Insgesamt ist die Geschichte des Romans kürzer, aktueller, vor allem aber zeitloser geworden.
Satire ist es geblieben: »Diederich Heßling war ein weiches Kind, das am liebsten träumte, sich vor allem fürchtete und viel an den Ohren litt.«35 Der erste Satz des Romans und auch des Films. Die manifeste Verbindung von Träumerei und Ohrenleiden bespöttelt in ihrer Absurdität Diederichs spätere schizophrene Lebensführung, sein Herrschen und sein Leiden, sein Treten und sein Getreten-Werden. Schon zu Beginn beider Werke eine ironische Metapher für sein Wesen und seinen Untertanengeist. Noch viel deutlicher im Buch als im Film, in der Hochzeitsnacht, in der Diederich den Geschlechtsakt ankündigt: »Bevor wir zur Sache selbst schreiten […] gedenken wir Seiner Majestät unseres allergnädigsten Kaisers. Denn die Sache hat den höheren Zweck, daß wir Seiner Majestät Ehre machen und tüchtige Soldaten liefern.«36 Durch die absurde, vermeintliche Überhöhung wird die Persiflage deutlich. Man lächelt oder lacht über den Protagonisten, er wird enttarnt, Satire eben!
Buch und Film wurden vor 106 bzw. 69 Jahren abgeschlossen. Bei all den Änderungen in unserer Sprache, auch in der Filmsprache, haben sie noch immer ihre satirische Wirkung behalten. Die Betrachtung der beiden unterschiedlichen Schlüsse zeigt nachdrücklich, worum es den beiden Autoren Mann und Staudte ging, nämlich die im eigentlichen Sinne fatale Wirkung des Untertanengeistes aufzuzeigen. Bei Mann stirbt stellvertretend für die Demokratie der alte Buck. Bei Staudte geht es um den Krieg, auch eine Folge des Untertanengeistes, an dem fast die Menschheit zugrunde geht.
Für beide Werke gilt: Das Lachen bleibt einem im Halse stecken.
1 S. www.filmportal.de/thema/die-wichtigsten-deutschen-filme-chronologische-uebersicht. — 2 Vgl. Ralf Schenk: Mitten im kalten Krieg 1950 – 1960. In: Filmmuseum Potsdam (Hg.): Das zweite Leben der Filmstadt Babelsberg. Berlin: Henschel 1994, S. 50-157, hier S. 67 f. — 3 Ignaz Wrobel [= Kurt Tucholsky], in: Die Weltbühne, Nr. 13, 20.3.1919, S. 317. — 4 Alle folgenden Zitate aus dem Roman zit. nach: Heinrich Mann: Der Untertan. München: Deutscher Taschenbuch Verlag 1964; Zitate aus dem Film zit. nach: Montageliste. In: Bundesarchiv, BArch DR 117/15200, undatiert, 97 Seiten. — 5 Mann, a.a.O., S. 5. — 6 Ebd., S. 6-8. — 7 Ebd., S. 33. — 8 Montageliste, a.a.O., S. 18-19, 47. — 9 Ebd., S. 23 f., 26. — 10 Ebd., S. 75, 91-93. — 11 Montageliste, a.a.O., S. 93; Mann, a.a.O., S. 306. — 12 Montageliste, a.a.O., S. 15; vgl. Mann, a.a.O., S. 22. — 13 Montageliste, a.a.O., S. 20; Mann, a.a.O., S. 36. — 14 Montageliste, a.a.O., S. 83; Mann, a.a.O., S. 279. — 15 Montageliste, a.a.O., S. 67 f. — 16 Mann, a.a.O., S. 9-10. — 17 Ebd., S. 92. — 18 Ebd., S. 93-95. — 19 Ebd., S. 35. — 20 Ebd., S. 63. — 21 Ebd., S. 266-268. — 22 Der Autor bedankt sich für die fruchtbare Diskussion im Anschluss an seinen Vortrag während des Filmhistorischen Kongresses am 21.11.2019. Die im Folgenden dargestellten Überlegungen schließen daran an. — 23 Vgl. wikipedia.org/wiki/Julius_Meyer_ (Politiker, 1909); wikipedia.org/wiki/Paul Merker (4.1.2020). — 24 Vgl. Thomas Haury: Antisemitismus in der DDR. Hg. v. Bundeszentrale für politische Bildung, 28.11.2006; bpb.de/politik/extremismus/antisemitismus/37957/antisemitismus-in-der-ddr (7.5.2020). — 25 Mann, a.a.O., S. 45. — 26 Montageliste, a.a.O., S. 9 f. — 27 Ebd., S. 11. — 28 Mann, a.a.O., S. 362. — 29 Ebd., S. 360. — 30 Ebd., S. 362. — 31 Ebd. — 32 Ebd., S. 363 f. — 33 Montageliste, a.a.O., S. 97. — 34 Vgl. Schenk, a.a.O., S. 71. — 35 Mann, a.a.O., S. 5; Montageliste, a.a.O., S. 2. — 36 Mann, a.a.O., S. 276; Montageliste, a.a.O., S. 80 (dort gekürzt).
Hin und Her (1947/48, Theo Lingen): Theo Lingen
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