In Ungnade - Band II. Nataly von Eschstruth. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Nataly von Eschstruth
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788711448205
Скачать книгу
Grossherzog biss sich auf die Lippe. „Das ist etwas anderes“, sagte er ärgerlich, „gewiss hat der leichtsinnige Herr rechtzeitig erfahren, dass ich mit unerbittlicher Strenge jede derartige Ausschweifung ahnde. Über sein privates Thun und Handeln bin ich leider nicht ermächtigt zu richten, aber Sie wissen vielleicht darin Bescheid, liebe Vare, wie und zu welchen Zwecken Buchfeld binnen wenigen Monaten ein so bedeutendes Vermögen vergeudete, wie das hinterlassene seines Stiefbruders?!“

      „Er huldigt wohl nobeln Passionen, Königliche Hoheit. Mein Gott, die jungen Herren sind so vielen Versuchungen ausgesetzt!“

      „Undenkbar! Sie begütigen seinen Leichtsinn?“ die Stimme des Fragers klang scharf; „Sie befürworten es sogar, dass er sein Geld an Spiel und Weiber hängt?“

      „Ich bin tolerant genug, mit den Verhältnissen zu rechnen, mein allergnädigster Herr. Buchfeld ist in Einsamkeit und Entbehrungen aufgewachsen, er steht naiv und leichtfertig wie ein unerfahrenes Kind plötzlich als reicher Mann auf dem heissen Boden einer Grossstadt. Ihm bleibt der grosse Schwabenstreich des Lebens ebensowenig erspart wie anderen Sterblichen, und auch an ihm wird sich die alte Wahrheit bestätigen, dass hohes Lehrgeld hohe Zinsen trägt!“

      „Illusionen!“ Max Christoph biss die Zähne zusammen, „jeder Leichtsinn ist ein Laster, und das Unkraut lässt sich niemals völlig roden, da, wo es einmal Wurzel gefasst! Ein Spieler von Profession ist nicht zu kurieren, und wer sich einmal in schlechter Damengesellschaft bewegt, dem klebt sie ewig an.“

      Judith lächelte, beinahe etwas sarkastisch. „Haben Königliche Hoheit thatsächliche Beweise für Buchfelds Verkehr in solch schlechter Gesellschaft?“

      Er blickte fast zornig auf und stiess mit sichtlichem Widerwillen hervor: „Nein, das nicht; aber mit gesundem Menschenverstand ist wohl dieses Faktum leicht zu berechnen!“

      „Thatsächlich? Warum müssen es zwei Passionen sein, denen er fröhnt, mein allergnädigster Herr, warum sagt man nicht: „Spiel — oder Weib?“

      „Hm ... Sie sind ein Diplomat ... Sie ... ah — ich kenne das ja bereits an Ihnen, dass Sie dem ‚leichtfertigen Kind‘ mit dem Philosophenverstand stets die Stange halten! Mag’s sein, wie es will, auch dieses ‚aber‘ ist schlimm genug und verurteilt den schlechten Wirtschafter in meinen Augen. Aber, Sie fordern mit einer solchen Sicherheit Beweise, als wären Sie auch diesmal imstande, Gegenbeweise zu bringen“, er sah sie misstrauisch an: „Können Sie es? es würde dies ein Beweis sein, mit welch grossem Interesse Sie die Angelegenheiten des Herrn von Buchfeld beobachten!“ Wieder diese glimmende Eifersucht! und durch Judiths Seele zieht die Freude der Satanella.

      Sie wendet wie leicht verlegen das Köpfchen zur Seite und zupft an der Rose im Silbergurt. Ihr Füsschen schiebt sich auf schwellendem Teppich vor, und der glitzernde Silberflor umspannt dadurch noch praller ihre Gestalt: „Nur den Gegenbeweis, welcher sich als Resultat von ein wenig Kombination und Menschenkenntnis ergibt! Wenn ein Mann, ernst und ehedem so weiberfeindlich wie Buchfeld, sich mit aller Leidenschaft in eine Dame der guten Gesellschaft verliebt und dieselbe zu gewinnen hofft, wird er sich nicht den Weg zu ihrem Herzen verschütten und sich in schlechter Gesellschaft bewegen! Die Verhältnisse sind selbst in einer Grossstadt so unendlich kleinstädtisch, dass man genau im Westen hört, was im Osten geflüstert wird!“

      „Und doch wusste Buchfeld seine Passionen bisher geheim zu halten!“

      „Bisher! Wie lange noch?“

      Max Christoph zuckte ungeduldig die Achseln, erhob sich jäh und schritt ein paarmal im Zimmer auf und nieder. „Sie scheinen keine Enttäuschung von diesen Enthüllungen zu fürchten, Gräfin, und was diese Dame der guten Gesellschaft anbelangt — — bah, ich sah Buchfeld mit jeder von unseren Damen nur schroff und unliebenswürdig verkehren!“ Er sprach mit scharfer Betonung und blieb mit forschendem Blick vor ihr stehen.

      Judith blinzelte neckisch über den Fächerrand zu ihm auf, erhob sich gleichfalls und legte den Arm um die seitwärts stehende Bronzestatue eines Fahnenträgers. Voll zauberischer Koketterie neigte sie das Köpfchen gegen seine Brust, und streichelte mit der Hand über das glatte Erz. „War er unliebenswürdig?“ kicherte sie, „je nun, was sich liebt, das neckt sich! und manche Menschen spielen Versteck, wenn sie ihre Gefühle nicht auf den Jahrmarkt tragen wollen!“

      Der hohe Herr trat mit zitternden Lippen einen Schritt näher und fasste jählings ihre Hand mit eisernem Druck.

      „Und wird solch eine Liebe erwidert, Gräfin?!“

      Sie lachte silberhell auf: „Das kann doch wohl nur die Zukunft lehren, Königliche Hoheit! Wer schaut in eines Menschen Herz!!“

      Er setzte sich wieder auf den Diwan nieder und stützte das Haupt in die Hand. Sein Atem ging schwer, es zwang ihn wie mit Zaubermacht, immer wieder aufzuschauen und sie anzusehen!

      „Gräfin“, sagte er endlich tiefernst und wies abermals auf den Platz an seiner Seite, „hören Sie mich einen Augenblick an. Wie weit Ihr Interesse für Buchfeld geht, weiss ich nicht und will es nicht wissen. Ich frage Sie aber und verlange bei allem, was Ihnen heilig ist, eine offene Antwort. Hat er Ihnen bereits von seiner Liebe gesprochen?“

      Sie verschlang die Hände und sah zu Boden. „Noch nicht!“ flüsterte sie.

      „Noch nicht? Sie glauben, dass er es aber wagen wird?“

      „Wagen? Ja, es ist wohl ein Wagnis, ein Weib, welches vor aller Welt gebrandmarkt ist, zu eigen zu begehren!“ sie hob jäh verändert das Haupt; ihr Auge sprühte in massloser Bitterkeit und Erregung, ihre Gestalt wuchs empor. „Es würde ein Wagnis sein, ein Weib zu eigen zu verlangeu, auf welches die öffentliche Meinung mit Steinen wirft, welches ungeschützt und unverteidigt alle Verleumdungen über sich ergehen lassen musste, unschuldig, und auch nicht imstande, dieselben zu widerlegen! Welches ... “

      Max Christoph legte jählings seine Hand auf ihre Schulter; er sah sehr bleich aus. „Nicht weiter, Gräfin, ich empfinde den Vorwurf Ihrer Worte und schwöre Ihnen —“

      Ein Schluchzen erschütterte ihre Gestalt, sie hob die Hände vor das Antlitz und unterbrach ihn voll fiebrischer Erregtheit. „Sie empfinden Mitleid mit mir, Königliche Hoheit, und dennoch machen Sie es mir durch Ihren Verdacht gegen Buchfeld so schwer, wieder eine ehrenvolle Stellung in der Welt einnehmen zu können! Bleibt mir Unglücklichen denn eine grosse Wahl? Muss ich mich nicht an jede Hand, die sich mir rettend entgegen bietet, anklammern, um meiner Ehre willen, gleichviel, ob mein Herz bei solcher Wahl mitspricht? Ja, lieben, umschwärmen, durch kecke Huldigung demütigen, wollen wohl alle das schutzlos an den Pranger gestellte Weib, denn wo keine Ehre mehr ist, braucht man sie auch nicht zu respektieren, zur Gattin aber begehrt keiner die Geliebte seines Fürsten, und doch kann nur der Trauring und der starke Arm eines Gemahls mich wieder emporheben auf die moralische Höhe einer Stellung, welche ich nie verlor, und doch nicht mehr besitze! Darum flehe ich Eure Königliche Hoheit an, mir diesen Schritt, welcher mich herbe Überwindung kostet, nicht zu erschweren! Ich bin fest entschlossen, Buchfeld zu heiraten.“ —

      „Nein! und tausendmal nein!“ Max Christoph zog die Schluchzende tief ergriffen an seine Brust. „Gibt es einen Mann auf der Welt, der alles gut zu machen hat, was er unbewusst an Ihnen verschuldet, so bin ich es, Judith! Ich habe Ihnen die Stellung in der Welt genommen, dadurch, dass ich schuldlos zu den Verleumdungen Anlass gab, ich will Ihnen dieselbe wiedergeben, so hoch und glänzend, wie es nur die Hand eines Fürsten vermag, der ein geliebtes Weib als Gattin neben sich auf den Thron erhebt! Ich liebe Sie, Judith, und will mein Glück nicht dem Vorurteil opfern, ich will diesen Schritt, welcher mich Ihnen für das Leben verbindet, vor Gott und der Welt verantworten, ich will Ihnen Genugthuung verschaffen und uns beiden ein Glück sichern, vor dessen schäumendem Kelch wir lange genug in thörichtem Zögern gedurstet; Judith, Sie sollen durch den Segen der Kirche in offizieller Feier zu meiner Gemahlin erhoben werden!“

      Einen Augenblick ruhte der geschmeidige Frauenkörper wie betäubt an seiner Brust. Diesen direkten, so urplötzlichen Entschluss hatte sie nicht vorausgesehen. Was thun? Ihm angehören? Ein Schauer rieselte durch ihre Glieder. Was sie noch vor wenigen Monaten als höchstes Erdenziel ersehnt, mit steinernem