Es war auf nichts Geringeres abgesehen, als die Wohnung eines reichen Pachters, die von dem Dorfe abgelegen, unfern dem Walde, stand, zu überfallen und auszuplündern. Man wusste, dass der Pachter außer dem vielen Gelde und den Kostbarkeiten, die er besaß, eben jetzt für erkauftes Getreide eine sehr bedeutende Summe eingenommen hatte, die er bei sich bewahrte und umso mehr versprachen sich die Räuber einen reichen Fang. Die Windlichter wurden ausgelöscht und still zogen die Räuber durch die engen Schleichwege, bis sie dicht an dem Gebäude standen, welches einige von der Bande umringten. Andere dagegen stiegen über die Mauer, und sprengten von innen das Hoftor; einige wurden auf Wache ausgestellt, und unter diesen befand sich Andres. Bald hörte er, wie die Räuber die Türen erbrachen und ins Haus stürmten, er vernahm ihr Fluchen, ihr Geschrei, das Geheul der Gemisshandelten. Es fiel ein Schuss; der Pachter, ein beherzter Mann, mochte sich zur Wehre setzen – dann wurde es stiller – aufgesprengte Schlösser klirrten, Räuber schleppten Kisten zum Hoftor heraus. Einer von des Pachters Leuten musste in der Finsternis entwischt und ins Dorf gerannt sein; denn auf einmal tönte die Sturmglocke durch die Nacht, und bald darauf strömten Haufen mit hellauflodernden Lichtern die Straße herauf nach der Pachterwohnung. Nun fiel Schuss auf Schuss, die Räuber sammelten sich im Hofe und streck[77]ten alles nieder, was sich der Mauer näherte. Sie hatten ihre Windfackeln angezündet. Andres, der auf einer Anhöhe stand, konnte alles übersehen. Mit Entsetzen erblickte er unter den Bauern Jäger in der Liverei seines Herrn, des Grafen von Vach! – Was sollte er tun? – Sich zu ihnen zu begeben, war unmöglich, nur die schnellste Flucht konnte ihn retten; aber wie festgezaubert stand er da hinstarrend in den Pachterhof, wo das Gefecht immer mörderischer wurde; denn durch eine kleine Pforte an der andern Seite waren die Vachschen Jäger gedrungen und mit den Räubern handgemein geworden. Die Räuber mussten zurück, sie drängten sich fechtend durch das Tor nach der Gegend hin, wo Andres stand. Er sah Dennern, der unaufhörlich lud und schoss und niemals fehlte. Ein junger reichgekleideter Mann, von Vachschen Jägern umgeben, schien den Anführer zu machen; auf ihn legte Denner an, aber noch ehe er abdrückte, stürzte er von einer Kugel getroffen mit einem dumpfen Schrei nieder. Die Räuber flohen – schon stürzten die Vachschen Jäger herbei, da sprang, wie von unwiderstehlicher Macht getrieben, Andres herbei und rettete Dennern, den er, stark wie er war, auf die Schultern warf und schnell forteilte. Ohne verfolgt zu werden, erreichte er glücklich den Wald. Nur einzelne Schüsse fielen hin und wieder und bald wurde es ganz still; ein Zeichen, dass es den Räubern, die nicht verwundet auf dem Platze liegen geblieben, geglückt war, in den Wald zu entkommen und dass es den Jägern und Bauern nicht ratsam schien, in das Dickicht einzubrechen. »Setze mich nur nieder, Andres!« sprach Denner, »ich bin in den Fuß verwundet und verdammt, dass ich umstürzte, denn, unerachtet mich die Wunde sehr schmerzt, glaub ich doch nicht einmal, dass sie [78]bedeutend ist.« Andres tat es, Denner holte eine kleine Phiole aus der Tasche und als er sie öffnete, strahlte ein helles Licht heraus, bei dem Andres die Wunde genau untersuchen konnte: Denner hatte recht; nur ein starker Streifschuss hatte den rechten Fuß getroffen, der stark blutete. Andres verband die Wunde mit seinem Schnupftuch, Denner ließ seine Pfeife ertönen, aus der Ferne wurde geantwortet und nun bat er den Andres, ihn sachte den schmalen Waldweg heraufzuführen, denn bald würden sie an Ort und Stelle sein. Wirklich dauerte es auch nicht lange, so sahen sie den Schein von Windlichtern durch das dunkle Gebüsch brechen und hatten jenen Rasenplatz erreicht, von dem sie ausgegangen und wo sie die übriggebliebenen Räuber bereits versammelt fanden. Alle jauchzten vor Freude auf, als Denner unter sie trat und rühmten den Andres, der, tief in sich gekehrt, kein Wort vorzubringen vermochte. Es fand sich, dass über die Hälfte der Bande tot, oder hart verwundet auf dem Platze liegen geblieben war; indessen hatten einige von den Räubern, die dazu bestimmt waren, den Raub in Sicherheit zu bringen, mitten im Gefecht wirklich mehrere Kisten mit kostbarem Gerät, so wie eine ansehnliche Summe Geld, fortzuschaffen gewusst, so dass, unerachtet das Unternehmen schlimm ausgegangen, doch die Beute ansehnlich blieb. Als nun das Nötige besprochen, wandte sich Denner, den man unterdessen ordentlich verbunden hatte, und der kaum irgendeinen Schmerz mehr zu fühlen schien, zu Andres und sprach: »Ich habe dein Weib vom Tode errettet, du hast mich in dieser Nacht der Gefangenschaft entzogen und mich folglich auch von dem mir gewissen Tode befreit, wir sind quitt! Du kannst in deine Wohnung zurückkehren. In [79]den nächsten Tagen, vielleicht schon morgen, verlassen wir die Gegend; du magst daher ganz ruhig darüber sein, dass wir dir Ähnliches, so wie heute, zumuten werden. Du bist ja so ein gottesfürchtiger
Автор: | E. T. A. Hoffmann |
Издательство: | Bookwire |
Серия: | Reclams Universal-Bibliothek |
Жанр произведения: | Языкознание |
Год издания: | 0 |
isbn: | 9783159617732 |
und Religion zuwiderlaufe. »Darüber kannst du ganz ruhig sein«, rief Denner, indem er ihm lächelnd auf die Schulter klopfte; und da er bemerkte, dass Giorgina aufgesprungen war, und vor Angst zitternd und bebend ihren Mann umklammerte, nahm er sie bei den Armen und sprach, sie sanft zurückziehend: »Lasst Euern Mann nur immer mit mir ziehen, in wenigen Stunden ist er wieder gesund bei Euch, und bringt Euch vielleicht was Schönes mit. Hab’ ich es denn jemals böse mit Euch gemeint? Habe ich selbst dann, wenn Ihr mich verkanntet, nicht immer Euch Gutes erzeigt? Wahrhaftig, Ihr seid recht besondere misstrauische Leute.« Andres zauderte noch immer sich anzukleiden, da wandte Denner sich zu ihm und [74]sprach mit zornigem Blick: »Ich hoffe du wirst deine Zusage halten, denn es gilt nunmehr, das zu beweisen mit der Tat, was du gesprochen!« Schnell war nun Andres angekleidet, und indem er mit Denner zur Türe herausschritt, sprach er noch einmal: »Alles, lieber Herr! will ich für Euch tun, doch etwas Unrechtes werdet Ihr wohl von mir nicht fordern, da ich auch das Kleinste, was wider mein Gewissen liefe, nicht vollbringen würde.« Denner antwortete nichts, sondern schritt rasch vorwärts. Sie waren durch das Dickicht gedrungen bis auf einen ziemlich geräumigen Rasenplatz; da pfiff Denner dreimal, dass der Ton ringsumher aus den schaurigen Klüften widerhallte und überall, in den Büschen flackerten Windlichter auf und es rauschte und klirrte in den dunklen Gängen, bis sich schwarze grässliche Gestalten gespenstisch hervordrängten und den Denner im Kreise umringten. Einer aus dem Kreise trat hervor und sprach auf Andres hindeutend: »Das ist ja wohl unser neuer Geselle, nicht wahr Hauptmann?« »Ja«, antwortete Denner, »ich hab’ ihn aus dem Bette geholt, er soll sein Probestück machen, es kann nun gleich vorwärtsgehen.« Andres erwachte bei diesen Worten wie aus dumpfer Betäubung, kalter Schweiß stand ihm auf der Stirne; aber er ermannte sich und rief heftig: »Was, du schändlicher Betrüger, für einen Kaufmann gabst du dich aus, und treibst ein höllisches verruchtes Gewerbe, und bist ein verworfener Räuber? Nimmermehr will ich dein Geselle sein und teilnehmen an deinen Schandtaten, zu denen du mich, wie der Satan selbst, auf künstliche hämische Weise verlocken wolltest? – Lass mich gleich fort, du frevelicher Bösewicht, und räume mit deiner Rotte dies Gebiet, sonst verrate ich deine Schlupfwinkel der Obrigkeit, und du bekommst den Lohn [75]für deine Schandtaten; denn nun weiß ich es wohl, dass du selbst der schwarze Ignaz bist, der mit seiner Bande an der Grenze gehauset und geraubt, und gemordet hat. – Gleich lasse mich fort, ich will dich nie mehr schauen.« Denner lachte laut auf. »Was, du feiger Bube?« sprach er, »du unterstehst dich, mir zu trotzen, dich meinem Willen, meinem Machtwort entziehen zu wollen? Bist du nicht längst schon unser Geselle? lebst du nicht schon seit beinahe drei Jahren von unserm Gelde? schmückt sich dein Weib nicht mit unserm Raube? Nun stehst du unter uns und willst nicht arbeiten dafür was du genossen? Folgst du uns nun nicht, zeigst du dich nicht gleich als unsern rüstigen Kumpan, so lasse ich dich gebunden in unsere Höhle werfen und meine Gesellen ziehen nach deiner Wohnung, zünden sie an und ermorden dein Weib und deinen Knaben. Doch ich werde wohl diese Maßregel, die nur eine Folge deiner Halsstarrigkeit sein würde, nicht ergreifen dürfen. Nun! – wähle! – es ist Zeit, wir müssen fort!« – Andres sah nun wohl ein, dass die mindeste Weigerung seiner geliebten Giorgina und dem Knaben das Leben kosten würde; den verräterischen bübischen Denner im Innern zur Hölle verfluchend, beschloss er daher, in seinen Willen sich scheinbar zu fügen, rein von Diebstahl und Mord zu bleiben und das tiefere Eindringen in die Schlupfwinkel der Bande nur dazu zu benutzen, bei der ersten günstigen Gelegenheit ihre Aushebung und Einziehung zu bewirken. Nach diesem im Stillen gefassten Entschluss erklärte er dem Denner, wie trotz seines innern Widerstrebens doch die Dankbarkeit für Giorginas Rettung ihn verpflichte, etwas zu wagen, und er wolle daher die Expedition mitmachen, wobei er nur bitte, ihn als einen Neuling, so viel möglich mit dem tätigen Anteil [76]daran zu verschonen. Denner lobte seinen Entschluss, indem er hinzufügte, wie er keinesweges verlange, dass er förmlich zur Bande übertreten solle, vielmehr müsse er Revierjäger bleiben; denn so wäre er ihm und der Bande schon jetzt von großem Nutzen gewesen, was denn auch künftig der Fall sein würde.