Die drei Männer gingen die Straße entlang, die um den Dorfanger herumführte.
»Ich verstehe das nicht«, sagte Agent Lemieux und schritt weit aus, um mit Gamache Schritt zu halten. »War es Mord?«
»Ich verstehe das auch nicht, junger Mann«, sagte Gamache und blieb stehen, um ihn anzusehen. »Was machen Sie hier? Ich habe Sie nicht gerufen.«
Die Frage machte Lemieux verlegen. Er hatte erwartet, dass der Chief Inspector sich freuen würde, ihm sogar dankbar wäre. Stattdessen sah Gamache ihn geduldig und ein wenig erstaunt an.
»Er besucht über Ostern seine Eltern, die nicht weit von hier wohnen«, sagte Beauvoir. »Ein Freund von der örtlichen Sûreté hat ihm von dem Fall erzählt.«
»Ich bin einfach von selbst hergekommen. Tut mir leid, war das falsch?«
»Nein, nicht falsch. Ich will die Ermittlung nur so diskret wie möglich führen, bis wir wissen, ob es sich um Mord handelt.« Gamache lächelte. Seine Leute mussten Eigeninitiative zeigen, wenn vielleicht auch nicht ganz so viel wie dieser junge Polizist. Aber das würde er sich noch früh genug abgewöhnen, und Gamache war sich nicht sicher, ob das dann gut wäre.
»Wir wissen es also noch nicht genau?«, fragte Lemieux und beeilte sich, Gamache einzuholen, der sich wieder in Bewegung gesetzt hatte und auf das große Haus an der Ecke zuging.
»Ich will nicht, dass im Moment jemand davon erfährt, aber sie hatte Ephedrin im Blut«, erklärte Gamache. »Schon mal was davon gehört?«
Lemieux schüttelte den Kopf.
»Das überrascht mich. Sie interessieren sich doch für Sport, n’est-ce pas?«
Der junge Polizist nickte. Das war eines der Dinge, die ihn mit Beauvoir verbanden. Ihre Begeisterung für Eishockey und die Montréal Canadians.
»Jemals was von Terry Harris gehört?«
»Dem Outfielder?«
»Oder Seamus Regan?«
»Dem Runningback? Der für die Lions gespielt hat? Sie sind beide gestorben. Ich kann mich erinnern, in Allô Sport etwas darüber gelesen zu haben.«
»Sie haben Ephedra geschluckt. Das gibt es als Diätpillen.«
»Jetzt weiß ich es wieder. Harris ist beim Training zusammengebrochen und Regan mitten im Spiel. Es war ein heißer Tag, und alle dachten, er hätte einen Hitzschlag erlitten. Aber das war es nicht?«
»Ihre Trainer hatten ihnen gesagt, sie müssten rasch Gewicht verlieren, deshalb haben sie Diätpillen genommen.«
»Das war vor ein paar Jahren«, sagte Beauvoir. »Ephedra ist inzwischen verboten, richtig?«
»Soweit ich weiß, aber vielleicht täusche ich mich auch. Könnten Sie das überprüfen?«, fragte Gamache an Lemieux gewandt.
»Selbstverständlich.«
Gamache lächelte, während er auf die hübsche Pension zuging. Lemieux’ Begeisterung gefiel ihm. Das war einer der Gründe, warum er den jungen Mann damals in sein Team geholt hatte. Lemieux hatte auf dem Revier in Cowansville gearbeitet, als Gamache das letzte Mal hier gewesen war, um in einem Mordfall zu ermitteln, er hatte damals Eindruck auf ihn gemacht.
Das Opfer in diesem Fall hatte im alten Hadley-Haus gewohnt.
Sie betraten die ausladende Veranda der Pension. Das zweistöckige Ziegelgebäude war früher eine Kutschenstation auf der Strecke zwischen Williamsburg und St-Rémy gewesen und stand an der Old Stage Road, wie sie jetzt hieß. Olivier hatte Gamache einmal erzählt, Gabri hätte ihn dazu überredet, das Haus zu kaufen, damit er seinen englischsprachigen Freunden erzählen konnte, er stehe jetzt auf der Bühne, »on the stage«.
In der Pension empfingen ihn Holzparkett, dicke indianische Teppiche und vornehme, leicht verblichene Stoffe. Man hatte den Eindruck, ein altes Landhaus zu betreten, das einen einlud, es sich gemütlich zu machen.
Aber er war nicht hier, um es sich gemütlich zu machen. Er war hier, um herauszufinden, was Madeleine Favreau umgebracht hatte. War es einfach ein Herzanfall gewesen, verursacht durch Aufregung oder Angst? Hatte sie das Ephedra selbst eingenommen? Oder war hier etwas Schlimmeres am Werk, das sich hinter der freundlichen Fassade von Three Pines verbarg? Olivier hatte gesagt, Jeanne Chauvet wohne in dem kleinen Zimmer im ersten Stock.
»Sie bleiben hier«, wies Gamache Lemieux an, bevor er mit Beauvoir den kurzen Flur hinunterging.
»Glauben Sie, dass sie uns überwältigen könnte?«, flüsterte Beauvoir mit einem Lächeln.
»Ja, ich glaube, das könnte sie«, erwiderte Gamache ernst und klopfte an die Tür.
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