Als winzige Larven schwimmen die Tierchen im Meer umher und suchen emsig nach einer Wohnung, die ihnen zugleich Nahrung liefern kann. Mittels eines technisch interessanten Schabmechanismus drillen sie sich in das Holz, das ihnen ein ewiges Gefängnis wird.
Das Achterende des Tieres bleibt stets an der Eintrittsöffnung haften, es kann sogar den Eingang zur Höhle verschließen, während das Vorderende immer lustig weiterbohrt, so daß sich das Tierchen schließlich wie eine Ziehharmonika auseinanderzieht oder, besser gesagt, auseinanderwächst, und zwar bis zu der stattlichen Länge von einem Meter.
In Australien gibt es Eingeborene, die diese dort besonders großen „Holzwürmer“ mit Hochgenuß verzehren.
Das Gemeine an dem Tier ist die Tatsache, daß es ohne Schaden eine recht lange Trockenkur an Land vertragen kann, weil sein Hinterende die Pforten verschließt.
Aber zum Glück muß es nach ein paar Tagen doch einmal Atem holen, und dann bekommt es zu seinem