„Ich möcht wahrhaftig wissen, wie der“ — ein Kopfschwenken wies nach dem Schwager —, „wie der das anstellt? Der lebt ja fast nur noch von Karlshorst — paß auf, dem klopfen sie auch noch mal auf die Finger!“
„Mama gibt ja immer noch —“ sagte Grete seufzend. „Und hast du das Kleid gesehen — das war Libertyseide, ein ganz neues Kostüm — da hätten sie sich wieder geniert gefühlt, wenn ich mich mit meiner Waschbluse zu ihnen gesetzt — nee, wozu soll ich mich denn den ganzen Abend sticheln lassen!“
„Er versteht es ja“ — sagte Edwin — ohne die Kostümfrage zu beachten — „er hat ein paar gute Vertretungen, und die Terrainspekulationen bringen ja auch genug — aber trotzdem, irgend was ist faul, das ist nu mal sicher!“
Die Kapelle begann wieder zu spielen, neues Leben kam in die Menschenmenge, und das Stimmengewirr wurde lauter und lebhafter.
„Werri well“ — sagte da jemand plötzlich hinter dem jungen Ehepaar.
Unwillkürlich schwenkte Edwin ein wenig ab, um den Sprecher vorzulassen, war aber starr vor Verwunderung, als er in ihm Onkel Karl erkannte, der — an der Seite einer pompösen, ganz in Schwarz gekleideten Dame — eilig vorüberschritt, ohne seine Verwandten zu bemerken.
„Ick sein serr erstaunt über Ihre Lebensanschauungen“ — hörte man die Dame sagen.
„Da is janischt zu astaunen“, sagte Onkel Karl, „det is nu mal so und nich anners!“
„I beg your pardon! …“
„Det verflixte Jespieke“ — sagte Onkel — „wenn Se bloß erst Deitsch könnten!“
Was die Dame darauf erwiderte, war nicht mehr zu verstehen, da Onkel mit ihr nach der Terrasse abschwenkte.
„Was war denn das?“ fragte Edwin.
Frau Grete war ebenso verblüfft: „Mama hat zwar neulich schon zu Tante Marie was fallen lassen, daß Onkel Karl sich jetzt mit Heiratsabsichten trage, aber sie glaubte selbst nicht daran — nu wissen wir wenigstens Bescheid!“
„Wo hat er die denn bloß aufgegabelt? — Ich hätte ihm gar nicht so viel Geschmack zugetraut, komisch bloß, daß die mit ihm zufrieden ist, die könnte doch ganz andere Ansprüche stellen!“ sagte Edwin.
„Wer weiß, wie das nu wieder zusammenhängt! Mit Onkel Karl ist das ja immer so ’ne Sache —“ meinte Frau Grete — „der fängt doch stets furchtbar großartig an und nimmt dann jedesmal ein schreckliches Ende. Ich denke bloß noch an die arme Joldelse — wie die zugrunde gegangen ist!“
„Na ja — das war ’n Hund“ — sagte Edwin — „aber die da sieht doch gar nicht so aus, als wenn sie sich von Onkel unterkriegen ließe — wo er doch überhaupt keine Ahnung hat, wie man mit Damen umgeht. Schade, daß wir die Weiterentwicklung nicht gesehen haben, ich bin doch gespannt, was Zillmanns sagen werden!“
„Da wird ja ein Tisch frei“ — sagte Frau Grete — „wenn du noch ein Glas Bier trinken willst — setzen wir uns doch da hin, da können wir ja alles sehen, ohne daß sie uns bemerken!“
Edwin gelang es auch noch, den Tisch zu erobern, bevor eine andere Gesellschaft, die ebenfalls darauf losstürmte, herangekommen war.
Und als dann der Kellner das Bier und die Selter gebracht und sich — der Sicherheit wegen und um bei weiteren Bestellungen ein neues Trinkgeld zu bekommen — sofort hatte bezahlen lassen, beobachteten sie — aus dem Halbdunkel der Baumschatten — die Sensation, die Onkel Karls und seiner Begleiterin Erscheinen noch immer auf der Terrasse machte.
„Dabei sieht er gar nicht so schlecht aus“, meinte Edwin, „man könnte ihn wer weiß für was halten mit dem grauen Zylinder und den karierten Hosen — noch dazu, wo er das Haar jetzt so amerikanisch trägt!“
„Ja — wenn er bloß nicht so berlinerte“, sagte Frau Grete, „hör’ bloß, wie er schreit! Die Leute lachen ja schon alle über ihn!“
Und wirklich, Onkel Karls Stimme war bis hier unten vernehmbar — er schien aufs äußerste durch die spöttischen Blicke ringsum und die Langsamkeit des Kellners gereizt zu sein: „Wenn Se mir nich jetz jleich meen Filet à la Wellingtong und die Schleiforellen mit den jefrornen Meerrettich bringen, denn hau’ ick uff den Tisch, det die Pulle hochspringt — vastehen Se! Ick bin doch keena von die Fatzkens hier, die Sie so behandeln können!“
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