Von den Pflichten der Kirchendiener. Ambrosius von Mailand. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ambrosius von Mailand
Издательство: Bookwire
Серия: Die Schriften der Kirchenväter
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783849659639
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unsrigen, daß sie nicht zur Sünde führen. Man kann sich aber in acht nehmen, wenn man nicht voreilig spricht. Das Gesetz sagt: „Höre, Israel, den Herrn deinen Gott!“14 Es heißt nicht ‚rede‘, sondern ‚höre‘. Deshalb fiel Eva, weil sie zu ihrem Manne etwas redete, was sie vom Herrn ihrem Gott nicht gehört hatte. Das erste Wort aus Gottes Mund mahnt dich: „höre!“ Hörst du, so hast du acht auf deine Wege und machst es rasch wieder gut, wenn du gefallen. „Wodurch macht denn ein Jüngling seinen Wandel gut? Dadurch, daß er auf die Worte des Herrn acht hat“15. So schweig erst und höre, um nicht mit der Zunge zu sündigen!

      8. Unselig das Verdammungsurteil, das einer mit eigenem Munde über sich sprechen muß! Denn wenn jeder schon für ein müßiges Wort Rechenschaft geben wird16, wieviel mehr für ein unlauteres und schimpfliches Wort? Schwerer fallen ja schlüpfrige als müßige Worte auf die Wagschale. Wenn schon für ein müßiges Wort Rechenschaft gefordert wird, wie unvergleichlich größere Strafe wird über gottlose Rede verhängt?

      III. Kapitel

      

       Vom Stillschweigen: Es darf kein ständiges, kein müßiges sein (9). Von der Wachsamkeit über Herz und Mund den inneren Leidenschaften gegenüber (10―13).

      9. Wie nun? Sollen wir stumm sein? Keineswegs. Denn „es gibt eine Zeit zum Schweigen, und es gibt eine Zeit zum Reden“17. Wenn wir ferner über ein müßiges Wort Rechenschaft geben müssen, sehen wir zu, daß wir nicht auch über ein müßiges Schweigen es tun müssen. Es gibt nämlich auch ein wirksames Schweigen. So war es bei Susanna, die durch Schweigen mehr bewirkte, als wenn sie gesprochen hätte. Während sie nämlich vor den Menschen schwieg, redete sie zu Gott und fand keinen beredteren Zeugen für ihre Keuschheit als das Schweigen. Das Gewissen redete, wo keiner Zunge Laut vernehmlich war. Und kein menschliches Urteil verlangte sie sich, da sie des Herrn Zeugnis für sich hatte. Von dem wollte sie ihre Lossprechung haben, der sich, wie sie wußte, nicht täuschen läßt18. Der Herr selbst wirkte im Evangelium schweigend das Heil der Menschen19. Mit Recht also legte sich David nicht beständiges Schweigen, sondern nur Behutsamkeit hierin auf20.

      10. Wachen wir also über unser Herz, wachen wir über unseren Mund! Denn beides steht geschrieben: an unserer Stelle, daß wir den Mund bewahren sollen; an einer anderen die Mahnung: „Mit aller Behutsamkeit wahre dein Herz!“21 Wenn David es wahrte, willst du es nicht wahren? Wenn ein Isaias unreine Lippen hatte, da er bekannte22: „O ich Unseliger, weil von Gewissensbissen gequält! Ein Mensch bin ich ja mit unreinen Lippen“ — wenn der Prophet unreine Lippen hatte, wie sollten wir reine haben?

      11. Und wem anders als jedem von uns gilt das Schriftwort: „Umhege dein Besitztum mit Dornen und kette fest dein Silber und Gold und mache deinem Munde Tor und Riegel und deinen Worten Joch und Wage“?23 Dein Besitztum ist dein Geist, dein Gold dein Herz, dein Silber deine Rede: „Die Reden des Herrn sind reine Reden, Silber im Feuer erprobt“24. Ein gutes Besitztum ist ein guter Geist; ein kostbares Besitztum endlich ein reiner Mensch. Umhege denn dieses Besitztum und umfriede es mit dem Walle der Gedanken, schirme es mit den Dornen ängstlicher Sorgfalt, daß nicht die unvernünftigen Leidenschaften des Fleisches darüber herfallen und es als Beute fortschleppen, daß nicht heftige Regungen darin eindringen, daß nicht des Weges Ziehende dessen Weinernte plündern! Behüte deinen inneren Menschen! Mißachte und verachte ihn nicht als etwas Geringwertiges! Denn er ist ein kostbares Besitztum. Mit Recht ein kostbares, weil seine Frucht nicht hinfällig und vergänglich ist, sondern ein dauerndes und ewiges Heil birgt. So bebaue denn dein Besitztum, um Fruchtfelder zu gewinnen!

      12. Binde deine Rede, daß sie nicht zu üppig treibe, nicht zu geil wuchere und durch Schwatzhaftigkeit zur Sündenlese führe! Der Redestrom bleibe mehr eingedämmt und in seine Ufer gebannt! Der austretende Strom schwemmt rasch Schlamm an. Binde deinen Sinn! Er sei nicht lose und ausgegossen, daß man nicht von dir sage: „Da läßt sich kein Umschlag, kein Öl, kein Verband anlegen“25. Ein vernünftiger Geist hat seine Zügel, durch die er gelenkt und geleitet wird.

      13. Dein Mund habe, sobald es nottut, ein Tor zum Verschließen und Versperren26, daß niemand deine Zunge zum Zorn reize, und du Beschimpfung mit Beschimpfung vergeltest! Du hörtest heute die Lesung: „Zürnet, doch sündiget nicht!“27 Mag uns also auch Zorn anwandeln, weil er eine natürliche Regung ist und nicht in unserer Gewalt steht, so sollen wir doch kein böses Wort aus unserem Munde hervorkommen lassen, um nicht in Schuld zu geraten, „Joch und Wage sei vielmehr deinen Worten“28, d. i. Demut und Mäßigung, daß deine Zunge dem Geiste Untertan sei! Mit des Zaumes Fesseln muß sie gezähmt werden. Ihre Zügel braucht sie, um durch sie zum Maßhalten angehalten werden zu können. Reden, auf der Wage der Gerechtigkeit abgewogen, bringe sie hervor! Der Gesinnung muß Ernst, der Rede Gewicht, den Worten Maß innewohnen.

      IV. Kapitel

      

       Vom Stillschweigen: Achtsamkeit im Reden frommt der Tugend, Unbedachtsamkeit der Leidenschaft (14). Letzterer bedient sich der unsichtbare Widersacher als Waffe und Fallstrick (15—16).

      14. Ist einer im Reden behutsam, wird er milde, sanft, bescheiden. Wenn er nämlich seinen Mund hält und seine Zunge wahrt und nicht redet, bevor er nicht seine Worte prüft und überschlägt und abwägt, ob dies zu sagen sei, ob es diesem gegenüber zu sagen sei, ob es der rechte Zeitpunkt zu solcher Rede sei, so übt er in der Tat Bescheidenheit und Sanftmut und Geduld. Er wird nicht aus Ungehaltenheit und Zorn in Worte ausbrechen, in seinen Aussprüchen keinerlei Leidenschaft verraten und nicht merken lassen, daß die Glut sinnlicher Lust in seiner Rede lodert und seine Äußerungen den Stachel des Jähzornes bergen; die Rede soll schließlich nicht, statt eine Empfehlung für die innere Gesinnung zu sein, irgendeine sittliche Blöße aufdecken und verraten.

      15. Gerade dann macht der Widersacher in seinen Nachstellungen die größten Anstrengungen, wenn er etwelche Leidenschaften von uns in der Entstehung begriffen sieht. Da legt er den Zunder, legt er den Fallstrick. Nicht mit Unrecht spricht daher der Prophet, wie du heute verlesen hörtest: „Er hat mich befreit vom Stricke der Jäger und von herber Rede“29. Symmachus30 gebrauchte den Ausdruck ‚Wort der Aufreizung‘ (λόγος πηρείας) [logos epēreias], andere31 ‚Wort der Verwirrung‘ (λόγος ταραχώδης) [logos tarachōdēs]. Der Strick des Widersachers ist unsere Rede, aber auch sie selbst ist nicht weniger unser Widersacher. Wir reden so häufig etwas: der Feind fängt es auf und verwundet uns gleichsam mit unserem eigenen Schwert. Wie ist es unvergleichlich erträglicher, durch fremdes Schwert als durch das eigene umzukommen!

      16. So kundschaftet denn der Widersacher unsere Waffen aus und prüft seine eigenen Geschosse. Sieht er mich in Erregung, setzt er seine Stachel an und weckt die Saat der Zankworte. Lasse ich ein unschickliches Wort entschlüpfen, zieht er seine Schlinge zusammen. Zuweilen stellt er mir gleichsam als Köder die Gelegenheit zu einer Rache vor Augen, damit ich mich selbst, während ich nach Rache dürste, in die Schlinge verwickle und den Knoten des Todes mir schürze. Wenn darum jemand die Nähe dieses Widersachers merkt, dann muß er um so ängstlicher auf seinen Mund achthaben, um dem Widersacher nicht stattzugeben. Doch nicht viele gewahren sein.

      V. Kapitel

      

       Vom Stillschweigen: Auch gegen den menschlichen Widersacher bildet es eine bewährte Waffe (17—18), insbesonders eine Schutzwaffe der Demut (19) wider Versuchung und Sünde (20).

      17. Aber auch vor jedem sichtbaren Widersacher, der reizt, der stachelt, der den Zunder der Lust oder Sinnlichkeit legt, hat man sich in acht zu nehmen. Wenn uns also einer schmäht, neckt, zu Tätlichkeit reizt, zu Zank herausfordert, dann laßt uns Schweigen üben! Dann laßt uns nicht schämen zu verstummen! Denn ein Sünder ist es, der uns herausfordert, der unrecht tut und uns zu seinesgleichen